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Glyphosat Wie giftig ist Magdeburg?

Eine Ratsallianz in Magdeburg hob das Thema Glyphosat auf die politische Bühne. Doch wo kommt das Mittel hier überhaupt noch zum Einsatz?

Von Jana Heute 05.05.2018, 01:01

Magdeburg l Zunächst: Noch ist das Thema nicht im Umweltausschuss des Stadtrates Magdeburg diskutiert worden. Aber es soll in Kürze so weit sein, erklärte Ausschusschef Timo Gedlich (B90/Grüne) auf Volksstimme-Nachfrage. In den Umweltausschuss hatte eine Ratsallianz aus SPD, Linke/future!, Grünen, Links für Magdeburg und Gartenpartei das Thema Ende Februar 2018 delegiert – zunächst zur Diskussion.

Doch die Räte wollen erwirken, dass die Stadt Magdeburg den Einsatz von Glyphosat und weiterer Breitbandherbizide auf sämtlichen stadteigenen Flächen untersagt. Rheinland-Pfalz hat bereits im Juli 2015 die Behandlung mit glyphosathaltigen Herbiziden auf öffentlichen Flächen im Land verboten. In vielen anderen Kommunen laufen ebenfalls Initiativen, um den Einsatz des unter dem Markennamen Roundup verkauften Mittels zu vermindern. In Magdeburg sollen, so die Vorstellung der Stadträte, dann selbst Pächter kommunaler Flächen, z. B. Kleingartenvereine, entsprechende Aufforderungen zum Verzicht erhalten. Ob es tatsächlich dazu kommt, muss sich zeigen.

Fakt ist derweil: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft den Unkrautvernichter Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend ein. Von der EU erhielt es dennoch eine Zulassung für weitere fünf Jahre. Vor allem in der Landwirtschaft spielt das Mittel eine wichtige Rolle. Deutschlandweit werden jährlich rund 3780 Tonnen davon auf die Felder gebracht. Auf fast jedem zweiten Acker wird nach wie vor Glyphosat versprüht, schätzen Experten. Doch inwieweit gilt das auch für Flächen in Magdeburg? Die Redaktion hörte sich dazu um.

Stadtgarten und Friedhöfe
Die Anti-Glyphosat-Allianz im Stadtrat wird diese Nachricht freuen: Zumindest auf den kommunalen Grünflächen, auf Spielplätzen, in Parks und auf Friedhöfen, die vom Eigenbetrieb Stadtgarten und Friedhöfe Magdeburg (SFM) bewirtschaftet werden, ist das Thema Glyphosat gar keins mehr. Denn laut Rathaussprecher Michael Reif kommen „generell weder chemische noch biologische Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung von Unkraut zum Einsatz“. Grundsätzlich werde Unkraut manuell entfernt, betont Reif. „Dabei kommen ganz klassisch Hacke, Fugenkratzer und Freischneider zum Einsatz. Gelegentlich wird Unkraut auch abgeflammt“, so Michael Reif.

Der SFM verzichte schon seit Jahren aus Gründen des Umweltschutzes auf den Einsatz von chemischen und biologischen Pflanzenschutzmitteln. Neben dem Anlegen von Bienenweiden und Nachpflanzung von bienenfreundlichen Bäumen und Gehölzen sei dies ein „weiterer Baustein zur Erhaltung der Artenvielfalt in Magdeburg“.

Elbauenpark Magdeburg
Auch aus dem Elbauenpark gibt es Entwarnung. Im Park setze man durchweg auf Handarbeit, erklärt ein Sprecher. Auf Handarbeit und heißes Wasser – zumindest in der Vergangenheit. Da gab es auf den gepflasterten Promenaden im Eingangsbereich Unkrautvernichtung mit heißem Wasser. Inzwischen werde diese Tätigkeit mit Freischneidern und Faden durchgeführt. Bei diesen Geräten würden inzwischen mehr und mehr akkubetriebene Modelle angeboten. Auch im Elbauenpark sei für die Zukunft die Umrüstung auf diese umweltfreundlicheren Modelle vorgesehen, heißt es.

Kirchliche Friedhöfe
Annett Ullrich ist Friedhofsverwalterin auf den evangelischen Friedhöfen Alter und Neuer Sudenburger Friedhof. Löwenzahn, Brennnessel und Gänseblümchen müssen hier weder Unkrautvernichter noch Schädlingsbekämpfer fürchten. „Die Freiflächen werden von uns nur gemäht“, berichtet Annett Ullrich. Das sei sogar in der Friedhofsordnung verankert, erklärt sie, und daran müssen sich auch alle halten, die Gräber auf den Friedhöfen pflegen. Die Friedhofsordnung erlaubt weder chemische Unkrautvernichter, noch Schädlingsbekämpfungsmittel. Auch ätzende Steinreiniger dürfen nicht verwendet werden.

Da dies eine Vorgabe der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands sei, gelte die Regelung gleichfalls auf den anderen Friedhöfen der Kirche. „Wir haben einen Blick darauf, dass die Besucher sich daran halten und sprechen sie an, wenn sie doch solche Mittel einsetzen sollten. Man sieht ja, wenn da plötzlich nix mehr wächst“, so die Verwalterin. Da habe es auch schon einige Diskussionen gegeben, räumt sie ein. „Aber ich sage dann immer: Wir sind hier auf einem Friedhof und nicht auf einem englischen Fußballrasen“, erzählt Annett Ullrich.

Landwirtschaft
Die Lokalredaktion fragte auch bei mehreren Landwirtschaftsbetrieben, die in oder bei Magdeburg Flächen bewirtschaften, nach. Nicht alle wollten mit uns reden. Bei der Agrargenossenschaft eG Magdeburg-Nord hieß es etwa: Keine Zeit!

Andere Landwirte sprechen mit uns darüber. Die Ratsinitiative sei für sie im Moment kein Thema, heißt es, zumal die meisten Flächen ohnehin nicht städtisch seien. Für Ronald Westphal z. B. ist der Einsatz von Glyphosat legitim. Der Geschäftsführende Gesellschafter der Agro Bördegrün GmbH & Co. KG, die mehrere Tausend Hektar westlich und östlich von Magdeburg bewirtschaftet, argumentiert: Das Mittel sei den Landwirten zur Unkrautbekämpfung „in die Hand gegeben“ worden. Und er ergänzt: „Wenn es krebserregend wäre oder tödliche Wirkung hätte, dann wäre es verboten.“

Entscheidend sei der korrekte Einsatz, die richtige Dosierung. Darauf lege man größten Wert. Außerdem betont Westphal, dass das Mittel ausschließlich auf das Unkraut und nicht auf die Nutzpflanze aufgebracht werde.

Landwirt Christian Völcke aus Lemsdorf sagt: Glyphosat komme bei ihm fast gar nicht mehr aufs Feld – „nur im Notfall“, wenn sich im Herbst zeige, dass ein Unkraut für die Fruchtfolge (Kartoffel oder Rübe) im nächsten Jahr gefährlich werden könnte und dem nicht anders beizukommen sei. Dann werde als „letztes Mittel“ und in geringen Mengen Glyphosat angewendet. So gebe es Gräser, die sich in die Kartoffelknolle bohrten und sie schädigten. Ansonsten setze der Betrieb bei seinen rund 15 bewirtschafteten Hektar vor allem auf mechanische Unkrautbekämpfung und den Einsatz einfacher Herbizide sowie Dünger.

So werde nach der Ernte noch einmal mechanisch durchgegrubbert und das Unkraut damit zerstört. „Das ist teurer als der Einsatz von Glyphosat“, betont Völcke, weil personell und technisch aufwändiger. „Aber mit Blick auf die Umwelt und die Tiere machen wir das meistens so“, erklärt der Landwirt. Lediglich an Ackerrändern, die an öffentlichen Wegen liegen und wo das Unkraut stark wuchere, werde auf wenigen Quadratmetern und in geringen Mengen auch manchmal Glyphosat eingesetzt.

Ulrich Schrader bewirtschaftet mit seinem Landwirtschaftsbetrieb rund 700 Hektar, hat u. a. Flächen in Beyendorf-Sohlen und Westerhüsen. Auch für ihn ist Glyphosat eine Option. „Wir machen das nicht jedes Jahr, aber wenn es viel regnet und dem Unkraut mit herkömmlicher Bodenbearbeitung nicht mehr beizukommen ist, dann setzen wir das auch mal ein“, berichtet er. Dies passiere dann aber nach der Ernte im Herbst vor der Neuaussaat.

Glyphosat kommt, meist als Roundup, auch noch im privaten Bereich zum Einsatz. Wie umfänglich, darüber lässt sich nur spekulieren. Eckhard Krossing hat schon seit vielen Jahren eine Parzelle im Kleingartenverein Am Unterbär in Brückfeld. Er hegt und pflegt sie ohne chemische Keulen. „Wir zupfen das Unkraut noch selbst“, meint Krossing und glaubt auch nicht, dass irgend jemand im Verein darauf zurückgreift. „Wir gärtnern doch heute wirklich zum Spaß und nicht, um Massen zu produzieren“, meint der Magdeburger. Insofern sieht er dem städtischen Anti-Glyphosat-Vorstoß gelassen entgegen.