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Gesetz umstrittenSorge um Straßenstrich in Magdeburg

Seit Juli gilt das neue Prostituiertenschutzgesetz: Doch das sorgt bei Sexarbeitern auch in Magdeburg für reichlich Kritik.

Von Franziska Ellrich 18.07.2017, 01:01

Magdeburg l Mit einem neuen Bundesgesetz sollen Prostituierte eigentlich besser geschützt, die Rahmenbedingungen für Sexarbeiter einfacher kontrolliert werden. So lautet zumindest das Anliegen in puncto Prostituiertenschutzgesetz, welches Anfang Juli in Kraft getreten ist. Doch aus den Reihen der Prostituierten hagelt es jede Menge Kritik. „Es geht dabei nicht um unseren Schutz, sondern wir werden dadurch kontrolliert und zwangsgeoutet“, sagt Johanna Weber. Sie ist Sprecherin des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen.

Aktuell gibt es in Magdeburg neben einem größeren Bordell weit mehr als 50 sogenannte Modellwohnungen, in denen Prostituierte arbeiten. Zum größten Teil arbeiten mehrere Frauen in einer Wohnung und meist wird wöchentlich gewechselt. Die Frauen ziehen von Stadt zu Stadt. In Magdeburg sind solche Wohnungen über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Und offenbar sind es vor allem private Hauseigentümer, die in Magdeburg Prostitutionsgewerbe in ihren Wohnungen erlauben. Denn sowohl von der Wohnungsbaugenossenschaft Die Stadtfelder als auch von der Magdeburger Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) heißt es: „Wir vermieten unsere Wohnungen grundsätzlich nur zu Wohnzwecken.“

Wobau-Geschäftsführer Peter Lackner erklärt zum neuen Prostituiertenschutzgesetz: „Das Gesetz sieht sehr umfassende Pflichten für Betreiber vor.“ Seit Juli müssen dem Gesetz zufolge Betreiber von Modellwohnungen Betriebskonzepte vorlegen und die Erlaubnis der Behörden einholen. Dabei soll demnächst auch eine Rolle spielen, ob sich so eine Wohnung baulich für die Sexarbeit eignet oder nicht.

Zudem seien bordellartige Betriebe sowohl in einem Sperrbezirk als auch in einem allgemeinen Wohngebiet „unter keinen Umständen genehmigungsfähig“, sagt Peter Lackner auf Nachfrage der Volksstimme. Und die Wohnungen der Wobau befänden sich eben so oder so alle in solchen allgemeinen Wohngebieten. Allerdings könne der Übergang von privater zu gewerblicher Nutzung in Sachen Prostitution sicher fließend verlaufen, erklärt Jens Schneider von der Wohnungsbaugenossenschaft Die Stadtfelder. Und macht deutlich: „Sollten wir solche Hinweise von Bewohnern erhalten, würden wir Kontakt mit den Mietern aufnehmen und diese Art der Nutzung unterbinden beziehungsweise das Mietverhältnis kündigen.“

Einen Sperrbezirk gibt es in Magdeburg zwar nicht. Jedoch das Verbot der Sexarbeit in Wohnungen in Wohngebieten – und die seit neuestem einzuhaltenden baurechtlichen Vorschriften – könnte für die Prostituierten zu einem großen Problem werden. Sozialarbeiter, die in Magdeburg Prostituierte beraten, sprechen bereits von der steigenden Gefahr für einen Straßenstrich in der Stadt – und damit von schlechteren Arbeitsbedingungen.

Hintergrund des Gesetzes ist eigentlich, die Prostituierten durch Vorschriften für die Betreiber zu schützen, sie vor Ausbeutung zu bewahren oder sogar Zwangsprostitution zu unterbinden. Doch Johanna Webers Eindruck sieht anders aus: „Mit dem neuen Gesetz soll niemand gerettet, sondern eigentlich die Prostitution abgeschafft werden.“ Neben den strengen Auflagen, die auf die Betreiber der Modellwohnungen zukommen, kritisiert die Sprecherin des Berufsverbandes für Sexarbeiter vor allem die Einführung eines neuen Ausweises.

Denn das Gesetz fordert nicht nur: Wer als Prostituierte arbeitet, muss sich anmelden und an einer Gesundheitsberatung teilnehmen. Sondern Sexarbeiter sind jetzt auch verpflichtet, im Job einen Ausweis bei sich zu tragen. Für Johanna Weber ein No-Go. Die Frauen würden damit geoutet – allein dadurch, wenn jemand in der Warteschlange so einen Ausweis im Portemonnaie erkennt. „Der Beruf ist noch lange nicht in unserer Gesellschaft angekommen“, sagt Johanna Weber. Die Stigmatisierung sei für Prostituierte noch immer das größte Problem.

Welche Aufgaben mit dem neuen Gesetz auf die Magdeburger Behörden zukommen, wer Beratungen durchführt und Ausweise ausstellt, ist noch unklar. Das neue Gesetz regelt unter anderem Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro, wenn zum Beispiel gegen die eingeführte Kondompflicht verstoßen wird. Doch wer kontrolliert das? Wer genehmigt die neuerdings geforderten Betriebskonzepte? Eine Anfrage an das Justizministerium, welches das neue Gesetz in Sachsen-Anhalt auf Landesebene umsetzen soll, blieb bisher unbeantwortet.