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Abschlussinterview Sieben Jahre sind ein Wimpernschlag

Sieben Jahre war Matthias Mann Bürgermeister von Klötze. Jetzt plaudert er über Freibäder, Kitas, den Tierpark, Schulen und anderes.

Von Siegmar Riedel 29.12.2016, 02:00

Volksstimme: Oft wird der Vorwurf laut, dass es keine Transparenz im Rathaus gibt. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, weitere Ausschüsse neben dem Hauptausschuss des Stadtrates einzurichten?

Matthias Mann: Ich sitze in vielen Ausschüssen und habe die Erfahrung gemacht, dass die Ergebnisse dieser Sitzungen dann im Stadtrat doch meist wieder andere sind. Wenn der Wunsch der Kritiker nach Kommunikation ehrlich gemeint ist, gebe ich Ihnen Recht. Aber es war ja schon so, wenn ich mich nur zu einer Ortschaftsratssitzung angekündigt habe, war das bereits ein Angriff auf den Weltfrieden und ist als Drohung aufgefasst worden.

Hätten Ausschüsse die Zusammenarbeit auf Dauer nicht verbessert?

Ausschüsse binden Zeit und Kapazitäten. Wir haben nun mal nur begrenzte Ressourcen, wenn man bei den Amtsleitern anfängt, den Sachgebietsleitern und Protokollanten. Und wenn ich von mancher Ortschaftsratssitzung das Protokoll durchlese, muss ich deutlich sagen: Schade um die schöne Zeit und die vier Stunden, die die Mitarbeiterin abends unterwegs war. In diesen Protokollen sind meist nur subjektive Meinungen niedergeschrieben. Die Ortschaftsräte sagen dann zu bestimmten Dingen: Es stand doch im Protokoll, warum ist das noch nicht erledigt? Dass viele Wünsche aber erst von ihnen schriftlich beantragt werden müssen, daran denkt keiner.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein deutliches Beispiel der jüngeren Zeit aus Schwiesau: Seit drei Jahren unterhalten sich die Ortschaftsräte dort über die Befestigung des Areals unter dem Basketballnetz. Da wird nur diskutiert, die Stadt hat die Befestigung noch nicht fertig. Und jetzt lese ich im Protokoll, die wollen die Befestigung gar nicht mehr. Wenn sie ihr Geschäft doch verstehen und ordentliche Anträge stellen würden. Und wenn es nur vier oder sechs Leute im Ortschaftsrat sind, gibt es genauso viele verschiedene Meinungen. Es kann doch aber nicht sein, dass die Verwaltung, wenn der größte Schreihals ein 30-km/h-Schild vor seinem Haus haben will, die Hacken zusammenknallt und das Schild aufstellt.

Wie sieht denn die Zukunft solcher Bereiche wie Stadtwirtschaft, Grundschulen, Freibäder und Kindertagesstätten aus?

Die Frage ist doch zunächst, wie hoch der Maßstab ist, den wir bei diesen Aufgaben anlege. Bei den Schulen und Kitas werden die Anforderungen immer höher. Die Auflagen nehmen zu, die personellen Voraussetzungen, angefangen bei dem Programm „Bildung elementar“, sowie die tariflichen Mehrausgaben für die Mitarbeiter steigen. Auf der anderen Seite stehen die defizitären Bereiche wie die Freibäder. Alles muss personell untersetzt werden mit qualifizierten Mitarbeitern. Und damit sind wir wieder bei dem Punkt der Verantwortung, wenn jemand eingesetzt wird, der dazu nicht befähigt ist. Die trägt nämlich kein Ortsbürgermeister und kein Ortschaftsrat, sondern die trägt der Bürgermeister der Einheitsgemeinde. Thema Stadtwirtschaft: Wenn ich in jede Ortschaft wieder einen Mitarbeiter der Stadtwirtschaft schicke wie einen Knecht des Ortsbürgermeisters, dann reicht es nicht, ihm eine Schippe zu geben. Der muss gut ausgestattet sein, um die Arbeit effektiv erledigen zu können.

Seit sieben Jahren arbeitet die Stadtwirtschaft zentralisiert, genauso lange wird das Modell kritisiert. Gab es denn realisierbare Vorschläge, wie es besser gemacht werden kann?

Ein besserer Vorschlag wurde nie gemacht. Wir mussten mit Bildung der Einheitsgemeinde in Größenordnungen Alttechnik übernehmen. Wir hatten riesige Unterschiede zwischen den Ortschaften. Beispielsweise gab es in Neuferchau eine Fahrzeugflotte vom Feinsten, in Kunrau hatten wir dagegen einen Schippenstiel. Das war die Realität. In jedem Dorf gab es einen großen Stützpunkt. Das galt es zusammenzuführen. Als ich dann vor zwei Jahren sagte, wir brauchen die große Scheune in Kusey nicht mehr, war ich der Böse. Dabei waren drei Viertel der Scheune nur zugemüllt. Jetzt wird die Stadtwirtschaft zentral geführt, ist mit guter Technik ausgerüstet. Wir haben gutes Personal, einen Meister, der auch ausbilden kann. Da gehört ebenso dazu, dass für einen Mitarbeiter der Stadtwirtschaft, der in Jahrstedt wohnt, die Arbeitseinteilung morgens in Klötze ist.

Also gibt es noch Reserven?

Es gibt überall Reserven, auch in der Stadtwirtschaft. Machen wir uns doch nichts vor, der Krankheitsstand der im öffentlichen Dienst Beschäftigten ist sehr arbeitnehmerfreundlich. Wenn jemand in der freien Marktwirtschaft sagt, jetzt halte ich noch durch, ist das hier nicht der Fall.

Sie waren auch mit der Maxime angetreten, eine bürgerfreundliche Verwaltung zu installieren. Sprechtage wurden erweitert, Brückentage abgeschafft. Vor zwei Jahren ruderten Sie wieder zurück. Ist das ein Scheitern oder eher eine Erkenntnis?

Das ist einfach eine Anpassung an die Realität. Die Zahlen haben deutlich gezeigt, dass die zusätzlichen Öffnungszeiten nicht genutzt worden sind. Das Angebot stand, dass bei Sonderfällen extra Zeiten vereinbart werden konnten. Der Publikumskontakt ist einerseits sehr zeitintensiv, andererseits ist die Zeit für andere Verwaltungsarbeiten dann nicht mehr da. Machen wir uns doch nichts vor: Vieles ist in den letzten Jahren von außen sehr aggressiv an die Verwaltung herangetragen worden. Der Ton ist einfach aggressiver, das Verständnis aber geringer und die Wünsche nach oben sind unbegrenzt geworden. Nur eigene Probleme zählen, andere interessieren nicht mehr.

Wie sieht es denn nun mittelfristig aus mit Schulen, Bädern, Kitas? Bleibt alles erhalten?

Denke ich schon. Ich stand auch ständig im Kontakt mit Beetzendorf wegen der Beschulung von Schülern von dort in Kunrau. 80 000 Euro werden in die Toiletten der Kunrauer Schule, Malerarbeiten und den Fußboden investiert. Da haben wir mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es gab trotzdem Leute, die damit nicht einverstanden waren. Da verstehe ich die Welt auch nicht mehr. Für die Schulen dürfen sich aber die Rahmenbedingungen nicht ändern. So lange es vom Land keine anderen Mindestschülerzahlen gibt, bin ich davon überzeugt, dass Kunrau und Kusey als Grundschul­standorte langfristig erhalten werden können. Natürlich muss man dann mal über den Tellerrand gucken, wenn drei, vier Kinder fehlen. Die von mir mal laut geäußerte Meinung mit dem Hort in Kusey, die mir um die Ohren geschmissen wurde, das ist ein Punkt, über den man einfach mal nachdenken sollte. Ich kenne viele Eltern, die sagen: Na so ein Quatsch, dass die Kinder bei Wind und Wetter jeden Mittag von der Schule zum Hort laufen. Warum haben wir das nicht alles gleich vor Ort? Das müssen dann andere entscheiden. Das ist aber nichts Bösartiges.

Wie sieht es mit den Kindergärten aus?

Wir haben acht Einrichtungen. Sie sind alle personell ordentlich versorgt, das ist schwer genug. Wenn wie im Fall Schwiesau innerhalb eines Vierteljahres drei Mitarbeiterinnen krank werden, dann ist das doch keine Böswilligkeit. Da kann man noch so viel hoch und runter springen, die Alternative zum Einsatz mehrerer Mitarbeiterinnen aus anderen Kitas wäre gewesen, die Einrichtung zu schließen. Dann noch zu sagen, wir hatten auf unserer Wunschliste ein neues Dach für die Kita. Warum brauchen wir ein neues Dach, wenn das alte dicht ist? Oder der Parkplatz am Friedhof in Schwiesau. Die das jetzt kritisieren, kamen mit einem Landwirt beim Bodenordnungsverfahren nicht zurecht. Wie viele Jahre war das Verfahren blockiert in Schwiesau? Dort ist uns die Feuerwehr um die Ohren geflogen, da ist mit dem Sportverein nie ein Konsens gefunden worden und dann stellt sich der Ortsbürgermeister hin und sagt, in Schwiesau ist sieben Jahre nichts passiert.

Fazit zu Kitas und Schulen?

Da sind wir gut aufgestellt. Wir haben gut eingerichtete Kindereinrichtungen und auch Schulen, im Sekundarbereich sowieso. Ich denke, da muss in Zukunft keiner bangen, dass was wegbricht. Freibäder wird sich die Stadt auch weiter leisten können. Es ist halt die Frage, wie man die Prioritäten setzt.

In welche Richtung steuert der Tierpark?

Was wirklich in die Hose ging, war die Tierparkkonzeption. Das muss ich deutlich sagen. Wir haben ein bisschen blauäugig in die Geschichte geguckt. Falls die Fördermittel kommen, wollten wir zufassen. Aber erstens kamen sie bisher nicht, zweitens muss man ehrlich sagen: 100 Besucherbusse am Tag waren von Anfang an unrealistisch – aber sie waren ein Strohhalm. Sofern ist auch kein Schaden entstanden, außer, wir haben Zeit verstreichen lassen. Es wird immer subventionierte Bereiche geben. Dafür gibt es Steuern, dafür ist die öffentliche Hand da. Das A und O ist aber die betriebswirtschaftliche Analyse. Was ist wirklich zukunftsfähig? Was ist ein Fass ohne Boden? Gibt es Möglichkeiten, die Kosten zu senken oder die Einnahmen zu erhöhen?

Welche Zukunft hat Klötze?

Klötze ist gut aufgestellt. Insofern hat mein Nachfolger gute Bedingungen. Er kann erst mal zwei, drei Jahre ohne viel zu tun von dem zehren, was da ist. Da bin ich ganz optimistisch. Es ist nur die Frage, wie. Sieben Jahre sind keine lange Zeit, das ist ein Wimpernschlag in der Geschichte.