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Flüchtlingsheim Stadt will sich aus Asylvertrag freikaufen

Weil weniger Flüchtlinge nach Magdeburg kommen, will die Stadt Unterkünfte schließen. Dafür werden hohe Abstandszahlungen fällig.

30.09.2016, 01:01

Magdeburg l Mit dem Betreiber der Flüchtlingsunterkunft am Westring, der Leilo Immobilien GmbH aus Leipzig, hatte die Landeshauptstadt am 1. Januar vergangenen Jahres einen Fünfjahresvertrag abgeschlossen.

Weil seit Monaten die Flüchtlingszahlen zurückgehen und die Unterkünfte und Wohnungen immer schlechter ausgelastet sind, will die Stadtverwaltung nun aus den langfristig geschlossenen Verträgen wieder heraus. Im Fall der Unterkunft am Westring sollen dafür nach Informationen der Volksstimme 700.000 Euro Auslösesumme fließen - vorausgesetzt der Stadtrat stimmt zu.

Der Westring-Vertrag hat eine Festlaufzeit bis zum Jahr 2020. Insgesamt bietet die Unterkunft Platz für 175 Personen. Mit Stichtag 31. August lebten am Westring 121 Personen – was einer Auslastung von 69 Prozent entspricht. Im Rest der Stadt ist die Auslastung noch geringer. Aktuell gibt es in den Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen 3871 Plätze. Belegt sind davon 1973. Das entspricht einer Quote von 51,69 Prozent. Für die Stadt laufen so Leerstandskosten pro Monat von ca. 289.000 Euro auf, insgesamt bislang 2,3 Millionen Euro.

Aus den der Volksstimme vorliegenden Berechnungen für den Westring ist die Zahlung einer Abstandszahlung für eine frühzeitige Vertragsauflösung immer noch günstiger, als die Festlaufzeit zu erfüllen. Heißt: Würde die Stadt den Vertrag nicht zum Ende des Jahres kündigen, fielen für die 42 Monate Restlaufzeit Kosten - je nach Berechnung - von 2,8 bis 3 Millionen Euro an.

Nach Informationen der Volksstimme fanden in den vergangenen Wochen Gespräche zwischen Stadtverwaltung und Betreiberfirma des Westrings statt. Die nun im Raum stehende Summe, die bereits von Oberbürgermeister Lutz Trümper (parteilos) in der wöchentlichen Dienstberatung abgesegnet wurde, ist das Ergebnis dieser Gespräche. Im Stadtrat wird im nichtöffentlichen Teil darüber abgestimmt. Stimmen die Stadträte zu, sollen die Westring-Bewohner in die Unterkünfte an der Saalestraße und Münchenhofstraße umziehen.

„Wir sind überrascht, dass die Stadt ausgerechnet diese Unterkunft schließen will“, sagte Leilo-Projektleiter Karsten Tran auf Nachfrage. An der Unterkunft sei nie etwas vorgefallen. „Außerdem haben wir viel Geld in die Instandsetzung des Gebäudes gesteckt“, sagt er. Mit ihm seien in der Unterkunft drei Leute beschäftigt. „Es wäre traurig, wenn die Unterkunft geschlossen wird“, sagte er. Wie es mit dem Gebäude weitergeht, sollte die Unterkunft geschlossen werden, stehe unterdessen noch nicht fest. Vorstellbar seien aber Sozial- und Studentenwohnungen. „Die Zukunft des Westrings ist aus unserer Sicht aber noch offen. Die Flüchtlingszahlen können auch schnell wieder steigen“, sagte Tran.

Im Schnitt kommen derzeit 83 Flüchtlinge pro Monat in Magdeburg an (in den Spitzenzeiten waren es bis zu 700). In der Jahresbilanz rechnet man im Rathaus mit 1000 Menschen, die auf dem Fluchtweg nach Magdeburg gelangen. Rund 5000 Flüchtlinge leben derzeit in Magdeburg; etwa die Hälfte hat einen gültigen Aufenthaltstitel für zunächst drei Jahre.

Bevor die Westring-Platte zur Flüchtlingsunterkunft wurde, gab es eine monatelange Debatte um die Immobilie. Bereits 2014 sollte das Objekt angemietet werden. Die Stadtverwaltung hatte damals aus der Volksstimme erfahren, dass in dem Haus noch Leute unter erbärmlichen Bedingungen wohnten.

Die Leipziger Eigentümerin hatte das Haus seit Jahren verkommen lassen. Nach mehreren Zeitungs- und Fernsehberichten zog man im Rathaus die Reißleine und nahm Abstand von den Verhandlungen. Die vergessenen Westring-Mieter fanden damals zum Teil mit Hilfe der Stadt neue Wohnungen. Das Objekt stand leer. Die Leilo Immobilien GmbH, die auch in Leipzig Flüchtlingsheime betreibt, übernahm als Objekt-Verwalter danach erneut die Verhandlungen mit der Stadt.