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Damals an der Grenze Selbst Maispflanzen sind kriminell

Die Grenzgeschichte weitergeben, das ist der Wunsch vom Jahrstedter Friedrich Schulz. Das sagte er Umweltministerin Claudia Dalbert.

Von Henning Lehmann 06.07.2019, 04:00

Böckwitz/Jahrstedt l Friedrich Schulz hat die innnerdeutsche Grenze zwischen Böckwitz und Zicherie täglich hautnah erlebt. Der heute 80-jährige Jahrstedter war bis zur Wende 1989 Bereichsleiter der früheren LPG Pflanzenproduktion Jahrstedt und später in Kunrau. Im Sperrgebiet musste er mit den alltäglichen Vorgaben der DDR-Grenztruppen klar kommen und hat dabei so einiges erlebt.

Über seine Erinnerungen an die Zeit der Teilung informierte der Jahrstedter Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert während ihrer Wanderung am Grünen Band zwischen Böckwitz und Zicherie. Doch bevor Schulz an die Zeit der Mauerteilung von 1961 bis 1989 zurückblickte, betonte die Umweltministerin, das die Vielfältigkeit des Grünen Bandes auch Erinnerungskultur ist, die auch an nachfolgende Generationen weitergegeben werden muss. Claudia Dalbert würdigte im 30. Jahr des Mauerfalls die Lebensleistungen der Menschen in der früheren DDR, wieder in einem vereinten Deutschland in Freiheit leben zu wollen.

Erste Station des Rundganges war der Führungsturm. Im Mai 1979 gebaut, um die Überwachung im Gebiet abzusichern. „Der Turm war rund um die Uhr besetzt und gehörte zur Kompanie Jahrstedt“, erzählte Friedrich Schulz der Ministerin. Die Grenzanlagen, so der pensionierte Landwirt, waren elektronisch gesichert, um jeden Durchbruch in Richtung Westen zu melden.

Auch wenn Krähen oder andere Vögel auf den Leitungen standen, schlug das Signalhorn an und es herrschte Alarm, schilderte der Jahrstedter die damalige Situation.

Friedrich Schulz ergänzte: „Bis 1989 standen auch keine Bäume um den Wachturm herum. Die Fläche war frei, um einen weiten Überblick über das Grenzgelände zu haben“, so der Jahrstedter. Mit Arbeitsplänen musste Schulz wöchentlich im sogenannten 500 Meter Streifen genau vorlegen, wann welcher Landwirt im Sperrgebiet arbeitete und welche Pflanzenkultur angebaut wurde.

„Kartoffelreihen durften nicht in Richtung Westen gepflügt sein und auch der Getreide- und Maisanbau waren sehr kriminell, weil Fluchtgefahr bestand“, denkt Friedrich Schulz zurück. Zudem durften die Landwirte, die im 500-Meter-Streifen tätig waren, nicht unter 25 Jahre alt sein, und es war nur eine Stunde nach und vor Sonnenuntergang das Arbeiten auf den Feldern erlaubt.

Die innerdeutsche Grenze, die über einen weltweit einmaligen Bretterzaun und später über eine Betonmauer mit Kfz-Sperrgraben und Streckmetallzaun sowie Minenfeld bis 1979 verfügte, kostete dem Dortmunder Journalisten Kurt Lichtenstein am 12. Oktober 1961 das Leben. Bei einer Reportage über die Menschen vor Ort, wurde er von DDR-Grenzsoldaten so stark verletzt, dass er später im damaligen Klötzer Krankenhaus seinen Verletzungen erlag.

Für Friedrich Schulz ist es wichtig, dass die Informationen über die Zeit der deutschen Teilung an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Denn die Maueröffnung jährt sich im November bereits zum 30. Mal.