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Vortrag im Prignitz-Museum anlässlich des 1. Romanik-Tages in Sachsen-Anhalt Zeitzeuge liegt unter der Fußbodenklappe

Von Ingo Freihorst 22.05.2012, 05:21

Im romanischen Baustil wurden einst Dom und Klosteranlage in Havelberg errichtet. Museologin Antje Reichel erinnerte zur Romaniktag-Premiere in ihrem Vortrag an jene Epoche.

Havelberg l Viel ist von den romanischen Spuren nicht mehr erhalten - oder sehr versteckt. So wie das Palmettenportal, welches einst einen Türbogen schmückte. Doch stand dieser Durchgang dem weiteren Aufbau der Klosteranlage im Wege, er musste um 1400 der neuen Westwand weichen und wurde um knapp einen Meter verlegt. Das in Resten erhaltene Portal wurde nach dem Krieg entdeckt - jetzt kann man es nur sehen, wenn im hinteren Sonderausstellungsraum eine Klappe im Fußboden geöffnet wird.

Zwischen 1150 und 1170 entstand der Dombau, eine dreischiffige und zehnjochige Pfeilerbasilika. Die Grauwackesteine wurden aus dem elbnahen Plötzky und Gommern herantransportiert. Die erste bildliche Dom-Darstellung von 1585 wurde erst vor kurzem entdeckt, auf einer handgezeichneten Landkarte im Besitz der Familie von Quitzow. Romanische Portale sind noch im Kreuzgang erhalten. Das Nordportal entstand ebenfalls mit romanischen Fenstern, wurde aber später gotisch überbaut - wie viele andere romanische Zeitzeugen. Vor allem beim umfassenden gotischen Umbau nach 1279, als ein Brand in dem Gemäuer gewütet hatte.

Am ehesten sichtbar ist die Romanik am imposanten Westquerriegel, also dem Turm mit seinen gotischen Doppelfenstern und dem Kreuzbogenfries. Erhaltenswerte gemalte Friese finden sich im Kapitelsaal.

Dom-Details aus der Romanik hatte Carl Plathner vorm Umbau zeichnerisch festgehalten, unter anderem die Zinnen. Der preußische Kreisbauinspektor Karl Frank Hassenstein wollte den Vorgängerbau aus dem 10. Jahrhundert nachweisen, nahm dazu umfangreiche Grabungen vor. Er entdeckte, dass es vorher eine Rundapsis gegeben hatte. Und dass das Gotteshaus auf recht flachen Fundamenten stand, also nie eine Krypta besessen haben kann. Zudem legte er 1939 einen vermauerten und mit Grabplatten zugestellten Durchgang im Chorraum frei.

Bei Bauarbeiten am Dom vor einigen Jahren wurde in der Mauer ein Rest von einem Rüstholz gefunden. Dessen Baumringe verrieten den Experten, dass das Holz im Winter 1158 geschlagen worden war. Damit wurden all jene Vermutungen widerlegt, wonach der Dombau bereits in ottonischer Zeit entstanden war.

Mit Hilfe dieser Wissenschaft wurde auch die Baufolge der Klosteranlage rekonstruiert: So entstand um 1200 zuerst der Ostflügel des Klosters, es folgte jener im Süden. - Ein Modell im Dom stellt diese Bauphase dar, mit dem Südflügel-Fundament. Es folgte der Kreuzgang am Ostflügel, zuletzt, um 1360, der Westflügel.

Zinnen waren am Dom nur kurz vorhanden, sie wurden alsbald mit dem Glockengeschoss überbaut. Ein Rekonstruktionsversuch von 1928 zeigte den Dom noch ganz wehrhaft mit Zinnen und Wehrrundgang. Neueste Erkenntnisse werden noch in diesem Jahr erwartet - in einer Dissertation in Buchform.