1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Magdeburg lässt Halle putzen

Domfunde Magdeburg lässt Halle putzen

Spektakuläre Funde aus dem Dom lagern im Landesamt für Archäologie in Halle. Sie werden restauriert und im Dommuseum Magdeburg gezeigt.

Von Martin Rieß 27.02.2016, 00:01

Magdeburg/Halle l In dem Glassarg liegt nicht Dornröschen. In dem Glassarg liegt Otto von Hessen. Abgeschirmt von der Außenwelt bei 17 Grad Celsius und 55 Prozent Luftfeuchtigkeit. Otto von Hessen war von 1327 bis 1361 Erzbischof von Magdeburg. Seine Überreste gehören zu jenen spektakulären Funden aus dem Dom, die das Dommuseum Ottonianum bereichern sollen.

Um den Glassarg versammelt haben sich Mitarbeiter der Magdeburger Stadtverwaltung und die Stadträte Andreas Schumann (CDU), Steffi Meyer (SPD) und Oliver Müller (Die Linke). Die Magdeburger sind ins Landesamt für Archäologie nach Halle gekommen, um sich in den Werkstätten zu informieren.

Es geht um den Stand der Restaurierungen an den Domgrabungsfunden, von denen die wichtigsten den Grundstock für das neue Museum zwischen Breitem Weg und Domplatz bilden sollen.

Werkstattleiter Dr. Heinrich Wunderlich und die Restauratorinnen Friederike Hertel und Friederike Leibl erläutern den Magdeburger Besuchern die besonderen Herausforderungen der Arbeiten am Beispiel der Textilien. Heinrich Wunderlich sagt: „Wenn Sie die noch nicht restaurierten Stoffe anfassen, dann haben Sie einen Klumpen in der Hand. Und zwar von einer Konsistenz, die verbranntem Papier nahekommt – das Gewebe ist unglaublich empfindlich.“ Die Herausforderung bestehe darin, den Stoff zu konservieren und auszubreiten. Friederike Hertel sagt: „Dann kommen Gewebe zum Vorschein, die einmal prächtig gewesen sein müssen: mit Metallfäden durchwirkt.“

Im Grab von Editha fand sich Seide, die mit Kermes gefärbt war. Das dürfte den letzten Zweifel an der Identität der Toten ausgeräumt haben. Der stellvertretende Landes­archäologe Dr. Alfred Reichenberger sagt: „Man muss sich vergegenwärtigen, dass damals die Seide aus Asien auf der Seidenstraße über Monate unterwegs war, und dass die nach ihrer Ankunft in Europa erst noch über Gebirgspässe nach Norden über die Alpen gebracht werden musste. Das war wahrlich ein Stoff der Königinnen. Und außerordentlich teuer war auch der rote Farbstoff Kermes, der aufwendig im Mittelmeerraum aus Blattläusen gewonnen wurde.“

Restauratorin Friederike Leibl verweist auf kulturgeschichtliche Erkenntnisse, die aus den Funden gewonnen werden: „Im Grab von Otto von Hessen befinden sich beispielsweise gestrickte Handschuhe – zu seiner Zeit war diese Technik der neueste Schrei.“ Im Grab von Erzbischof Wichmann gab es noch kein gestricktes Kleidungsstück, da damals die Fasern noch mit anderen Methoden zusammengefügt wurden.

Eine besondere Herausforderung für das Landesamt für Archäologie sind die Textilien, da es für sie kaum spezialisierte Restauratoren gibt. Sie selbst kümmern sich eher um die übrigen Fundstücke, haben aber in Süddeutschland eine Expertin gefunden, die die Funde mit hoher wissenschaftlicher Genauigkeit restaurieren kann.

Neben den Informationen über den Stand der Restaurierungen gab es beim Besuch auch ein Gespräch mit Dr. Harald Meller, Leiter des Museums für Vorgeschichte und des Landesamtes für Archäologie. Er sagt: „Die Arbeit in Magdeburg macht deshalb Spaß, weil es sich hier um wirklich große Funde handelt, die von europäischer Bedeutung sind.“ Und auch das Interesse der Magdeburger an den archäologischen Funden sei ein Grund zur Freude. Aber eben auch ein Grund für Frust. Harald Meller sagt: „Wenn ich immer wieder zu hören bekomme, dass wir uns nicht ausreichend um die Funde kümmern und den Magdeburgern etwas wegnehmen würden, dann ärgert mich das einfach. Wir stecken Hunderttausende Euro in die Sicherung und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Funde – das Geld könnten wir aber auch in die Funde aus anderen Landesteilen investieren. Immerhin sind wir für ganz Sachsen-Anhalt zuständig.“

Dass beim Fund von Editha deren Sarg schnellstmöglich nach Halle gebracht worden sei, sei den Bedingungen geschuldet gewesen: Sobald ein Grab geöffnet wird, dringen Mikroben und Schimmel ein und beginnen ihr zerstörerisches Werk. Der Verlust von einmaligen Funden ist dann keine Frage von Tagen, sondern von Stunden. Harald Meller: „Da wir im Landesmusuem die geeigneten Bedingungen haben, mussten wir diese nutzen und durften nichts riskieren.“

Vor Jahren sind die Gebeine von Editha wieder nach Magdeburg zurückgekehrt und bestattet worden. Für Archäologen bedeutet dies ein zwiespältiges Gefühl: Mit den modernsten Methoden lassen sich heute ganz andere Erkenntnisse gewinnen als noch vor wenigen Jahren. Bis hin zu Details dazu, was Editha in den letzten Tagen ihres Lebens verzehrt hat.

Das Thema ist für die Gebeine der Königin derzeit erledigt. Aber an Otto von Hessen können die neuesten Techniken zur Anwendung kommen. Denn die Restaurierung seiner Textilien und Grabbeigaben und damit auch seine Bestattung wird noch Jahre dauern.

Kulturausschuss-Vorsitzender Oliver Müller lobt den Einsatz der Hallenser für die Funde aus Magdeburg. Und er sagt: „Wir wussten, dass keinesfalls vollständige Textilien und wallende prächtige Gewänder erhalten geblieben sind. Dieser Eindruck hat sich bestätigt.“ Klar sei damit einmal mehr, dass die Funde in einer besonderen Weise präsentiert werden müssen, um dem Besucher ihren Wert und ihre Bedeutung deutlich zu machen.