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Gefäß der Ristedter Kirchengemeinde war mehr als 350 Jahre lang verschollen / Festgottesdienst Abendmahl-Kelch ist wieder zu Hause

Von Markus Schulze 09.10.2012, 10:02

Fast 400 Jahre lang galt der Ristedter Abendmahl-Kelch als spurlos verschwunden. Nach langer Suche konnte er entdeckt und dank zahlreicher Sponsoren gekauft werden. Am Sonntag ist das Gefäß beim Erntedankgottesdienst wieder in Dienst gestellt worden.

Ristedt l Dieser Erntedankgottesdienst dürfte den Ristedtern wohl in ewiger Erinnerung bleiben. Bei der Andacht am Sonntag in der Kirche nahm die Gemeinde den seit mehr als 350 Jahren verschollenen Abendmahl-Kelch wieder in ihren Besitz.

Kelch war im Besitz eines Sammlers aus Aachen

Das Zinngefäß, so berichtete Klaus Pacholik, Pfarrer im Ruhestand, war im 17. Jahrhundert vom damaligen Pfarrer Johannes Ungnade gestiftet und in den Wirren des 30-jährigen Krieges von plündernden Soldaten geraubt worden. 2008 stellte der Ristedter Lothar Schwerin in Salzwedel Recherchen über den Verbleib des Requisits an. Rein zufällig meldete sich genau zu jener Zeit ein gewisser Rolf Jaeschke aus Aachen und bot dem Archiv der Kreisstadt besagten Kelch zum Kauf an. Der Nordrhein-Westfale hatte den wertvollen Becher Mitte der 1990er Jahre von einem Bielefelder Sammler erworben. Bei genauerer Betrachtung des Objektes stellte sich schnell heraus, dass es sich unzweifelhaft um den einst verschwundenen Ristedter Kelch handeln musste. So befindet sich auf dem Tellerfuß folgende Inschrift: "...Ungenade: Zu Risstede: Carsten Wallmann: Fallenthin: Kofal: ...Zu Nesenitze....1634." Es sind also der damalige Pfarrer sowie die beiden Kirchenältesten vermerkt. Außerdem sind dort drei Prägungen und somit weitere Indizien für die Echtheit abgebildet. Das eine zeigt Symbole aus dem Stadtwappen von Salzwedel, ein anderes den Halbadler der Mark Brandenburg und ein weiteres die Meistermarken des Zinngießers.

Durch die Unterstützung großzügiger Privatpersonen, Banken, Firmen, einen Zuschuss des Kirchenkreises und Mittel der Kirchengemeinde konnte der Ankauf des Kelches finanziert werden und nun in seine angestammte Heimat zurückkehren.

Pfarrer i. R. Klaus Pacholik, der mit viel Engagement um Spenden geworben hatte und dafür an diesem Nachmittag vom Beetzendorfer Pfarrer Joachim Geis (zusammen hielten sie den Gottesdienst) belobigt und beschenkt wurde, zeigte sich stolz und froh, den Kelch wieder daheim zu wissen: "Jetzt ist wieder zusammen, was zusammengehört."

Dafür, so sagte er, ist er sehr dankbar und schlug damit gleichzeitig den Bogen zu seiner Predigt. Diese drehte sich um Dankbarkeit. So mahnte Klaus Pacholik an, dass man all den Reichtum, den man hierzulande frei von Hunger und Armut genießen kann, nicht als selbstverständlich erachten und nicht vergessen darf. Vielmehr sollte man Demut und Dankbarkeit empfinden für all das, was Gott einem beschert und vergönnt.

Entsprechend zollte Klaus Pacholik auch Johannes Ungnade seine Hochachtung, weil dieser in einer Zeit, da Ristedt, von Seuchen und Krieg ohnehin schon arg gebeutelt und bereits zweimal von marodierenden Horden heimgesucht worden war, den Kelch anfertigen ließ. Dies verdient in den Augen von Klaus Pacholik umso mehr Respekt, weil Pfarrer damals nicht sonderlich begütert waren. Für geistliche Handlungen bekamen sie nur einen kleinen Obolus, ansonsten mussten sie durch Ackerbau und Viehzucht selbst für ihren Unterhalt sorgen. Johannes Ungnade dürfte das ungleich schwerer gefallen sein, weil er noch eine Frau und vier Kinder zu ernähren hatte. Doch er wollte Hoffnung verbreiten und das heilige Sakrament des Abendmahls weiter würdig begehen. Denn, so erklärte Klaus Pacholik, "beim Abendmahl wird die Kraft zur Vergebung empfangen". Und das, so meinte der Pfarrer i. R., eine Geschichte von Streit und Vergebung erzählend, dürfte die Absicht von Johannes Ungnade gewesen sein. Den Peinigern, die selbst lange Märsche, schlechte Ausrüstung, zermürbende Kämpfe und stete Todesangst zu erdulden hatten, trotz aller Not und erlittenem Unrecht zu verzeihen, auf Gott zu vertrauen und dankbar zu sein für das, was man hat.

Bodo Franke dankt allen, die zum Kauf beigetragen haben

Gemeinsam mit Joachim Geis lud Klaus Pacholik die zahlreichen Besucher des Festgottesdienstes dazu ein, das Abendmahl zu zelebrieren und erstmals wieder aus jenem Kelch zu trinken, auf dessen Wiederkehr man lange gehofft hatte. Zur Feier des Tages gab es übrigens Wein statt des sonst üblichen Traubensaftes.

Anschließend wurde auch noch zu Kaffee und Kuchen in den Raum der Kirchengemeinde eingeladen.

Zuvor aber nutzte auch Bodo Franke, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, die Gelegenheit, sich bei allen zu bedanken, die dafür gesorgt haben, dass der Ristedter Kelch wieder zu Hause ist. Namentlich hob er Lothar Schwerin hervor.