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Bebauung am Park Votum mit Aussicht in Magdeburg

Sechs Stunden dauerte die Debatte im Stadtrat zur Bebauung am Stadtmarsch Magdeburg. Für die Investoren mit vorerst gutem Ausgang.

Von Katja Tessnow 25.01.2020, 00:01

Magdeburg l Roland Zander, ein Urheber der Attacke auf die Baupläne von Wobau und MWG am Eingang zum Magdeburger Stadtpark, eröffnete die Kontroverse angriffslustig: „Die AfD hat zur Kommunalwahl ganze Straßenzüge mit dem Slogan ,Keine Bebauung im Stadtpark‘ plakatiert und dann lese ich in der Zeitung, dass Herr Pasemann dafür ist.“ Danach knöpfte sich der Gartenparteirat die Linke vor. Auch sie hätte bei vielen Veranstaltungen vor der Wahl ihre Ablehnung bekundet und kündige nun ein Einknicken an. Zander ist und bleibt entschiedener Gegner der Wohnbebauung am Stadtmarsch, weil es – sinngemäß – langsam genug sei mit dem Wohnungsbau im oberen Preissegment und – diese Haltung teilen vor allem Grüne, future! und einzelne Räte der AfD – der Stadtmarsch „kein Wohngebiet für wenige, sondern ein Park für alle“ (Ronny Kumpf, AfD) sein solle.

AfD-Fraktionschef Frank Pasemann bekannte, dass seine Fraktion geteilter Meinung zur Sache sei und vor einen weiteren Entscheid am liebsten eine Bürgerbefragung setzen würde. Mit dem Wunsch scheiterten aber schon 2018 Linke, future! und Gartenpartei im Rat. Während eines laufenden Bauleitverfahrens sei eine solche Befragung aber nicht mehr zulässig, erklärten Ratsvorstand und Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) unisono. „Sonst würde in Deutschland gar nichts mehr gebaut werden, denn irgendwer hat immer was dagegen“, sagte Trümper und verwies auf ohnehin vorgeschriebene Bürgerbeteiligung im weiteren Planungsverlauf. Die AfD zog ihren Antrag auf Bürgerbefragung zurück.

Mirko Stage (future!), Vorsitzender des Bauausschusses, verwies auf denkbar knapp ablehnende Voten in den Ratsausschüssen, teils bei Stimmengleichheit. Stage gehört zum Lager der entschiedenen Gegner des Bauens am Park. Vorkriegsbebauung und Pläne zur baulichen Entwicklung aus den 1920er Jahren seien heute keine Argumente mehr. Und auch wenn das Elbehochwasser 2013 das Gelände nicht überflutet habe, „das Wasser stand aber dicht dran“. „Unsere Fraktion Grüne/future! ist nicht generell gegen eine Bebauuung hier, aber sehr wohl gegen ein allgemeines Wohngebiet und dann kommt irgendwann das nächste Stück.“ Seine Fraktion wünsche sich dringend, das Areal zur Nutzung für alle Magdeburger zu entwickeln, mit Gastronomie, Kultur, Sportmöglichkeiten, als Erholungsraum.

Oberbürgermeister Lutz Trümper warf sich als nächster Redner entschieden dafür in die Bresche, dass MWG und Wobau ihre Bebauungspläne weiter verfolgen dürfen. Wie zuvor schon AfD-Fraktionschef Pasemann und später Frank Schuster (CDU) appellierte Trümper an die Vertrauenswürdigkeit der Stadtpolitik gegenüber Investoren. „Der Stadtrat hat 2018 beschlossen, einen B-Plan für das Gebiet aufzustellen. Die Investoren haben daran gearbeitet, Gutachten in Auftrag gegeben, alles ist in Arbeit. Dann kommt eine Wahl, verändert die Mehrheiten und das davor Gesagte gilt nicht mehr?“ So ginge es nicht, so Trümper. Eine Rücknahme des Ratsbeschlusses von 2018 wäre ein „fatales Signal“ mit abschreckender Wirkung für potenzielle Investoren. Trümper beharrte darauf, dass die Fläche eben nicht Teil des Flächendenkmals Stadtpark Rotehorn sei und bat den Rat, das Bauleitverfahren weiterlaufen zu lassen.

Olaf Meister, Fraktionschef von Grüne/future!, erachtet das Vorhaben dagegen als schädlich für die Stadtentwicklung. „Wir haben in der Innenstadt reihenweise Bauplätze und Hinterhofsituationen, die es zu entwickelt gilt.“ Der große Parkplatz zwischen Volksstimme und City Carré, das Areal hinter dem Karstadt-Warenhaus und etliche Flächen im Hinterland des Nordabschnitts Breiter Weg gehörten dazu, ganz zu schweigen von Industriebrachen wie Fahlberg-List und RAW. „Was wir brauchen, ist eine urbane und sozial-gemischte Innenstadt. Dieses Projekt bringt uns diesem Ziel nicht näher, sondern eher von ihm weg.“

Falko Grube (SPD) sprach grundsätzlich für das Bauvorhaben, allerding unter bestimmten Voraussetzungen. Die Frage, ob am Stadtmarsch statt eines reinen Wohngebietes besser ein Mischgebiet aus Wohnen und Gewerbe (zur öffentlichen Nutzung) entstehen solle, könne man aufrufen. „Außerdem wollen wir eine verbindliche Sozialwohnungsquote und eine Klärung der Lärmproblematik im Sinne des Messeplatzes“, so Grube. Er freue sich auf weiter anstehende Diskussionen zur Zukunft des Stadtmarschs.

CDU-Fraktionsvize Frank Schuster warb für Fairness gegenüber MWG und Wobau. „Die haben schon einen Haufen Geld investiert, es wäre nicht besonders fair, wenn wir jetzt sagen April, April.“ Mit ihrer Abkehr von Hochhäusern am Standort und dem Einschwenken auf eine ökologische Mustersiedlung mit teils öffentlicher Nutzung hätten die Investoren schon eine Menge Zugeständnisse gemacht.

Für die Linke stellte sich René Hempel hinter die investitionswilligen Wohnungsunternehmen, die gute Partner in der Diskussion über das Wohnen von morgen in Magdeburg seien. Ein Freibrief zur Wohnungsbebauung am Standort sei die Ablehnung eines Verfahrensstopps allerdings nicht. Wie die SPD macht die Linke ihre spätere Zustimmung zum konkreten B-Plan unter anderem davon abhängig, ob ein Teil der Wohnungen zu sozialen Konditionen vermietet wird.

Am Ende des Schlagabtauschs fiel die Abwehr der Gärtnerattacke aufs Bauvorhaben deutlich aus. CDU/FDP, SPD (eine Enthaltung), Linke und Teile der AfD setzten die Fortführung des Bauleitverfahrens durch. Thomas Fischbeck und Peter Lackner, die Chefs von MWG und Wobau, konnten aufatmen. Auch sie hatten auf der Besuchertribüne im Rathaus stundenlang auf den für ihre Unternehmen wichtigen Entscheid gewartet.