22. Landessportspiele für Behinderte und Freunde in Stendal / Bernd Reinecke hat sein eigenes Schicksal positiv verarbeitet "Viele Behinderte haben Angst, aber sie sollten sich draußen zeigen"
Bernd Reinecke und Otto Nawrocki sind das " Stendaler Promipaar" bei den 22. Landessportspielen für Behinderte und ihre Freunde am Sonnabend in Stendal. Eigentlich dürfen die Ausrichter des Sportfestes nicht an den Start. Doch der Sitzballverein hat Reinecke, der vor acht Jahren sein linkes Bein durch einen Motorradunfall verlor, grünes Licht erteilt. Gemeinsam mit dem nichtbehinderten Leichtathleten Nawrocki kämpft er für Stendal.
Von Sibylle Sperling
Stendal. "Jeder kann von einer Sekunde zur nächsten zu einer Behinderung kommen. Deshalb sollten nichtbehinderte Menschen ihre Hemmschwelle gegenüber Menschen mit Behinderungen überwinden. Ich möchte, dass wir nicht parallel, sondern gemeinsam durchs Leben gehen", wünscht sich Bernd Reinecke, der vor acht Jahren sein linkes Bein durch einen Motorradunfall verlor.
85 Blutkonserven, engagierte Ärzte und jede Menge Glück retteten dem Uenglinger damals gleich mehrmals das Leben. Lebenslustig, kraftvoll und unermüdlich erzählt er seine Geschichte. Sehr oft hat er das bereits getan, sagt er und ist überzeugt davon, dass er dadurch seinen Schicksalsschlag positiv verarbeiten konnte. Eine Prothese mit einem computergesteuerten Kniegelenk und seine Unterarmstützen geben ihm die Möglichkeit, an sein früheres Leben anzuknüpfen, da weiterzumachen, wo es im Juli 2003 jäh unterbrochen wurde.
Sein Rollstuhl steht fast nur in der Ecke. Denn schon anderthalb Jahre nach seinem Unfall kehrte Reinecke zu seinem früheren Arbeitgeber zurück, setzte sich ins Auto und fuhr quer durch Sachsen-Anhalt. "Ich verkaufe das, was die Brötchen größer macht: Backtriebmittel. Das habe ich schon vor meinem Unfall getan und daran hat sich bis heute nichts geändert", freut sich der gelernte Bäcker. Sechs bis acht Bäckerläden schafft er pro Tag, an fünf Tagen die Woche bereist er das Jerichower Land, Salzwedel oder Haldensleben.
Bei seinen Bäckern verteilt er auch die Handzettel für die bevorstehenden Landessportspiele für Behinderte und ihre Freunde, schließlich wünscht er sich "so viele Zuschauer wie möglich". "Das Bild von uns in der Öffentlichkeit hat sich zwar schon geändert und ist besser geworden. Dennoch haben Behinderte Angst hinauszugehen. Sie sollen sich zeigen. Zum Beispiel beim Sportfest. Es ist eine Chance für sie, aus ihrer Isolation zu treten", rät Bernd Reinecke und möchte vor allem eines: Mut machen.
Er selbst hat das von Anfang an getan. Nicht nur durch seinen unkomlipizierten Wiedereintritt ins Berufsleben. Im Dezember 2004 klingelte es an seiner Haustür. Peter Frauendienst, Teamleiter der Sitz-ball-Sportgruppe, wollte mit ihm sprechen. Wenig später schaute Reinecke beim Training der Gruppe zu und wusste: "Das ist mein Sport." 13 Aktive gehören zu dieser Gruppe des Behinderten-, Rehabilitations- und Seniorensportvereins Stendal (BRS SV). Sie treffen sich immer dienstags von 17.30 bis 20 Uhr in der Sporthalle der Gagarin-Grundschule. Jeder, egal ob mit oder ohne Behinderung, kann bei dieser Sportart mitmachen. "Wir suchen immer wieder neue Mitstreiter. Im Grunde spielen wir Volleyball im Sitzen. Zum Anfang war auch meine Frau dabei, doch sie war beruflich so viel unterwegs, dass sie nach zwei Jahren aufhören musste", erinnert sich Reinecke mit ein wenig Wehmut.
Doch er hat wieder einen neuen Partner, den nichtbehinderten Peter Richter, gefunden. Mit ihm und seiner Mannschaft tritt er auf Landessportspielen und Meisterschaften in Bautzen, Lemgo oder Dresden an. Der Sport ist sein Ausgleich zur Arbeit. An diesem 3. September geht er ausnahmsweise mit einem anderen Partner an den Start. Dass er überhaupt antritt, ist nicht selbstverständlich. "Wir, der BRS SV, sind in diesem Jahr die Ausrichter des Sportfestes und dürfen nur als Helfer teilnehmen. Unsere Sitzball-Sportgruppe betreut die Disziplin Roland-Zielwurf", sagt Reinecke.
Doch eine Woche vor dem Sportfest gaben Frauendienst und seine Leute grünes Licht. Reinecke darf an den Start und Stendal vertreten. Zusammen mit dem nichtbehinderten Leichtathleten Otto Nawrocki.
Wird Reinecke für diesen Tag trainieren? "Ich spiele nicht nur Sitzball. Um meine Muskeln zu bewegen und zu trainieren, springe ich auch gern mal in meinen Pool und schwimme", sagt er lachend.