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EntsorgungMüll landet in der Magdeburger Natur

Die Kritik an der Regelung, dass nur ein Wertstoffhof in Magdeburg offen hat, hält an. Unverbesserliche werfen ihren Abfall in die Natur.

Von Ivar Lüthe 07.04.2020, 01:01

Magdeburg l Die Stadtverwaltung hatte alle Annahmestellen geschlossen und nur Hängelsberge offen gelassen, um eine Personalreserve zu schaffen, damit die reguläre Müllabfuhr im Stadtgebiet in Zeiten der Corona-Krise abgesichert werden könne. Bereits am ersten Tag der Regelung Anfang vergangener Woche staute sich der Anliefererverkehr rund um Hängelsberge. Wartezeiten von bis zu drei Stunden waren angesagt. Appelle der Verwaltung, auf Arbeiten in Haus und Garten zunächst zu verzichten oder aber Grünschnitt auf dem eigenen Grundstück zu kompostieren oder zu lagern, verhallen offenbar. Möglichkeiten anderer Entsorgung über die reguläre Müllentsorgung oder auch beispielsweise die Sperrmüllabfuhr gibt es – doch auch Zeitgenossen, die diesen Weg nicht gehen.

Volksstimmeleser berichten und dokumentieren die Auswirkungen: „Da nicht jeder Bürger die Möglichkeit hat, Abfälle in den anfallenden Mengen selbst zu kompostieren oder zwischenzulagern, steht hier die Stadt in der Entsorgungspflicht. Die Begründung zur Bildung einer Personalreserve in der aktuellen Situation klingt wenig überzeugend. Die restriktive Entscheidung schadet der Stimmung und Motivation der Bürger und produziert einen umso größeren ,Müllhaufen‘ für die Zeit nach Covid“, so ein Leser, der aktuelle Fotos von Müllbergen in der Natur mitschickte. „Der Einsatz der Mitarbeiter der Stadt und aller Helfer bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen verdient höchsten Respekt und unser aller Dank. Das passt jedoch nicht zu den Entscheidungen einiger Verantwortungsträger, die die Problemlösung leider nicht von allen Seiten angehen“, schrieb er weiter.

Leserin Anke Felser schrieb uns: „Damit war doch fest zu rechnen, dass die eine übrig bleibende Deponie hoffnungslos überlastet sein wird. Mein Vorschlag dazu: Generell diese an allen Vormittagen nur für Firmen zu öffnen und nachmittags für Privatpersonen. Oder: Montag, Mittwoch und Freitag für Firmen und an den beiden anderen Tagen für Privatpersonen. So stehen sich Unternehmer und Privatmensch nicht in der Schlange im Wege. Auf die Empfehlung an die Gartenbesitzer, ihren Grünschnitt etc. für die kommenden Wochen selber auf ihrem Grundstück zwischenzulagern, scheint ja keiner zu hören.“

Leserin Kerstin Rohrbeck meinte: „Die Schließung der Deponie Cracauer Anger ist ein reines Desaster, ich hoffe, die Magdeburger Naturliebhaber fotografieren zeitnah die Müllhalden in unserer Natur und stellen diese dann offiziell in der Presse ein. Die Verantwortlichen sind sich der Folge ihres Handelns nicht bewusst!“.

Detlef Uecker kritisierte: „Wenn jedes Unternehmen so agieren würde wie der Abfallwirtschaftsbetrieb Magdeburg, dann wäre jeder zweite Supermarkt geschlossen. Ist die Ansteckungsgefahr auf den Wertstoffhöfen höher als im Supermarkt? Eher nicht. Die Supermärkte mit ihren Mitarbeitern kämpfen um ein bisschen Normalität in der Corona-Krise – und was macht der Abfallwirtschaftsbetrieb? Er schließt die Wertstoffhöfe, um eine Personalreserve zu haben und die Mitarbeiter zu schützen. Mitarbeiterschutz ist wichtig, aber auf Kosten der Allgemeinheit? Es gibt Arbeitsschutzmittel. Welche Alternativen haben die Mitarbeiter in den Supermärkten, Baumärkten, Krankenhäusern? Keine Alternative. Sie kämpfen und zeigen sich solidarisch. Ein Armutszeugnis des Abfallwirtschaftsbetriebes Magdeburg und ein Armutszeugnis der Stadt Magdeburg.“

Zur Schließung des Wertstoffhofes Cracauer Anger zum 30. März, als letzte Möglichkeit außer Hängelsberge, hatte die Stadtverwaltung gewarnt, Müll illegal zu entsorgen. Dies ist je nach Tatbestand eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat. Nach bereits vergangene Woche laut gewordener Kritik hieß es aus dem Rathaus, man halte zunächst an dem eingeschlagenen Weg fest, wolle „die Situation weiter beobachten“ und in dieser Woche über „eventuelle Veränderungen“ entscheiden.

Am Sonntag veröffentlichte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg einen Appell, die Entsorgungswege offen zu halten. „In den vergangenen Tagen erreichten die IHK verstärkt Sorgen von Unternehmen wegen geschlossener Wertstoffhöfe und daraus resultierender erheblicher Wartezeiten auf Deponien und an den noch geöffneten Wertstoffhöfen. Firmen sind darauf angewiesen, dass ihre Abfälle umgehend von Entsorgungsunternehmen abgeholt werden oder sie die Abfälle selbst an den Annahmestellen abgeben können. Dies ist gegenwärtig nur eingeschränkt möglich“, so IHK-Pressesprecher Torsten Scheer.

Daher appelliere die IHK an die Bürger, Fahrten zu Deponien und Wertstoffhöfen auf ein absolutes Mindestmaß zu begrenzen und an die Kommunen, ihre Abfallannahmestellen möglichst offen zu halten. Neben der vorrangig zu gewährleistenden Hausmüllentsorgung sollten die Kommunen soweit örtlich und organisatorisch möglich an den Wertstoffhöfen und auf Deponien bevorzugte Abfertigungen ermöglichen. Dies sollte neben kommunalen und privaten Abfallentsorgern als Teil der kritischen Infrastruktur auch gewerblichen Unternehmen eingeräumt werden.