Ehrung Die Dame mit der Mundharmonika
Am Telefon übermittelt Lieselotte Zeplin musikalische Geburtstagsgrüße. Dafür erhält die Klötzerin den Blumenstrauß des Monats.
Klötze l Die silber-glänzende Mundharmonika liegt griffbereit auf dem Tischchen neben dem Sessel, in dem Lieselotte Zeplin sitzt. Nachdem sie ihren Besucher, den Reporter von der Zeitung, in ihrem Wohnzimmer begrüßt hat, greift die Klötzerin nach dem Instrument, führt es an ihre Lippen und beginnt zu spielen. „Freude, schöner Götterfunken“ lässt sie erklingen. Dabei ist der 85-Jährigen anzusehen, wie sie sich auf die Melodie konzentriert. Auf der Mundharmonika zu spielen, ist die große Leidenschaft von Lieselotte Zeplin, die eigentlich von jedem Lilo genannt wird.
Mit ihren Melodien möchte sie anderen eine Freude machen. Deshalb hat Lieselotte Zeplin eines Tages damit angefangen, Bekannten aus Klötze an deren Geburtstagen einen musikalischen Glückwunsch zu übermitteln. Und zwar über das Telefon. „In der Zeitung schaue ich, ob jemand von meinen Bekannten Geburtstag hat. Dann suche ich die Nummer heraus, gratuliere und spiele ein Lied“, erklärt die Klötzerin ihr Vorgehen. In jeder Woche machte sie mal einen, mal zwei dieser Anrufe, wie sie sagt. Von den Geburtstagskindern wurde Lieselotte Zeplin nun für den Blumenstrauß des Monats vorgeschlagen, den sie am Donnerstag erhielt.
Viele der Angerufenen sind ehemalige Patienten, die Lieselotte Zeplin durch ihre langjährige Arbeit als Sprechstundenhilfe in Klötze kennengelernt hat. Gelernt hat sie den Beruf Ende der 1940er Jahre in Klötze. Seit Anfang der 1970er Jahre war sie in der örtlichen Poliklinik bei einem Physiotherapeuten beschäftigt. Dort hat sie gearbeitet, bis sie 1990 in Rente gegangen ist. Und dabei hat sie eben auch sehr viele Klötzer kennengelernt, deren Namen ihr bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Kontakte zu knüpfen fällt ihr durch ihre offene Art nicht schwer. „Ich bin sehr redselig“, sagt sie über sich selbst.
In Klötze lebt sie nun schon seit 1945. Damals, sie war 15 Jahre alt, kam Lieselotte Zeplin aus dem vom Krieg zerstörten Berlin in die Altmark. „Mein Vater war Klötzer.“
Auf der Mundharmonika hat sie schon als Kind gespielt. „Als Achtjährige habe ich in der Klasse ‚Alle meine Entchen‘, ‚Hänschen klein‘ oder ‚Fuchs, du hast die Gans gestohlen‘ für meine Mitschüler gespielt“, sagt sie. Die Lehrerin hätte sie damals an Geburtstagen aufgefordert, Melodien vorzutragen. Ihre erste Mundharmonika hat ihr damals ihr Papa geschenkt, blickt die Rentnerin heute zurück. Doch das Instrument ist in den Wirren des Krieges verloren gegangen.
Fast 70 Jahre lang hatte Lieselotte Zeplin dann nur noch selten eine Mundharmonika in der Hand. „Ich hatte nur einfache Instrumente, mit denen ich nicht wirklich in Gang gekommen bin“, sagt sie. Das änderte sich schlagartig, als sie vor einigen Jahren zum ersten Mal den Mundharmonikaspieler Michael Hirte im Fernsehen sah, der mittlerweile ihr großes Idol ist. „Da habe ich mir gedacht, dass ich als Kind doch auch gut spielen konnte.“ Kurzerhand besorgte sie sich ein neues Instrument und konnte gleich wieder darauf spielen. „Das ist wie Schwimmen oder Radfahren, das verlernt man nicht.“
Seitdem übt sie jeden Tag. Etwa sechs bis acht Lieder probt sie dabei. „Man braucht viel Luft und das muss man üben.“ Ihre Tochter kommt jeden Tag vorbei und freut sich, einige Lieder zu hören. Etwa 50 Stücke umfasst ihr Repertoire heute, hauptsächlich sind es Volkslieder, die sie spielt. „Die Melodien habe ich alle im Kopf.“
Die wichtigste Informationsquelle für ihre Geburtstagsanrufe war für Lieselotte Zeplin immer die Tageszeitung. Doch seitdem nicht mehr alle Geburtstage veröffentlicht werden – Schuld ist ein neues Meldegesetz – erreichen ihre musikalischen Glückwünsche auch nicht mehr so viele Menschen. Nur bei einigen Namen hat sie sich im Laufe der Jahre Einträge im Kalender gemacht. Sie findet es schade, dass sie jetzt nicht mehr jedem Bekannten eine Freude machen kann. „Das Spielen will ich aber trotzdem nicht aufgeben“, sagt sie.
Kennen Sie Menschen, die ehrenamtlich Besonderes leisten? Dann informieren Sie uns bitte. Schreiben Sie eine E-Mail an redaktion.kloetze@volksstimme.de oder rufen Sie uns unter 03909/40 29 21 an.