1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Klötze
  6. >
  7. „Dorffrieden wird boshaft gestört“

Schwiesau „Dorffrieden wird boshaft gestört“

Seit mehr als drei Jahren wird ein Paar aus Schwiesau mit nächtlichen Angriffen terrorisiert.

Von Tobias Roitsch 18.03.2020, 11:07

Schwiesau l Ein ruhiges Leben auf dem Land, das wollten Jutta und Klaus K. (Namen von der Redaktion geändert) führen. Von der Großstadt Magdeburg zog das Paar ins beschauliche Dörfchen Schwiesau in der Einheitsgemeinde Stadt Klötze, wo 324 Menschen leben. Im Oktober 2016 wagte das Paar diesen großen Schritt. Doch aus der Ruhe wurde nichts. Seitdem sind Jutta und Klaus K. regelmäßig Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Mehrfach wurden Asche und Nägel auf ihrem Grundstück verschüttet. Am abgestellten Lastwagen von Klaus K. wurden unter anderem der Lack zerkratzt und die Kabel der Rücklichter durchgeschnitten.

Ihre richtigen Namen wollen die beiden nicht in der Zeitung lesen. Im Gespräch mit der Volksstimme erzählen sie ihre Leidensgeschichte. „Wir haben fast 30 Jahre in einer Großstadt gelebt. Da hatten wir nie mit der Polizei zu tun, hier aber ständig“, sagt die 52-jährige Jutta K. Sie habe zwischenzeitlich darüber nachgedacht, wieder aus Schwiesau wegzuziehen, da sie sich nicht mehr sicher fühlte. Wenn ihr Mann unter der Woche mit dem Lkw auf Tour ist, ist Jutta K. allein in dem Haus.

„Insbesondere fühlt sich eine Familie in unserem Ort nicht mehr wohl.“

Manfred Hille, Ortsbürgermeister

Es ist kein normaler Nachbarschaftsstreit, der in dem Dorf tobt. Mittlerweile hat sich auch der Ortschaftsrat eingeschaltet. „Seit November 2016 wird in unserer Ortschaft boshaft der Dorffrieden gestört“, berichtete Ortsbürgermeister Manfred Hille kürzlich in der Sitzung des Ortschaftsrates. „Insbesondere fühlt sich eine Familie in unserem Ort nicht mehr wohl, ja, sie ist verzweifelt“, fuhr er fort. Dann zählte Hille auf, was seit November 2016 vorgefallen ist. Immer wieder wurden Asche und Nägel vor der Haustür und auf der Einfahrt ausgeschüttet. Insgesamt zehn Fälle nannte Hille. Zwischen Februar 2017 und Oktober 2018 war Ruhe, dann fing der Terror erneut an. „Im Januar 2020 wurden Glühbirnen über die Toreinfahrt geworfen, die teilweise auf dem Pflaster zerplatzten“, beschrieb er einen der jüngeren Vorfälle. „Bisherige Anzeigen der Geschädigten liefen ins Leere.“ Er bat in der Sitzung darum, dass der Täter, die Täterin oder die Täter aufhören, die Familie zu belästigen. Der Frieden im Dorf solle wieder hergestellt werden.

Beim Gespräch der Volksstimme mit Jutta und Klaus K. war Manfred Hille ebenfalls dabei. Das zugezogene Paar sei im Dorf integriert und habe Kontakt zu anderen Schwiesauern. Ihr Grundstück hätten die beiden umgekrempelt und zum positiven verändert, lobte Hille die beiden. Lange habe man nach einem Weg gesucht, um das Problem zu lösen. Schließlich habe sich Manfred Hille dazu entschlossen, das Thema im Ortschaftsrat öffentlich zu machen. Im Dorf würden ohnehin schon viele über die Vorfälle der vergangenen Jahre reden. Es gehe ihm nicht um eine Verurteilung, so Hille. „In Schwiesau ist es nicht üblich, sich jemanden auszusuchen, auf dem man rumhacken kann“, so Hille. „Der Ortschaftsrat will, dass hier alle Menschen ruhig leben können“, sagte er.

„Wir wollen einfach nur, dass man uns in Ruhe lässt“, betont auch der 53-jährige Klaus K. Er schilderte, wie alles begann. Ziel der Angriffe war zunächst sein Lkw, der am Wochenende auf dem Gelände eines Landwirtschaftsbetriebs parkt. Wischerblätter wurden abgebrochen, die Türen zerkratzt und Nägel vor die Reifen gestreut, nannte K. Beispiele. Anzeigen bei der Polizei folgten. Im Dorf sei er mit seinem Laster freitags unterwegs, wenn er nachmittags nach Hause kommt sowie am Montagmorgen, wenn er wieder auf Tour geht, berichtet Klaus K. Durch Schwiesau würden sonst auch andere Lastwagen fahren, etwa Milch- oder Schweinetransporter.

„Wir wollen einfach nur, dass man uns in Ruhe lässt.“

Klaus K.

Natürlich hat man im Dorf einen Verdächtigen im Visier, einen Schwiesauer, der für die Angriffe verantwortlich sein könnte. Auch deshalb, weil Jutta K. im April 2019 ein Video aufgenommen hat, auf dem zu sehen ist, wie ein Mann mit Schirmmütze nachts vor ihrem Haus steht, als plötzlich eine Staubwolke aufsteigt. Das war einer der Ascheangriffe. Die Staatsanwaltschaft räume ein, dass der Täter in dem Video zu erkennen sei. Weitere Schritte seien gegen den Mann aber nicht eingeleitet worden. Eine versuchte Brandstiftung lasse sich nicht erkennen, liest Jutta K. aus dem Schreiben der Staatsanwaltsschaft vor. Ob der Mann auch hinter den anderen Angriffen stecke, können sie nicht beweisen, sagten Jutta und Klaus K.

Überlegt worden sei bereits, dass Bürger nachts durch das Dorf spazieren könnten, um wieder Ruhe in den Ort zu bringen, sagte Hille. „Wenn der Täter noch ein Gewissen hat, denkt er vielleicht endlich mal nach“, fuhr der Ortsbürgermeister fort. Es gehe nicht, unerlaubt Müll auf fremden Grundstücken zu entsorgen.

Seine Bitte, dass endlich Frieden einkehrt, untermauerte Manfred Hille in der Sitzung des Ortschaftsrates mit zwei Zitaten: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“ sowie „Nur wer die Freiheit anderer achtet, ist selbst der Freiheit wert“.