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Zwillingsgeschichte Im Skirat-Trabi sieht man doppelt

Wer fährt eigentlich noch Trabi? Kaum ein Mensch! In Schönhausen gibt es zwei - die aussehen wie einer!

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 17.08.2019, 01:01

Schönhausen l Denn Steffen und Sven Skirat sind Zwillinge. Erst auf den zweiten Blick und mit einem Hinweis auf das kleine Muttermal auf der Wange von Steffen kann man sie unterscheiden. Sie sehen gleich aus, sprechen gleich, laufen gleich ... Und haben die gleichen Hobbys.

Eines davon ist das Trabifahren. Dass es für die beiden wirklich bequem ist, mag man kaum glauben. „Doch doch, das geht!“ sagen sie. Denn die Skirat-Zwillinge, geboren am 21. Dezember 1985 im Abstand von zehn Minuten, sind Hünen – nur fünf Zentimeter fehlen an den zwei Metern. Damit sie mit den langen Beinen trotzdem in den Trabi passen, haben sie Sitzschienenverlängerungen eingebaut. Und es musste noch viel mehr am Trabi geschraubt werden, bevor er über die Straßen rollen konnte.

Denn als sie ihn 2009 von einem Bekannten in Milow für 270 Euro kauften, war er ein Häufchen Elend, der eher auf den Schrottplatz als in die Garage gehörte. „Und wir hatten eigentlich auch keine Ahnung vom Autoschrauben. Aber wir hatten einfach Lust, so ein altes DDR-Fahrzeug zu fahren. Ein paar Kumpels hatten auch schon einen Trabi und eigentlich wollten wir die ,Ostalgie-Freunde‘ bilden. Daraus ist zwar nichts geworden, aber unseren Trabi haben wir wieder gut hingekriegt.“

Das hat ein Weilchen gedauert. Wieviele Stunden, können Steffen und Sven nicht sagen, „Es ist unser Hobby. Wenn man etwas gern macht, guckt man nicht auf die Zeit.“ Jedenfalls waren es viele Wochenenden. Denn in der Woche ist Sven als Kraftfahrer bei einer Genthiner Firma beschäftigt, Steffen ist in Berlin als Koch tätig. Die Zeit zu Hause in Schönhausen ist knapp bemessen.

Denn das zweite große Hobby von Skirats ist das Handballspielen. Schon in der Schule hatte Sportlehrer Armin Torber die Leidenschaft der beiden großen blonden Jungs geweckt. Als sie 2002 die Schule beendeten, spielten sie in der Schönhauser Frauenmannschaft weiter. Immer mehr Männer kamen dazu und gründeten 2003 schließlich eine eigenene Preußen-Mannschaft mit Kapitän Enrico Ziehm an der Spitze, die in er Kreisunion startete. Die ersten Jahre waren nicht so erfolgreich, „wir haben viel Lehrgeld gezahlt“. Im fünften Jahr dann stiegen die Preußen in die 2. Nordliga auf.

Während Sven Tore wirft, versucht Steffen sie als Torwart zu verhindern. Bei der gegnerischen Mannschaft könnte eine Preußen-Kuriosität für Verwirrung sorgen. Denn es gibt nicht nur mit Steffen und Sven Skirat eineiige Zwillinge, sondern auch Thomas und Matthias Matzke, geboren am 8.8. 88, sehen sich ebenfalls zum Verwechseln ähnlich.

Jetzt, mit der neuen Sporthalle in Schönhausen, ist die Motivation der Preußen besonders groß. Aber mindestens genauso wichtig wie das Toreschießen ist den Preußen-Handballern, Nachwuchs zu gewinnen. Donnerstags und freitags ist Training, „wer Lust hat, kann gern mal vorbei schauen“. Natürlich auch zu den Heimspielen. „Es ist extrem cool, in so einer modernen Halle mit Fans als Unterstützung zu spielen. Unsere Fans haben uns auch all die Jahre in der Halle in Jerichow unterstützt, aber hier in Schönhausen werden es sicher ein paar mehr sein, die hinter der Bande stehen und mit uns mitfiebern“, freuen sich Skirats auf das erste Heimspiel am 19. Oktober ab 17.15 Uhr.

Wenn das Wetter schön ist, fahren sie vielleicht mit dem Trabi raus zum Sportzentrum am Ortsrand. Denn sie holen ihn nur für „Sonntagsfahrten“ aus der Garage, für „Alltagsfahrten“ haben sie „richtige“ Autos.

Dass ihr Trabi schon 44 Jahre alt ist, sieht man ihm nicht an. Denn wirklich alles wurde neu gemacht – mit Originalteilen versteht sich! Die zu kriegen, sei kein Problem, vor allem von Trödelmärkten und über das Internet haben sie sich so manches Ersatzteil geholt. Die neue weiße Lackierung bildete den krönenden Abschluss der mehrjährigen Restaurierung. Und die Rolle Toilettenpaier mit gehäkelter Hülle auf der Ablage am Rückfenster darf natürlich auch nicht fehlen.

Ja, es gibt auch jetzt immer mal wieder was zu schrauben, aber der Skirat-Trabi läuft zuverlässig. Es geht nicht nur um den Schönhauser Kirchturm, sondern auch mal in Urlaub nach Wernigerode oder wie dieses Jahr an die Ostsee. „Da plant man dann einfach etwas mehr Zeit ein und macht nach einer Stunde eine Pause zum Beinevertreten. Manchmal fahren wir auch zu Trabi-Treffen, wenn sie halbwegs in der Nähe sind.“ Schön ist, wenn mehrere Ostalgie-Autos im Konvoi fahren. „Wir sind hin und wieder mit Jens Brüser aus Hohengöhren unterwegs. Und Stefan Langnese aus Schönhausen schwenkt vom Trabi gerade auf Wartburg um – das passt auch.“

Solange, wie es irgendwie geht, wollen die Skirat-Zwillinge ihren Trabi fahren. Beide sehen ihre Zukunft in Schönhausen. Steffen würde lieber heute als morgen zurück an die Elbe kommen, aber die Arbeit in Berlin gefällt ihm, „wenn ich hier in der Nähe etwas Vergleichbares finde, bin ich sofort zurück“. Denn die Bindung zur Heimat und zur Familie, zu der auch noch ein älterer Bruder und eine ältere Schwester gehören, ist groß, zwischen den Zwillingen ja so und so. Was der eine gerade denkt, spricht der andere im nächsten Moment aus. „Wollen wir eine Runde Trabi fahren?“ „Klar!“