Volksstimme-Serie "Rothensee räumt auf" / Heute: Niels Mensing Flutfester Tierarzt sichert Praxis mit Paneelen, Sand und Silikon
Während die meisten Rothenseer den Versicherungen des Krisenstabs glaubten, dass ihr Stadtteil sicher vor dem Hochwasser sei, verwandelte Tierarzt Niels Mensing Praxis und Hof in eine flutsichere "Festung".
Rothensee l "Der spinnt doch", dachte wohl manch Nachbar, als er sah, wie Niels Mensing mit Hilfe vieler Freunde am Freitag anfing, seinen Hof in der Akazienstraße abzuschotten. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Fensterfront seiner Tierarztpraxis wurde komplett mit großen Paneelen und Silikon verschlossen.
"Am Montag hatte ich erste Sorgen wegen der Prognosen", erinnert sich Mensing. Ihm war klar: Wenn der Pegel über die 7,20-Meter-Marke steigt, läuft Rothensee voll. Mit einem GPS-Gerät und Zollstock maß er die Höhe des August-Bebel-Damms und verglich sie mit der Akazienstraße. Das Ergebnis ließ ihn nicht lange überlegen: Der Höhenunterschied beträgt 1,20 Meter. Liefe das Wasser also über den Bebel-Damm, würde er mehr als nur nasse Füße bekommen.
14 Tonnen Sand gegen die Flut
Beinahe generalstabsmäßig betrieb er dann die "Befestigung" von Praxis und Wohnhaus. "Ich wollte den Hof unbedingt halten", erklärt er. 14 Tonnen Sand wurden am Freitag auf den Hof gekippt, Freunde, Verwandte und sogar Besitzer von Patienten schippten unermüdlich die Säcke voll. Wieder gab es ungläubige Blicke der Rothenseer. "Guckt euch an, was die schon beim Technischen Polizeiamt oder bei Sporkenbach gestapelt haben", riet er ihnen.
In der Scheune wurde unter dem Dach schnell eine Voliere für seine Vögel gezimmert, viele andere der über 150 Tiere, Schafe, Hühner, Enten, Schildkröten, wurden ausquartiert, der gesamte Medikamentenvorrat wanderte ins Obergeschoss. Bis zu einer Höhe von 1,70 Meter machte er Haus und Hof flutfest. Denn bei Niels Mensing ging es auch um die berufliche Existenz. Ohne Praxis gibt es auch keine Patienten. Zudem war diese auch erst in diesem Januar neu eröffnet worden.
"Ich hatte mir sogar schon ein Schlauchboot auf den Hof gestellt, damit ich schlimmstenfalls mobil gewesen wäre", erzählt er. Denn Patienten hatte er auch zu versorgen. Am Donnerstag musste er noch bei einer Katze einen bösartigen Tumor entfernen. Und wie ein menschlicher Patient brauchen Tiere danach auch ein paar Tage zur Erholung. Die Katze hat OP und den zusätzlichen Hochwasserstress aber unbeschadet überstanden, ebenso ein weiterer geflügelter Patient.
Und auch für Niels Mensing hat sich der Stress gelohnt. Auch wenn seine schlimmsten Befürchtungen nicht wahr geworden sind, war er wahrscheinlich der Rothenseer, der am besten auf die Flut vorbereitet gewesen war. Einzig ein Rohrbruch im Keller bescherte ihm doch nasse Füße, aber auch hier konnten acht Pumpen Schlimmeres verhindern. Das Wasser, das bereits auf der Straße und im Garten stand, konnte den Hof nicht erobern.
Praxis kann gleich wieder öffnen
Nur diesem Umstand war es zu verdanken, dass er bereits am Dienstagnachmittag, kurz nachdem der Krisenstab offiziell die Evakuierung Rothensees aufgehoben hatte, seine Praxistür aufschließen konnte. "Die Tiere werden ja trotzdem krank", meint er nur lapidar.
Trotz aller Vorkehrungen "haben wir Riesenglück gehabt", fasst Niels Mensing die vergangenen Tage zusammen. Ein älteres Ehepaar, dessen Haustier er behandelt, hatte in der Fallersleber Straße weniger Glück. "Ich finde es eine Riesensauerei, dass man nicht einmal gesagt hat: Räumt wenigstens die Keller leer", sagt er. Die Freundschaft und Hilfsbereitschaft untereinander habe ihm aber viel bedeutet.
Sollte die Elbe doch noch einmal so hoch steigen, hat der flutfeste Tierarzt einen Tipp parat: "Silikon, das hält am besten."