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Pandemie Corona-Hilfen fehlen, Mitglieder kündigen - Magdeburgs Tanzschulen stehen vor dem Aus

Mit jeder Corona-Welle geht eine Kündigungswelle bei den Tanzschulen in Magdeburg ein. Hinzu kommt, dass Tanzschulen aus den Corona-Hilfspaketen fallen. Die Betreiber schlagen Alarm. Sie sagen: Das Tanzschulsterben hat begonnen.

Von Karolin Aertel Aktualisiert: 27.4.2021, 11:32
Tanzschulen erhalten keine Corona-Hilfen. Zudem schaffen sie es nicht mehr, die Kündigungen ihrer Mitglieder finanziell auszubalancieren. Nun funken sie SOS und fordern Unterstützung. Eileen Klingenberg (Tanschule Vilando), Andrea Hermann (Steps Dancecenter) und Kathrin Beyerling (Kinderschauspielschule) sowie Nils und Mady Klebe (Movement Dance Academy) fordern: „Lasst uns nicht sterben! Lasst uns tanzen!“
Tanzschulen erhalten keine Corona-Hilfen. Zudem schaffen sie es nicht mehr, die Kündigungen ihrer Mitglieder finanziell auszubalancieren. Nun funken sie SOS und fordern Unterstützung. Eileen Klingenberg (Tanschule Vilando), Andrea Hermann (Steps Dancecenter) und Kathrin Beyerling (Kinderschauspielschule) sowie Nils und Mady Klebe (Movement Dance Academy) fordern: „Lasst uns nicht sterben! Lasst uns tanzen!“ Foto: Hans Jörg Beyerling

Magdeburg

Es ist kaum ein Jahr vergangen, dass sich Nils und Mandy Klebe entschieden, ihre Tanzschule zu vergrößern. Nicht allein die große Nachfrage an Tanzkursen bewog sie dazu. Auch die Ernennung von Breakdance zur olympischen Disziplin führte zu dieser Entscheidung. Magdeburg sollte zur Kaderschmiede der Breakdance-Szene werden. Um dies zu realisieren suchte Nils Klebe, der Kopf der mehrfachen Breakdance-Weltmeister „Da Rookies“, Räumlichkeiten, die mindestens 700 Quadratmeter zum Trainieren bieten. Erste Möglichkeiten boten sich. Doch dann kam die Corona-Krise.

Statt sich zu vergrößern, kämpfen Nils und Mandy Klebe nun ums Überleben ihrer „Movement Dance Academy“. Rund 150 Mitglieder haben seit Ausbruch der Pandemie ihre Mitgliedschaft in der Tanzschule gekündigt, erzählen sie. „Viele, weil das Geld derart knapp geworden ist, dass sie den Kindern und Jugendlichen den Tanzunterricht nicht mehr finanzieren können“, erzählt Nils Klebe. Zwar biete die Tanzschule, wie die meisten anderen auch, Online-Kurse an, doch das sei für alle Beteiligten auf Dauer unbefriedigend.

Kündigungswelle: ein Sterben auf Raten

Es sei ein Sterben auf Raten, macht Nils Klebe deutlich. Denn neben dem Problem des Mitgliederschwundes kommt jenes der fehlenden Corona-Hilfen hinzu. „Da wir Mitgliedsbeiträge erheben und theoretisch nicht komplett geschlossen haben, fallen wir aus allen Hilfen raus“, erklärt Nils Klebe. Es seien ein paar kleinere Beträge gewesen, die sie zur Unterstützung erhalten haben. Die Bundeshilfen bleiben ihnen jedoch verwehrt. Und es sei noch viel absurder: „Wir können jetzt eine Förderung für technische Ausrüstung beantragen“, erklärt er. Geld, mit denen er die Voraussetzungen für Online-Kurse schaffen soll. „Was nützt uns aber die Technik, wenn wir keine Mitglieder mehr haben. Und was nützt uns die Technik, wenn wir unsere Miete und Tanzlehrer nicht mehr bezahlen können?“

Eine Frage, die sich auch Eileen Klingenberg stellt. Auch sie schaut auf rund 100 Abmeldungen - etwa ein Viertel ihrer Schüler. Tendenz steigend! Eine Förderung, um ihre Tanzschule „Vilando“ über Wasser zu halten, bekam auch sie nicht. Stattdessen bot man an, den Kauf von Technik zu unterstützen. Vom Kopfschütteln über derartige Hilfsangebote bekommt die Tanzschulbetreiberin nur noch Kopfschmerzen. „Was hilft uns das? Selbst, wenn ich die technischen Voraussetzungen für Online-Kurse schaffe, die Kinder und Jugendlichen haben auf der anderen Seite meist gar nicht die Möglichkeit, sie in Anspruch zu nehmen. Sollen sie über einen Handybildschirm den Unterricht verfolgen?“

Auch weiß Eileen Klingenberg um die Probleme mit der Internetverfügbarkeit. „Das Datenvolumen ist durch das Homeschooling schnell aufgebraucht, die Netze brechen zusammen oder bringen eine derartige Zeitverzögerung mit sich, dass Online-Tanzkurse nicht möglich sind“, sagt sie. „Wir bieten Online-Kurse an, doch nur 30 Prozent nutzen sie auch“, erzählt sie. „Verständlich“, wie sie findet. „Das ist ein Angebot, das man mal einen oder zwei Monate zur Überbrückung machen kann, doch ein ganzes Jahr allein vorm Rechner stehen?“ Was Eileen Klingenberg nicht nachvollziehen kann: „Die Kinder werden in den Schulen konsequent getestet. Warum soll da Tanzunterricht nicht möglich sein – von mir aus auch draußen.“ Aktuell dürfe sie mit fünf Kindern unter 14 Jahren trainieren. „Warum ist das nicht auch für getestete Jugendliche und Erwachsene möglich?“ Ihrer Meinung nach haben die Entscheidungsträger keine Ahnung, was sie mit ihrem blinden Aktionismus psychisch und gesundheitlich bei den Menschen anrichten.

So sieht es auch Andrea Hermann. Die Chefin des „Steps Dancecenters“ sorgt sich um ihre Mitglieder. „Es fehlt der körperliche Ausgleich zu Schule und Arbeit.“ Und es fehle die Gemeinschaft.

Tanzschulen fallen aus Corona-Hilfspaket

Selbst wenn es irgendwann wieder möglich sein sollte, gemeinsam zu tanzen. Wer kommt zurück? Wer kann es sich dann noch leisten? „Das Sterben der Tanzschulen hat begonnen.“ Ohne staatliche Hilfe werde es bald keine Tanzschulen mehr geben. Andrea Hermann lebe seit gut einem Jahr von ihrem Ersparten, das sei so gut wie aufgebraucht. Finanzielle Zuwendungen, die sie zur Unterstützung erhielt, reichten nicht mal, um im Monat die Fixkosten zu decken. Vielleicht kommt das Geld für die Miete zusammen, doch auch ihre Tanzlehrer, Gema und GEZ müssen bezahlt werden. Von ihrem Gehalt ganz zu schweigen. Seit Pandemiebeginn kann sie sich selbst kein Geld auszahlen.

Andrea Hermann sei froh, dass ihr so viele Mitglieder die Treue halten. Dennoch gebe es unter den rund 600 Tanzschülern mindestens 100 Abmeldungen – Tendenz steigend. Wie lange sie das „Tanzverbot“ finanziell noch durchhält, weiß sie nicht. „Vielleicht noch ein halbes Jahr“, schätzt sie. Denn neben den fehlenden Mitgliedsbeiträgen seien es vor allem die Einbußen durch abgesagte Auftritte. Einnahmen aus Jugendweiheauftritten, aus zahlreichen externen und hauseigenen Veranstaltungen fehlen komplett.

Von der Politik fühlen sich Magdeburgs Tanzschulbetreiber im Stich gelassen. Aus diesem Grund haben sie sich zusammengetan und schlagen Alarm. Sie fordern nicht nur den Anspruch auf finanzielle Unterstützung, sondern auch die Öffnung der Tanzschulen. Sie seien bereit, die Auflagen zu sämtlichen Hygienemaßnahmen zu erfüllen. Etwas, das sie ohnehin seit Pandemiebeginn tun. „Lasst uns nicht sterben, sondern lasst uns tanzen“, machen sie deutlich.