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Weihnachtsfeier Flüchtlinge erleben deutsche Traditionen

Weihnachten in der Klietzer Flüchtlingsunterkunft. Es gibt Geschenke, Lebkuchen, Krippenspiel und Lieder von einer stillen, heiligen Nacht.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 23.12.2015, 18:14

Klietz l Mühsam bahnt sich der Weihnachtsmann seinen Weg durch das neue Versorgungszelt. 500 Flüchtlinge sind am vierten Advent zur Weihnachtsfeier hierher gekommen. Es ist warm und geräumig, vorn steht ein Tannenbaum mit roten Kugeln dran und Päckchen darunter. Erst sein ein paar Tagen steht das sogenannte Tornado-Zelt, das das im September eilig aufgestellte Festzelt ablöst. „Noch ist nicht alles fertig. Die Essenausgabe fehlt noch. Bis sie Anfang Januar aufgebaut wird, gibt es das Essen noch im anderen Zelt“, berichtet Enrico Schmidt. Er trägt für das DRK die Verantwortung in der Klietzer Erstaufnahmestelle. Die Hilfsorganisation unterstützt das Innenministerium als Betreiber der Erstaufnahmestelle. So schultert das DRK die Sozialarbeit, die medizinische Betreuung rund um die Uhr, die Verpflegung und das Unterkunftsmanagement. Das Team mit rund 60 Mitarbeitern – rund 20 im Bundesfreiwilligendienst und die anderen befristet eingestellt – ist gut zusammengewachsen. „So langsam kann man von Alltag reden. Ein paar neue Mitarbeiter kommen im Januar noch dazu, dann sind wir komplett.“ Enrico Schmidt spricht von einer sehr guten Zusammenarbeit mit allen, die in der Erstaufnahmestelle in der Bundeswehr-Kaserne tätig sind, ob es die Mitarbeiter der vielen Ämter, die Ehrenamtlichen oder die Polizisten sind. „Es klappt einfach“, bestätigt Mathias Stempor, vom Innenministerium als Leiter eingesetzt. „Alle sind motiviert und haben Freude an der Arbeit.“

Auch bei der Weihnachtsfeier. Die vorzubereiten, war eine zusätzliche Herausforderung neben dem regulären Betrieb. Beispielsweise haben die Mitarbeiter mit den Kindern – rund 100 sind es durchschnittlich – 50 Kilo Teig zu Plätzchen verarbeitet.

Jetzt stehen die Kinder vorn in der ersten Reihe und sehen sich das Krippenspiel an. Maria ist eine DRK-Mitarbeiterin, Josef wird von Jimmi aus Syrien dargestellt. Er gehörte zu den ersten Ankömmlingen in Klietz, lebt inzwischen in Stendal und spricht schon passabel deutsch.

Dann begrüßt Mathias Stempor auf Deutsch, Englisch und Französisch die Bewohner, zwei Übersetzer wenden sich auf Arabisch und Persisch an die Flüchtlinge. Die meisten kommen aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, Iran, Irak, Indien und auch aus mehreren schwarzafrikanischen Ländern sind Menschen in Klietz gestrandet. Hier bleiben sie für ein paar Wochen, bis ihnen Wohnungen zugewiesen werden. Dieser sogenannte Transfer pausiert bis Anfang Januar. Ohne die Taschen packen zu müssen, erleben die Asylsuchenden Weihnachten und den Jahreswechsel. Der heutige Heiligabend wird ein „ganz normaler Tag“, gleiches gilt für Silvester. Ein Feuerwerk gibt es nicht – verboten auf dem Bundeswehrgelände.

Dafür ist der vierte Advent ein besonderer Tag. Im roten Mantel, hinter dem weißen Bart, verbirgt sich Enrico Schmidt. Nachdem er jubelnd empfangen wurde und er sich mühsam durch die ihn umzingelnden Kinder gedrängt hat, nimmt er am Tannenbaum Platz. Hier liegen Päckchen, gepackt von Mitarbeitern und Angehörigen sowie von der Kirchgemeinde Seehausen. Die Helfer haben alle Mühe, die Geschenke-Übergabe zu koordinieren und die Kinder auf Abstand zu halten. Schnell sind alle Päckchen übergeben.

Fast noch wichtiger als die Geschenke für die Kinder scheinen anschließend für die Älteren Fotos mit dem Weihnachtsmann, mit Mathias Stempor und den DRK-Mitarbeitern zu sein. Überall blitzen die Handy-Kameras. Das auf Deutsch gesprochene „Dankeschön!“ gilt wohl nicht nur für das Foto, sondern generell für die Aufnahme in Deutschland.

„Deshalb mache ich diesen Job so gerne“, ist Mathias Stempor fast schon ein bisschen gerührt. Auch, als ihm Ina Knoblauch, eine der ehrenamtlich Deutsch Unterrichtenden, ein Heft überreicht. Es enthält Bilder und Geschichten und immer wieder das Wort „Dankeschön!“ mit vielen Unterschriften der Bewohner. Alle Mitarbeiter bekommen es jetzt überreicht – ein schönes Geschenk nach drei Monaten Arbeit in der Erstaufnahmestelle. Seinen Arbeitsplatz will Mathias Stempor vorerst deshalb auch nicht mit dem Büro im Magdeburger Innenministerium tauschen. Viel wichtiger ist es ihm, vor Ort zu sein und tagtäglich zu erleben, wie Menschen dankbar sind, nun in Ruhe und Frieden leben zu können. Auch wenn es schon die eine oder andere Auseinandersetzung gab, so geht es in der Klietzer Kaserne doch harmonisch und friedlich zu, „das ist auch ein Verdienst aller hier Tätigen und der optimalen Voraussetzungen in den Unterkunftsgebäuden der Bundeswehr“. Mathias Stempor ist auch sehr froh, dass die Akzeptanz bei den Klietzern gegenüber den vorübergehend in ihrem Ort lebenden Flüchtlingen aus seiner Sicht größer wird.

Rund 1000 Asylsuchende haben Klietz nach der Aufnahmeprozedur inzwischen wieder verlassen. Dass sie sich in der Erstaufnahmestelle wohl gefühlt haben, beweisen immer mal eintreffende Briefe.

Während es beim gemeinsamen Singen von „Oh Du fröhliche“ oder „Oh Tannenbaum“ noch recht verhalten zuging, so kennen doch viele der Flüchtlinge den Michael-Jackson-Hit, der zum Abschluss des Weihnachtsprogrammes das Zelt erfüllt: „We are the World“.