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Milchgewinnung Hygiene steht an erster Stelle

Für die Sommerserie schlüpfen Reporter der Volksstimme in fremde Berufe. Heute geht Reporter Henning Lehmann in einen Klötzer Kuhstall.

Von Henning Lehmann 23.07.2020, 12:49

Klötze l Die Hochachtung gegenüber dem Melkerberuf ist nach meinem zweistündigen Einsatz in der Milcherzeugergenossenschaft Klötze enorm gestiegen. Was die Frauen und Männer am hochmodernen Melkkarussell während ihrer Arbeitszeit leisten, ist enorm. Auch wenn ich als Sohn eines früheren Landwirtes und Vorsitzenden einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft in den Jugendtagen schon einmal in einem Kuhstall stand, ist mir erst heute so richtig bewusst, wie schwer es ist, die Milch zu gewinnen.

Bei Petra Schindler und Elke Liermann sitzt jeder Handgriff. Die beiden Frauen arbeiten seit vielen Jahren als Tierwirt, wie der Beruf des Melkers eigentlich richtig heißt. Der Umgang mit den schwarz-weißen Vierbeinern ist ihnen geläufig. „Vieles ist Routine“, sagen sie mit einem verschmitzten Lächeln.

Das Melken der etwa 1050 Kühe in einer Früh- oder Spätschicht ist wie monotone Fließbandarbeit. Da muss jeder Handgriff sitzen, ansonsten kommt aus den vollen Eutern der Kühe keine Milch. Trotz der eintönigen Arbeit sind Petra Schindler und Elke Liermann voller Leidenschaft dabei. Einen anderen Beruf können sich die beiden Frauen nicht vorstellen. Auch wenn die Bezahlung nicht sehr üppig ist.

Raimund Punke, Geschäftsführer der Klötzer Milcherzeugergenossenschaft, würde seinen Angestellten in der Tier- und Landwirtschaft mehr Geld überweisen. Doch der seit Monaten dauerhafte niedrige Milchpreis bei unter 30 Cent für einem Liter lässt wenig Spielraum. Hinzu kommen die mäßigen bis schlechten Erträge im Feldbau der beiden trockenen Sommer. Dennoch liegt der Stundenlohn der Tier- und Landwirte noch weit über den geforderten Mindestlohn.

Petra Schindler und Elke Liermann sind mit ihren Monatslohn soweit zufrieden. Auf eine entsprechende Frage von mir antworten sie: „Mehr kann es immer sein“ und gehen ihrer fachlichen Arbeit am Melkkarussell wieder nach. Geschäftsführer Punke weiß, dass Melker oder auch Tierwirte überall in der Altmark rar sind und aus diesem Grund muss er seinen Angestellten auch ein gutes soziales Umfeld bieten. Das schätzen und achten die Land- und Tierwirte auch. Neben dem üblichen Urlaubsanspruch erhalten die Frauen und Männer, wenn sie fünf Tage am Stück am Melkkarussell standen, zwei Tage frei. Dennoch ist mit der aktuellen Belegschaft auch der Dienst an den Wochenenden und Feiertagen ständig abgesichert.

„Die Kühe wissen nicht, wann Sonntag oder ein Feiertag ist. Sie müssen mindestens zweimal am Tag ihre Milch abgeben“, merken Petra Schindler und Elke Liermann an. Aus diesem Grund beginnt die Frühschicht auch schon um 4.30 Uhr und dauert bis 13.30 Uhr. Ab 16.30 Uhr startet der zweite Durchgang und der dauert mit Pausen bis kurz nach Mitternacht. Somit werden die 1050 Kühe zweimal am Tag zur Milchabgabe gebeten.

Eins habe bei meiner Arbeit am Melkkarussell gelernt. Die Hygiene steht beim Melken an erster Stelle. Wie übrigens auch bei anderen Lebensmitteln in Deutschland. „Unser Land ist führend bei der Kontrolle von Wasser, Milch und Lebensmitteln“, stellt der Geschäftsführer der Milcherzeugergenossenschaft klar. Zudem wird jede Kuh einmal im Monat nach den strengen Vorschriften auf ihre Milch kontrolliert.

Deshalb ist es auch schwer zu verstehen, dass der aktuelle Milchpreis nicht die Kosten der Herstellung deckt. Nur mit langfristigen Verträgen und Sonderrabatten sowie erstklassiger Qualität können sich die Klötzer Milchbauern auf dem hart umkämpften Markt behaupten.

Zurück zum Melken: Die nächste Kuh kommt zur Milchabgabe. Es ist eine Braune. Ungewöhnlich. Diese Farbe haben nur eine Handvoll von den mehr als 1050 Milchkühen in den Stallanlagen der Milcherzeugergenossenschaft. Aus diesem Grund genießt dieser Vierbeiner auch eine besondere Aufmerksamkeit. Doch meine Kamera und das Blitzlicht mag die Kuh überhaupt nicht.

Petra Schindler und Elke Liermann müssen ihr etwas Mut zusprechen, damit sie in die Box kommt. Dann beginnt das Prozedere. Zunächst muss ich die vier Zitzen vom Euter mit einem Tuch desinfizieren und mit der Hand etwas Milch aus dem Euter melken. Dieser Vorgang wird als Vormelken bezeichnet und gibt darüber Aufschluss, ob die Milch gesund ist und kein Oxytocin (Flocken) ausstößt. Fällt der Test negativ aus, müssen die vier Zitzen noch einmal desinfiziert werden und im Anschluss wird das Melkzeug an die vier Zitzen angelegt und die Milchgewinnung beginnt. Über einen Melkbecher unterhalb des Karussells und an einem Computer, wo mit der Ohrmarkennummer jede der mehr als 1000 Schwarz-Weißen gespeichert ist, zeigt das Display die Litermenge der Vierbeiner an. Bei meiner Braunen stehen 13,7 Liter. Ein guter Durchschnittswert. Das wären dann nach dem zweiten Melken 27 Liter. In der Regel gibt eine Kuh zwischen 28 und 30 Liter am Tag ab.

Die Liefermenge, so erfahre ich von den beiden Frauen, hängt vom Alter des Vierbeiners ab. In der Klötzer Firma werden die Kühe deshalb auch in drei Hochleistungsklassen eingeteilt und dementsprechend mit Futter versorgt. Da ist es auch schon mal möglich, dass eine junge Schwarz-Weiße im ersten Zeitraum nach dem Abkalben auch 40 Liter Milch am Tag abliefert, erzählt mir Raimund Punke im Nachgang.

Nach gut 60 Sekunden ist der Melkvorgang auch schon beendet. Nachdem ich der Kuh das Melkzeug abgenommen habe, muss ich die Zitzen noch einmal desinfizieren und sie mit einer Filmflüssigkeit versiegeln, damit das Euter nicht von Fremdkörpern angegriffen wird. Denn Hygiene wird beim Melken eben ganz groß geschrieben. Genau wie das ständige Reinigen vom Laufsteg im Melkkarussell zwischen jeder Kuh. Für mich ist nach 45 Minuten der Melkvorgang beendet und ich gönne mir eine Pause. 32 Tiere wurden während der Dreiviertelstunde gemolken. Und so geht es nach einer Verschnaufpause weiter, bis allen, der mehr als 1050 Kühe die Milch abgenommen wurde.

Die weiße Flüssigkeit wird über eine Milchschleuse mit einem Plattenkühler von etwa 37 Grad auf 20 Grad gekühlt und fließt in zwei große Tankanlagen mit 25.000 Liter und 20.000 Liter Fassungsvermögen. Die beiden Tanks sind notwendig, denn täglich liefern die Vierbeiner am Klötzer Stadtrand etwa 30.000 Liter. Ist die Milch dann abholbereit, geht sie nach Waren an die Müritz und wird dort verarbeitet.

Für mich ist nach dem Tag am Klötzer Melkkarussell klar. Tierwirt werde ich nicht mehr, obwohl dieser Job seine Reize hat und dringend Nachwuchs gesucht wird.