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Pilgern 450 Kilometer von Görlitz nach Vacha

Friedrich Müller aus Parsau legte 450 Kilometer zurück. Er pilgerte auf der Via Regia von Görlitz nach Vacha.

Von Markus Schulze 15.11.2017, 11:00

Kunrau l Friedrich Müller aus Parsau ist ein unternehmungslustiger Mensch. Normalerweise setzt er auf den Allradantrieb seines Eicher-Treckers, mit dem er schon nach Belgien, in die Alpen oder zum Polarkreis fuhr. Doch nun vertraute der Mann, der in Kunrau einen Zweitwohnsitz hat, auf die Kraft des eigenen Körpers – und setzte einen schon länger gehegten Plan in die Tat um. Angetrieben von einem Bekannten aus Rühen, der auf dem weltbekannten Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela unterwegs war, absolvierte er innerhalb von 21 Tagen die knapp 450 Kilometer lange Strecke zwischen Görlitz (Sachsen) und Vacha (Thüringen). „Spanien ist nichts für mich, das ist mir zu überlaufen. Da bleibe ich lieber in Deutschland“, sagt Müller, der eine Weile brauchte, um sich vom anstrengenden Fußmarsch auf der Via Regia zu erholen.

Es war der Wunsch nach Stille und Abenteuer, die den 68-Jährigen dazu verleitete, sich auf dem Ökumenischen Pilgerweg von der Oberlausitz bis zur Landesgrenze von Thüringen und Hessen zu bewegen. Und vor allem auch der Gedanke an einen lieben Freund, der an einem Hirntumor verstorben war. Mit Selbstfindung hatte der Trip, der vom 20. September bis zum 10. Oktober dauerte, hingegen nichts zu tun. „Wer so alt ist wie ich, der hat sich schon gefunden“, schmunzelt Müller, der sein Vorhaben ein Jahr lang penibel geplant hatte. Dazu gehörte unter anderem, sich einen Pilgerstock aus Haselnuss- und Birkenholz anzufertigen und Bücher zu lesen. Auf Einkaufstour ging er nicht. Stattdessen setzte der Naturbursche auf seine bewährten Wanderschuhe und einen 25 Jahre alten Rucksack, der bequem ist und den Rücken schont. Eine kleine Herausforderung war es indes – so ganz ohne Erfahrungswerte – die sprichwörtlichen sieben Sachen zu packen. Was nimmt man mit, was bleibt zuhause? Müller entschied sich für das Nötigste: Trinkflasche, Schlafsack, Iso-Matte, Regenjacke, Wechselwäsche und ein paar Hygiene-Artikel. Hinzu kam ein bisschen Proviant: Müsliriegel und Trockenfleisch – alles eigens zubereitet von seinem Sohn Achim.

Nichtsdestotrotz waren es immerhin 13 Kilo, die das Gepäck auf die Waage brachte. „Aber nach ein paar Tagen merkt man das Gewicht gar nicht mehr“, berichtet Müller, der auf der Via Regia bewusst auf jeglichen Luxus verzichtete. Übernachtet wurde in Kirchenräumen, in Klöstern, in einfachen Herbergen und einmal sogar in einem Kinderzimmer, das ihm Privatleute anboten. „Ich hätte auch ins Hotel gehen können. Aber das passt nicht zum Pilgern.“ Morgens kehrte er meistens beim örtlichen Bäcker ein, trank einen Kaffee und kaufte sich zwei Brötchen als Wegzehrung. „Verhungert bin ich nicht“, betont Müller, der rechts und links der Route auch gerne mal Äpfel oder Birnen pflückte. In seiner Reisekasse befand sich nur wenig Bargeld, wobei der Großteil allein schon für die Zugfahrten von und nach Wolfsburg draufging.

Umso mehr freute sich Müller über die Gastfreundschaft der Menschen entlang der Via Regia, die bereitwillig Speis und Trank spendierten. Und in den Naumburger Dom kam er als Pilger sogar umsonst. Zu seinen positiven Erinnerungen gehört auch die Begegnung mit dem ehemaligen Kanu-Bundestrainer Reiner Kießler, den er zufällig in der Nähe von Meißen kennenlernte. Bis auf einen Tag, an dem ihn seine Frau Renate besuchte, war Müller überwiegend allein. „Das hat mir aber nichts ausgemacht. Ich komme mit mir selbst gut klar.“ Darüber hinaus ließ er seine Gedanken schweifen, dachte an Familie und Freunde. „Da lernt man nochmal zu schätzen, was man hat.“

Auch wenn ihm das Pilgern vor allem zu Beginn ziemlich schwer fiel, möchte Müller seine Erlebnisse auf der Via Regia nicht missen. „Das war etwas, was ich unbedingt mal machen wollte.“ Dementsprechend kam es ihm nie in den Sinn, aufzugeben. „Nein, nie im Leben. Ich wollte die Tour unbedingt durchziehen. Und wenn ich die letzten Meter auf allen Vieren gekrochen wäre.“

Trotzdem war er froh, als er die beschwerlichen Etappen – „es braucht mehr Bänke auf der Welt“ – endlich hinter sich hatte. Diese Pilgerreise, das steht für Müller fest, wird seine erste und letzte gewesen sein. Zukünftig will er lieber wieder auf den Allradantrieb seines geliebten Eichers setzen. Mögliche Ziele gibt es einige: die Nordsee oder das Baltikum. Und im nächsten Jahr macht er mit seiner Frau Urlaub in Südamerika. Ganz gemütlich. Mit Rindfleisch in Paraguay und Cocktails an der Copacabana.