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Fahrbibliothek Seit 40 Jahren haben die Bücher Räder

Die Fahrbibliothek Magdeburg ist eine seit 40 Jahren währende Erfolgsgeschichte - mit einigen Anekdoten.

17.10.2015, 16:51

Magdeburg l Er könne sich noch genau an den Geruch des alten W50 erinnern, sagt Dieter Drewitz. Der ganze Innenraum habe nach Kraftstoff gerochen. Und es sei ständig zu warm oder zu kalt gewesen, sagt er und lacht. Der 66-Jährige war 1975 der erste Chef der Fahrbibliothek. Heute, 40 Jahre später, sitzt er im Büro von Katrin Helm, die selbst lange Leiterin der fahrenden Einrichtung gewesen ist. Beide schauen sich alte Fotos an und schwelgen in Erinnerungen.

„Ich weiß auch noch, wie wir mit der Fahrbibliothek mal einen Ausflug nach Wernigerode gemacht haben. Natürlich mit Genehmigung des Chefs“, sagt Drewitz mit einem verschmitzten Lächeln und fügt hinzu: „Damals mit Mitte 20 waren wir schon verrückt.“ Das erste Team bestand aus drei Männern - einem Fahrer, einem Helfer und aus Drewitz als Bibliothekar.

Und heute? Die Fahrbibliothek ist eine Erfolgsgeschichte. Im vergangenen Jahr besuchten 30 000 Besucher den Bus. Insgesamt gab es 190 000 Entleihungen und 105 Veranstaltungen. „Auch in diesem Jahr liegen wir gut im Rennen“, sagt Katrin Helm. In der ersten Jahreshälfte zählte die mobile Bibliothek bereits mehr als 17 000 Besucher.

Mit seinen ständig vorgehaltenen 4000 Medien verkehrte der Bus im ersten Halbjahr an 18 Haltepunkten in Wohngebieten und fuhr regelmäßig Stellplätze vor 14 Grundschulen und sechs Kindertagesstätten an und versorgte darüber hinaus auch eine Förderschule mit Lesestoff.

Zu einer Besonderheit der rollenden Bibliothek gehören 200 themenspezifische rote Boxen mit multimedialem Inhalt. Insbesondere Schulen und Kindereinrichtungen nutzen dieses Angebot.

So hat sich in all den Jahren die Arbeit in der rollenden Bibliothek zwar technisch verändert. Heute gibt es beispielsweise ein modernes EDV-System und über Bücher hinaus viele andere Medien. „Aber an der Grundsache, dass wir zu den Leuten kommen, hat sich nichts geändert“, sagt Katrin Helm. Viele Besucher seien regelmäßige Leser. „Man kennt sich und weiß, was gern gelesen wird.“ Persönliche Beratung sei ganz wichtig.

So sind die Bibliothekare auch halbe Sozialarbeiter. Sie hören in den Stadtteilen viele persönliche Geschichten. „Die einzelnen Fahrten bereiten wir akribisch vor“, sagt Katrin Helm.

Auch das sei früher schon so gewesen, sagt Dieter Drewitz. Zu DDR-Zeiten hatten Bibliotheken Vorkaufsrecht. „Und manche Bücher waren schwer zu bekommen“, erinnert er sich. „Auch historische Romane und Biografien gingen schon immer gut“, sagt Drewitz. Da habe sich praktisch in all den Jahren nichts geändert.

Mittlerweile hat Magdeburg bereits seinen dritten Fahrbibliotheks-Truck (Volksstimme berichtete). Vor allem der Anfang der 90er-Jahre ausrangierte W50 war zuletzt so altersschwach geworden, dass das Ankommen einem Glücksspiel glich. „Aber nicht ankommen war nie eine Option“, sagt Helm, während Drewitz nickt. Man habe immer einen Plan-B gehabt, sagt sie. Und wenn man die wichtigsten Bücher schnell umgepackt und mit einem kleineren Fahrzeug gefahren sei. Manchmal – wenn man zu schnell unterwegs war – seien auch schon mal die Bücher aus dem Regal geflogen (siehe Foto). Das sei zum Glück aber eher selten vorgekommen. „Macht nämlich ganz schön viel Arbeit, das alles wieder einzuräumen“, sagt Helm und lacht.

Herausforderungen gebe es auch in Zukunft viele. „Unsere Arbeit an Schulen ist wichtig“, sagt Helm. „Bei der Integration von Flüchtlingskindern werden wir unseren Beitrag leisten“, sagt sie. Der Bestand aus Medien zum Deutschlernen soll ausgebaut werden.