Fluglehrer Silvio Büttner bietet Rundflüge über die Stadt an und eröffnet damit neue Sichtweisen Ausflug über Magdeburg: Oben Freiheit, unten Alltag
Schon als Kind war es sein Traum, Pilot zu werden. Heute leitet er das Flugsportzentrum in Magdeburg. Silvio Büttner ist Fluglehrer und findet, dass man Magdeburg erst richtig kennt, wenn man die Stadt von oben gesehen hat.
Magdeburg l Goethe soll einmal gesagt haben, eine Stadt könne man nur dann wirklich kennenlernen, wenn man sie von oben betrachtete. Silvio Büttner gibt ihm Recht. "Er hätte bestimmt einen Tragschrauber gehabt, wenn es ihn damals schon gegeben hätte", sagt er lachend. Magdeburg von oben ist etwas Besonderes, auch noch nach 10 Jahren. So lange fliegt er nämlich schon.
Als er an diesem Nachmittag seinen Tragschrauber Typ MTO Sport aus der Garage rollt, ist der Himmel bedeckt. "Nicht die beste Sicht", merkt er an. Starten wolle er aber trotzdem, mit offenem Verdeck. Eine Cabriofahrt am Himmel. Keine zehn Minuten dauern die Vorbereitungen. Tanken, Funkkontakt aufnehmen, Triebwerk warm laufen lassen. Plötzlich ist man oben. Der Magdeburger Flughafen wird kleiner, der Horizont weiter. "Man muss sich erst mal orientieren", sagt Silvio über Funk und fügt hinzu: "Wer zusammen fliegt, duzt sich, das machen wir so!" Der Wind pfeift, die Augen tränen, doch da ist sie, die Elbe, die sich durch ein sattes Juni-Regen-Grün schlängelt. Dann dreht er nach Norden. Mit 120 Studenkilometern und 100 PS geht es die Elbe hoch, bis sie sich gabelt. Die Augen suchen Fixpunkte in der grauen Skyline von Magdeburg. Silvio funkt: "Wir steuern jetzt den Stadtpark an!" Wie eine Nadel ragt der Aussichtsturm in die Luft, drumherum das satte Grün der Elbwiesen, das dunkle Grün der Bäume gemischt mit bunten Menschen-Punkten. Man kommt nicht umhin, Straßenzüge und Gebäude mit dem Bild zu vergleichen, das man von einem Stadtplan kennt. "Jedes Mal wundern die Leute sich über dieses Stadtplan-Live-Gefühl", merkt Silvio an. "Dabei ist es doch irgendwie logisch." Er dreht eine Schleife um den Dom, vorbei am Hundertwasserhaus, vorbei am Marktplatz. Da vorne ist schon der Universitätscampus. Wie quadratisch die Stadt doch ist, wie aufgeräumt, wie leise. Auf den Dächern stehen Antennen. Unten ist Alltag. Fliegen ohne Dach gibt einem das Gefühl, mit der Hand nach den Häusern greifen zu können.
Der Regionalzug aus Berlin schlängelt sich Richtung Hauptbahnhof. "Da siehst du mal, wie viel Platz dieses ernorme Schienennetz einnimmt. Mit dem Auto fährt man ja immer drumrum. Da bekommt man ja gar nicht mit, dass die halbe Stadt aus Schienen besteht." Wieder über die Elbe, über den Elbauenpark zum Herrenkrugpark. Von oben wirkt der Jahrtausendturm so, als ob der Stadt eine weiße Zipfelmütze aufgesetzt worden ist. Neben kunstvoll eingepflanzten Blumenbeeten spielen Kinder Fußball. Silvio fliegt tiefer und winkt. Die Kinder winken zurück und lachen. Dann dreht das Flugzeug nach Süden, die Stadt liegt jetzt rechts, links windet sich die Alte Elbe. "Das ist das Original. Die in der Stadt wurde ja begradigt." Unten erstreckt sich der ausgetrocknete Umflutkanal. Kein Mensch ist mehr zu sehen, keine Autos, keine Straße. Silvio steuert zum Tiefflug an. Dann geht es wieder mit einer scharfen Kurve steil nach oben. Adrenalin krabbelt im Körper hoch. "Das ist Freiheit", ruft Silvio. Er weiß noch, wie er als Kind stundenlang fasziniert die Agrarflugzeuge beobachtet hat. Pilot wollte er werden, aber er durfte nicht. "Zu viel Westkontakt", sagt er. Nach der Wende konnte er endlich seinen Flugschein machen. Jetzt bringt er anderen das Fliegen bei, einen schöneren Beruf gebe es nicht. "Wenn du oben bist, werden die Sorgen kleiner, der Blick auf die Dinge ändert sich. Man spürt die Natur um sich herum, alles andere ist auf einmal unwichtig." Auch nach all den Jahren hat er noch diese Fliegerromantik, sagt er. Vielleicht, weil fliegen auch manchmal einsam macht.
Der Flughafen ist schon in Sicht. Es nieselt leicht. Silvio setzt zur Landung an. Der Horizont wird kleiner, die Flughafengebäude größer. Es fühlt sich unnatürlich an, als beim Aussteigen die Füße den Boden berühren.