Winterdienst Gurkenwasser statt Streusalz - in Magdeburg entfacht Debatte um sterbende Bäume
Der Winterdienst in Magdeburg soll nachhaltiger werden. Wie wäre es mit dem Einsatz von Gurkenwasser?, so eine Überlegung. Doch Naturfreunde sehen die Bäume in Gefahr.

Magdeburg. Unter der Überschrift „Winterdienst soll nachhaltiger werden“ hat die Magdeburger CDU-Ratsfraktion einen Antrag eingebracht, nach dem statt Streusalz künftig Wasser, das bei der Produktion von Gewürzgurken anfällt, für den Winterdienst genutzt werden soll. Ziel war, Salz und Wasser in Magdeburg einzusparen. Die Stadtverwaltung hatte bereits deutlich gemacht, dass aufgrund der großen Entfernung zur nächsten Gurkenfabrik so etwas für Magdeburg nicht infrage kommt. Und im Internet hatte die Gurkenwasser-Idee der Christdemokraten bei einigen Nutzern für Heiterkeit gesorgt.
Doch ganz vom Tisch ist das Thema nicht. Zwar hatte es der Vorschlag auch im Umweltausschuss nicht einfach: Mit nur einer Ja- und vier Neinstimmen empfahl das Gremium dem Stadtrat deutlich die Ablehnung. Doch der Baumsachverständige und von der CDU berufene sachkundige Einwohner Hartmut Beyer holte die Diskussion zurück aus einer allgemein heiteren Stimmung zu tatsächlichen Problemen.
Salz lässt Bäume am Straßenrand sterben
Er steht nicht hinter der Idee, mit salziger Lake aus der Produktion von Gurken einen industriellen Reststoff für die Befreiung der Magdeburger Straßen und Wege von Eis und Schnee zu nutzen. Er meint, dass mit Blick auf das Stadtgrün ohnehin zu viel Salz beim Winterdienst zum Einsatz komme.
Er sagte: „Der Deutsche Städtetag hat schon in den 1970er Jahren empfohlen, weniger Salz einzusetzen. Mit den inzwischen gestiegenen Temperaturen ist bei unserem Salzeinsatz doch vollkommen klar, dass die Bäume an den Straßen im Juni und Juli schon braun werden.“
Trockenperioden im Sommer
Vor Jahrzehnten sei nachgewiesen worden, dass Salzeinträge in den Blättern die Spaltöffnungen blockieren und die Verdunstung des Wassers fördern. Genau dies ist das Problem, unter dem viele Bäume an Straßen und in Parks in Magdeburg in den Perioden mit wenig Regen leiden und zum Teil sogar zugrunde gehen. „Wer ernsthaft darüber nachdenkt, städtischen Bäumen etwas Gutes zu tun, sollte in der Richtung etwas unternehmen“, so Hartmut Beyer weiter.
Der für Umweltfragen zuständige Beigeordnete Holger Platz ist sich des Problems bewusst. Er sagt: „Man sollte sich mit den verschiedenen Akteuren einmal treffen, um das Thema genau zu besprechen.“ Dabei denkt er unter anderem an den Städtischen Abfallwirtschaftsbetrieb, der für den Winterdienst auf den Straßen der Landeshauptstadt zuständig ist, aber auch an Naturschützer oder den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC).
Widerstrebende Interessen
Mit Blick auf Letzteren wird klar, dass die Interessen teilweise auseinandergehen. So hatten Radfahrer auch in diesem Winter kritisiert, dass scharfkantiger Splitt als Streugut auf den Radwegen die Reifen der Fahrräder beschädige. Und dabei ist Splitt zur Abstumpfung der Wege eine gängige Alternative zum Streusalz.
Holger Platz verwies zudem darauf, dass sich der Einsatz von Streusalz seitens der Stadt in den vergangenen Jahren deutlich verringert habe. „Früher hatte es kaum geschneit, da waren die Straßen schon wieder schwarz, weil sofort Streusalz zum Einsatz kam.“ Auf der anderen Seite gibt es Situationen wie die im Februar, wo auf den Salzeinsatz nicht verzichtet werden könne, um den Straßenverkehr überhaupt aufrechterhalten zu können.
Für Hauseigentümer ist der Einsatz von Streusalz ohnehin auf den Fußwegen in der Regel nicht zulässig. Darauf, dass im Handel Streusalz in großen Mengen zur Verfügung gestellt werde, hat die Stadt keinen Einfluss. Rolf Warschun, Leiter des Magdeburger Umweltamtes, sagte dazu: „Wir können uns in den Baumärkten ja nicht auf die Paletten setzen und aufpassen, dass niemand Streusalz kauft.“ Zudem gibt es für den Einsatz auf Fuß- und Radwegen eine Ausnahmesituation: dann nämlich, wenn Eisregen oder Blitzeis die Strecken unpassierbar machen.
Wenn das Wasser in die Baumscheiben fließt
Und einen zweiten Punkt, der eine Rolle spielt, nannte der Chef des Umweltamtes: Rad- und Fußwege werden heute so gebaut, dass das Regenwasser in die Baumscheiben abläuft. Das hilft den Bäumen im Sommer, Phasen mit nur wenig Regen zu überstehen. Auf der anderen Seite wird auf diese Weise aber besonders viel Salz direkt in die Baumscheiben gespült.
Dies sind Argumente, denen Hartmut Beyer nicht widerspricht. Auf der anderen Seite sieht auch er weiteren Diskussionsbedarf. Er sagte: „Es geht beispielsweise auch um die Frage, wie das Streusalz auf den Straßen aufgebracht wird und ob es genau dort ankommt, wo es gebraucht wird.“ Und auch verstärkte Kontrollen, ob Streusalz widerrechtlich zum Einsatz kommt, hält er für sinnvoll.