Gesundheitsreport Schlaflos in Magdeburg

Unausgeschlafen zur Arbeit. Laut Gesundheitsreport der Krankenkasse Barmer kennen das auch zahlreiche Magdeburger.

Von Juliane Just 22.01.2020, 00:01

Magdeburg l Stress auf der Arbeit, Streit im Privaten, der Spagat zwischen Beruf und Familie – es gibt viele Umstände, die einem den Schlaf rauben können. In Magdeburg kommt das häufiger vor, denn laut Zahlen des Gesundheitsreports der Krankenkasse Barmer treten viele Beschäftigte in der Landeshauptstadt ihren Arbeitstag nicht ausgeschlafen an. Etwa 26 von 1000 Personen leiden unter ärztlich attestierten Ein- und Durchschlafstörungen. Damit liegen die Menschen in der Landeshauptstadt im Sachsen-Anhalt-weiten Vergleich im Mittelfeld.

Dabei dürfte die Dunkelziffer noch deutlich höher liegen, da nicht einmal jeder Zweite zum Arzt geht, wenn er nicht richtig schlafen kann. „Wer drei bis vier Monate an Schlaflosigkeit leidet und es am Tag nicht mehr schafft, seine Leistung aufgrund der Müdigkeit zu bringen, der sollte zum Arzt gehen“, rät Dr. Sebastian Föllner, Schlafmediziner an der Magdeburger Universitätsklinik.

Wenn es um Schlafgesundheit geht, unterscheiden die Experten zwei Typen. Zum einen gibt es die sogenannte Schlafapnoe, bei der ein vermehrtes Schlafbedürfnis durch periodische Atemstillstände oder Minderbelüftung der Lunge hervorgerufen wird. „Etwa 30 Prozent der Personen leiden darunter. Es ist eine verkannte Volkserkrankung“, sagt Sebastian Föllner. Zum anderen gibt es das Krankheitsbild Schlaflosigkeit, der Fachbegriff heißt Insomnie, bei der Personen Schwierigkeiten haben, einzuschlafen oder durchzuschlafen.

Laut dem Schlafmediziner der Uniklinik Magdeburg betrifft die Schlaflosigkeit vor allem Frauen. Etwa zwei Drittel aller Frauen seien im Laufe ihres Leben davon betroffen. Das liege vor allem an der Emotionalität des weiblichen Geschlechts. „Es ist oft ein Kreislauf. Die Person kann nicht einschlafen und macht sich dann Sorgen um das Nichteinschlafen“, beschreibt der Schlafmediziner.

Am schlechtesten schlafen die Arbeitnehmer in der Börde und im Salzlandkreis, ebenso in Halle. Am besten schlafen die Kollegen im Landkreis Mansfeld-Südharz. Dort sind etwa 20 von 1000 Personen von Schlaflosigkeit betroffen. Was viele der Betroffenen sich nicht bewusst machen: Schlafmangel macht krank. „Wer permanente Schlafstörungen hat, stirbt eher“, bestätigt Sebastian Föllner. Vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen würden bei schlaflosen Personen auftreten.

Doch nicht nur akute Schläfrigkeit beeinträchtigt die Gesundheit, auch chronische Defizite beeinflussen das Wohlbefinden. Besonders psychische Störungen wie eine Depression können die Folge sein. Praktisch habe schon jeder einmal nicht einschlafen können, dies sei jedoch noch keine Krankheit, stellt der Schlafmediziner klar.

Dass die Gesundheit leidet, zeigen auch die Krankschreibungen der Schlaflosen. Beschäftigte mit Diagnosen von Ein- und Durchschlafstörungen waren im Jahr 2017 laut Gesundheitsreport durchschnittlich 56 Tage krank gemeldet. Das sind 36 Tage mehr als ihre ausgeschlafenen Kollegen. „Die Auswirkungen von Schlafstörungen auf die Gesundheit und das Leistungsvermögen werden bislang drastisch unterschätzt“, sagt Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer Sachsen-Anhalt.

Was viele Menschen ebenfalls oft unterschätzen: Schlafmangel führt zu leichten kognitiven Einschränkungen. Das kann nicht nur auf Arbeit ein Sicherheitsrisiko sein, sondern auch im Straßenverkehr. „Es handelt sich nur um eine Millisekunde verminderter Reaktionszeit, aber die kann im Zweifel entscheidend sein“, sagt Sebastian Föllner.

Dabei ist laut Schlafmediziner Föllner heutzutage vor allem die allseitige Verfügbarkeit der größte Schlafhemmer. „Das Smartphone verändert unser Verhalten immens. Man muss auch nachts 5 Uhr erreichbar sein. Ruhephasen sind nicht mehr vorgesehen“, sagt er. Vor allem nachts sei das piepende Telefon ein Schlafkiller – auch im Unterbewusstsein nehme man Klingeltöne oder Vibrationen wahr.

Früher war der Sonnenaufgang und -untergang der Taktgeber des Tages, heute wird dies mit künstlichem Licht und Displays übergangen. Dabei verändert das Blaulicht der Geräte das Tag-Nacht-Verhalten, bestätigt Föllner. Wer sich abends durch die sozialen Netzwerke scrollt, sollte den Nachtmodus des Smartphones einstellen. Hier wird der blaue Anteil des Lichts auf dem Display herausgefiltert und das Bild selbst wirkt eher gelblich. Das soll die Augen schonen und zu später Stunde dafür sorgen, dass wir anschließend besser einschlafen können. „Doch Experten streiten sich noch, ob der kleine Bildschirm wirklich so viel Licht aussendet, dass unser Rhythmus gestört wird“, so Föllner.

Was Kindern immer geraten wird, gilt auch für Erwachsene. Wichtig sind für schlaflose Menschen vor allem Routinen. „Bei Schlaflosigkeit sind Rituale wichtig, die den Körper an das Schlafen heranführen“, rät Föllner. Feste Zubettgeh- und Aufstehzeiten können ebenfalls beim Einschlafen helfen. „Wer mit dem Wecker aufsteht, ist sowieso nicht ausgeschlafen. Das ist ein allgemeines Problem.“

Sportliche Aktivitäten sind vor dem Schlafen tabu, weil der Körper dann auf Leistung und Konzentration eingestellt ist. Alkoholische Getränke können laut dem Schlafmediziner in geringen Mengen beim Einschlafen helfen, in großen Mengen wirken sie eher wieder hemmend. Auch Energydrinks oder Kaffee sollten vor dem Schlaf gemieden werden. Ebenso sollten emotional aufwühlende Gespräche oder Neuigkeiten auf den nächsten Tag verlegt werden. „Wenn meine Frau mir kurz vorm Schlafengehen sagt, dass unser Sohn die Note 5 in Chemie bekommen hat, hilft das nicht beim Einschlafen“, so Föllner.

Der normale Durchschnitts-Erwachsene braucht etwas mehr als sieben Stunden Schlaf pro Tag. Da man nicht sofort einschläft, manchmal kurz wach wird und andere Ablenkungen vorkommen können, sollte man deshalb mindestens acht Stunden für das Bett reservieren, rät Föllner.