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Corona-Krise Der Magdeburger Stadtrat und das Virus

Zum ersten Mal in der Corona-Krise tritt am 14. Mai 2020 der Magdeburger Stadtrat zusammen. Es gibt Streit um den Ort und den Abstand.

Von Katja Tessnow 08.05.2020, 01:01

Magdeburg l Seit Monaten streiten in Magdeburg Ratsfraktionen, Ratsvorstand und Oberbürgermeister darüber, wie Kommunalpolitik in Zeiten der Corona-Krise handlungsfähig bleibt. In der Folge fiel – nach einigem Hin und Her und geteilten Meinungen dazu – die Ratssitzung im März 2020 komplett aus.

Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) winkte Eilsachen wie die Dezimierung der Feuerwehr-Einsatzstärke nach der Virusinfektion eines Mitarbeiters allein durch. Das gefiel Teilen des Rates nicht; Grüne, Linke, AfD und Gartenpartei übten Kritik an aus ihrer Sicht mangelnder Abstimmung. Im April 2020 tagte der Rat im sogenannten Umlaufverfahren. Die Mitglieder gaben schriftlich ihre Stimme ab – keine Debatte.

Jetzt soll die Politik raus aus der Isolation – der Rat tagt nach der Zwangspause am 14. Mai 2020 erstmals wieder live, in Farbe und körperlich anwesend. Aber wo? Die Sitzordnung im angestammten Saal im Rathaus steht in krassem Widerspruch zum Abstandsgebot (mindestens 1,5 Meter). Der Ratsvorsitzende Michael Hoffmann (CDU) hatte zunächst den Landtag angesteuert – mehr Platz für freie Sitze zwischen den 56 Ratsmitgliedern plus Verwalterriege, kostenfrei nutzbar, Ausstattung stimmt. Einer Zusage zur Nutzung folgte die Klatsche auf dem Fuß. Der Landtag braucht den Saal selbst für eine auf Abstand abgehaltene Sitzung des Innenausschusses.

Zwischenzeitlich waren Johanniskirche und Messehallen im Gespräch – Veranstaltungssäle im Stadtbesitz. Am Mittwoch die Kehre: Der Ratsvorsitzende lud offiziell zur Sitzung am 14. Mai um 14 Uhr – ins Rathaus. „Wir haben extra eine Stellprobe im Saal gemacht und mit dem Hausmeister zusammen ausgemessen.“ Der vorgeschriebene Abstand sei machbar, allerdings um den Preis von Öffentlichkeit. Im Saal hätten so nur die Räte selbst und ausgewählte Verwaltungsmitarbeiter Platz. Sie besetzen auch die Besuchertribüne. Interessierte Magdeburger können die Sitzung nur aus den Vorhallen verfolgen, per Tonübertragung. Zur Einwohnerfragestunde ab 17 Uhr finden sie auf Verlangen einzeln Einlass.

Heftiges Kontra kommt von der Fraktion Grüne/future!. Sie fordert die Verlegung an einen geeigneten Ort. Der Ratssaal sei zu eng. Ratschef und Oberbürgermeister mögen „im Sinne des Schutzes der Gesundheit“ handeln. „Es ist ohnehin schwer vermittelbar, dass sich der Stadtrat in großer Runde trifft, während die Bevölkerung weite Einschnitte hinnehmen muss. Dann nicht einmal den Sicherheitsabstand einzuhalten, ist absolut fahrlässig und inakzeptabel“, heißt es in der Protestnote und dass die stadteigene Veranstaltungsgesellschaft offensiv die Johanniskirche zur Nutzung angeboten habe, „dem Vernehmen nach“ für eine „kleine vierstellige Aufwandsentschädigung“.

Hoffmann korrigiert: „Mir liegt das Angebot vor. Es beläuft sich auf 14.227, 67 Euro.“ Pro Sitzung. Der Rat müsse sich auf mehrere Sitzungen mit Abstand einstellen. „Gerade jetzt wäre es schwer vermittelbar, wenn wir für so etwas viel Geld ausgeben, wo wir im Haushalt nach jedem Tausender zum Beispiel für die Kulturnothilfe suchen.“ Hoffmann bleibt beim Ratssaal. Basta!

Wo auch immer – zu tun hat der Rat am 14. Mai 2020 jede Menge, zum Beispiel zwei Stadtminister aus einer jeweils 39-köpfigen Bewerberschar zu bestellen. Die Tagesordnung ist über einhundert Drucksachen lang.