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Flüchtlinge Bürohaus wird über Nacht Notquartier

In der Agnetenstraße 14 sind Montagabend die ersten Flüchtlinge eingezogen. Doch anders als verlautet ist das Bürogebäude keineswegs leer.

Von Stefan Harter 28.10.2015, 00:01

Magdeburg l „Weitestgehend“ (Aussage Stadtverwaltung) und „zu 90 Prozent“ (Eigentümer) leergezogen sei das Bürohaus, das am Freitag in nicht-öffentlicher Sitzung vom Stadtrat als neue Unterkunft für Flüchtlinge beschlossen wurde. Dabei sind dort noch mehrere Gewerbemieter vor Ort. Am Montagabend bezogen nun bereits die ersten Flüchtlinge ihre über das Wochenende aufgestellten Feldbetten.

„Wir sind doch noch hier“, meldeten sich mehrere Mieter, die in dem Haus ihre Büros, Praxen und Schulungsräume haben und von den Plänen aus der Volksstimme erfuhren. Einer von ihnen ist Christian Ebeling, der mit seiner Bewegungswerkstatt e.V. für Kleinkinder erst im Vorjahr eingezogen ist und 10 000 Euro für den Ausbau bezahlt hat. Die Ende September eingegangene Kündigung hat seine Anwältin zurückgewiesen und auf die seinerzeit vereinbarte Festmietzeit von sechs Jahren gepocht. Angesichts von Mitgliederschwund und Elternbedenken will er aber ohnehin in neue Räume ziehen. „Es geht uns allein um Fairness und Ehrlichkeit“, sagt er.

Vor einem Monat berichtete die Volksstimme über die Unsicherheit der Mieter: Bereits im Frühjahr war das Haus als Flüchtlingsunterkunft im Gespräch. Ein Investor, dem es noch gar nicht gehörte, soll es der Stadt angeboten haben. Schließlich wurde es aber von der KH Wohnwert GmbH erworben. Diese versprach den Mietern zunächst, dass zwar Studentenwohnungen entstehen, sie aber trotzdem drinbleiben könnten. Im Juni hieß es dann plötzlich, dass dies doch nicht geht und sie alle bis Ende des Jahres ausziehen müssten, weil dann eine millionenschwere Sanierung beginnen würde. Kündigungen bekam aber niemand, erst kurz vor Ablauf der regulären Dreimonatsfrist wurden diese verschickt. Viele hatten da schon von sich aus gekündigt.

Dann mehrten sich Gerüchte, dass Flüchtlinge einziehen werden. Noch vor einem Monat behauptete Eigentümer Wolfram Neumann gegenüber der Volksstimme, dass dies definitiv nicht der Fall sei. In der Vorwoche dann die Rolle rückwärts. Die Stadt sei auf ihn angesichts der aktuellen Notlage bei der Unterbringung von Flüchtlingen zugekommen, so Neumann, „aus humanitären Gründen“ habe er zugesagt. Die noch verbliebenen Gewerbemieter fühlen sich völlig überrumpelt. Marlis Seggert ist eine von ihnen und am vergangenen Wochenende „Hals über Kopf“ ausgezogen, wie sie sagt. Eigentlich war der Umzug erst Ende November geplant. „So kann man nicht mit uns umgehen. Als Bürger muss man doch abgeholt werden“, sagt sie. Dass die Flüchtlinge untergebracht werden müssen, sei keine Frage.

Magdeburgs Sozialbeigeordnete Simone Borris erklärt auf Nachfrage die Dringlichkeit: „Wir hatten ein Angebot, das wir in der akuten Situation nur annehmen konnten, damit nicht ca. 100 Menschen auf der Straße stehen.“ Am heutigen Mittwoch informiert sie ab 16 Uhr im Familienhaus im Park, Hohepfortestraße 14, über die Unterbringung von Flüchtlingen im Stadtteil. Neben der Agnetenstraße soll auch das TGA-Gebäude genutzt werden.