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Grundschüler Immer mehr Nichtschwimmer in Magdeburg

Mehr als 600 Magdeburger Kinder haben in den vergangenen beiden Jahren den Schwimmunterricht in Klasse 3 als Nichtschwimmer beendet.

Von Katja Tessnow 06.06.2019, 01:01

Magdeburg l Knapp 2000 Magdeburger Drittklässler haben im fast verstrichenen Schuljahr 2018/19 den Schwimmunterricht besucht. Ihre Zahl ist mit jener der Einschüler seit 2014 um mehr als 500 gestiegen. Noch deutlich überproportional stieg im gleichen Zeitraum aber die Zahl jener Magdeburger Grundschüler, die den Schwimmunterricht als Nichtschwimmer beenden.

Stiegen vor vier Jahren noch 203 Mädchen und Jungen nach Unterrichtsschluss als Nichtschwimmer aus dem Becken (damals 13,8 Prozent), waren es zum Schuljahresende 2018 schon 431 (23,2 Prozent aller Schwimmschüler des Jahrgangs). Die Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor; erwartet wird ein weiterer Anstieg der Nichtschwimmer-Zeugnisse.

Zu den noch unsicheren Schwimmern, die sich allenfalls eine Weile über Wasser halten können, zählen aber auch noch jene rund 200 Schüler jährlich, die den Unterricht nur mit dem „Seepferdchen“ (25 Meter schwimmen) abschließen. Auch sie verfehlen das Klassenziel, das eine sichere Wasserbeherrschung verlangt. Nichtschwimmer und „Seepferdchen“ addiert, kann heute jeder dritte Magdeburger Grundschüler nicht sicher schwimmen.

Im Stadtrat Magdeburg hatte sich die scheidende Stadträtin Helga Boeck (Links für Magdeburg) bereits 2017 und 2018 des Themas mit mehreren Anfragen an die Stadtverwaltung angenommen. Die genannten Zahlen schockierten die Kommunalpolitikerin: „Alle Beteiligten tragen eine hohe Verantwortung für das Leben und die Gesundheit unserer Kinder.“ Bei einem Kind, das ertrinkt, sei es egal, ob es lesen oder rechnen könne, misst Boeck dem Schwimmunterricht am Ende eine höhere elementare Bedeutung bei als den sogenannten Kernfächern Deutsch und Mathematik. Schwimmen „ist lebensrettend“.

Die Stadtverwaltung verteilte in einem ersten Schritt zur Abhilfe bereits vor einem Jahr Flyer insbesondere an jene Eltern, deren Kinder im Schwimmunterricht nicht zu sicheren Schwimmern wurden. Die Infoblätter klärten über die Möglichkeit auf, in kommunalen Bädern und bei Sportvereinen in privater Initiative Schwimmkurse zu buchen. Allerdings: Davon machen – in der Regel schon am Übergang der Kinder zwischen Kindergarten und Schule – dermaßen viele Eltern Gebrauch, dass die Kurse überbelegt sind.

Von 530 (2015) auf über 880 Plätze (2018) pro Jahr hat die Stadt Magdeburg ihre Kursangebote in den eigenen Schwimmhallen bereits aufgestockt. Die Wartezeiten auf einen Platz im Kurs liegen dennoch bei einem halben bis zu einem Dreivierteljahr. Durchschnittlich stünden 60 bis 75 Kinder auf Wartelisten, gibt Matthias Puhle, Beigeordneter für Schule und Sport, zu Protokoll. Eltern rät er, ihre Kinder bereits im Alter von fünf Jahren anzumelden, um im besten Schwimmlernalter starten zu können.

Schwimmunterricht in Magdeburg

Für die Organisation des Schwimmunterrichtes in der Schule ist indes das Land Sachsen-Anhalt zuständig. Hier greift die Stadträtin Helga Boeck an. Der Oberbürgermeister möge beim Landesschulamt „dringend um eine Optimierung“ der Unterrichtsorganisation bitten. Unter anderem habe sich aus Sicht von Schwimmlehrern als wenig dienlich erwiesen, dass Schulen mehr und mehr vom über das ganze 3. Unterrichtsjahr verteilten Schwimmunterricht (eine Stunde pro Woche) abrückten und stattdessen nur ein Halbjahr lang (Doppelstunden) oder in noch kürzerer Zeit „im Block“ mit ihren Schülern ins Bad fahren.

Die Rahmenlehrpläne des Landes gestatten die Bündelung. Schulen machen unter anderem deshalb massenhaft von ihr Gebrauch, weil Personal zur Begleitung auf dem Weg von der Schule zur Schwimmhalle und zurück fehlt. Im Stadtrat dreht das brisante Thema just eine Verständigungsrunde durch die Fachausschüsse. Anlanden wird es erst nach der Sommerpause auf den Tischen der neu gewählten Räte. Parallel suchen auch die Kultusminister der Länder nach Auswegen aus dem bundesweit mit einer durchschnittlich sogar mehr als 50-prozentigen Versagerquote grassierenden Untergangsszenario in Sachen Schwimmunterricht. Die Anforderungen an den Unterricht sollen steigen.