Null Bock auf neue Autos - beim Oldtimertreffen im Elbauenpark gilt das Alte-Liebe-rostet-nicht-Prinzip "Ich kenne jede Schraube persönlich und duze sie"
Torsten Bunzeck will den zur Wende angeschafften Trabant nie mehr hergeben. Reno Müller hat mal Kfz-Schlosser "auf Skoda" gelernt; er kommt nicht los vom Fabrikat. Und Werner Stettin, Malermeister i. R., hat sich unsterblich in einen Aga, Baujahr 1926, verliebt.
Herrenkrug l Na klar, es fuhren noch weit eindrucksvollere "Schlitten" über die Elbauenwiesen des Kleinen Cracauer Angers: sowjetische Staatslimousinen, Marke Tschaika, von deren Motorhaube ein silberner Hirsch röhrt; Chevrolets und andere überlange Straßenkreuzer; ein Ost-Ferrari der Baureihe des DDR-Rennpiloten Heinz Melkus (auf Wartburg-Basis, kaum wiedererkennbar und nur 101-mal hergestellt) zog viele ungläubig-bewundernde Blicke auf sich. Aber geprägt wurde das Oldtimertreffen am Sonnabend im Elbauenpark dann doch von einer Ausstellermehrheit, die sich mit weniger spektakulären Karossen und vielfach aus sehr privaten Gründen aufs Innigste verbunden fühlt. So wie die ganze Magdeburger Familie Koch-Bunzeck mit ihrem Trabant 601. Der ist eigentlich gar kein echter Oldtimer, weil erst 1986 produziert, aber er gehört seit über 20 Jahren zur Familie. "Wir haben ihn 1991 als Zweitwagen für meine Frau angeschafft und sie hat ihn bis 2002 im Alltag gefahren", erzählt Torsten Bunzeck, von Beruf Autolackierer, und Frau Silke ergänzt: "Den geben wir nicht wieder her." Das ist in der Tat schwer vorstellbar, wenn man sieht, was Familie Bunzeck - wohl in erster Linie Familienvater Torsten - aus ihrem Trabi gemacht hat: ein metallicblau glänzendes Cabrio-"Geschoss" mit schwarzen Lederbezügen. Hintendran hängt - vom Vater knallorange "verkleidet" und zur unbändigen Freude der Kinder Lara (9) und Malte (3) deren "Kinderzimmer" in Form eines "Weferlingers". Das ist der kleinste Wohnwagen, der zu DDR-Zeiten produziert wurde und vom Trabi problemlos bugsiert werden kann. "Die Liegefläche misst 1,20 mal 2 Meter", weiß Silke Koch-Bunzeck. "Für \'ne Nacht reicht\'s." Am Rande erinnert sich Silkes Vater Jürgen Koch, wie lange er dunnemals auf seine Trabis warten musste: "Den ersten haben wir zur Geburt der Tochter 1967 bekommen, weil meine Schwester uns ihre Anmeldung überließ. Auf den zweiten haben wir 8, auf den dritten schon 12 Jahre gewartet." Und beinahe wäre es doch noch ein Wartburg, 18 Jahre Wartezeit, geworden, aber dann kam die Wende. Jürgen Koch: "Seit 1992 fahren wir Golf."
Reno Müller dagegen fährt Skoda. Mit seinem "445", Baujahr 1958, kreuzt er im Elbauenpark auf. Der 49-jährige Hadmersleber hat mal Kfz-Schlosser gelernt. "Zur Wende habe ich mich mit einem Lottoladen selbstständig gemacht." Aber die Liebe zum Skoda blieb und entflammte 2007 neu. Seither verwendet er jede freie Minute in den Aufbau einer schrottreifen Skoda-Karosse nach der anderen: "Meine Frau trägt das mit." Nur gut. Stephan Spandau aus Schönebeck hat keine Frau und dafür noch mehr Zeit für seine große Liebe: Einen Skoda Octavia, Baujahr 1960. "An dem kenne ich jede Schraube persönlich und duze sie." Der Instandhaltungsmechaniker ist mit dem Skoda verwachsen, weil er quasi drin groß geworden ist. "Meine Familie fuhr schon zu DDR-Zeiten Skoda. Den habe ihn nach der Wende übernommen und gefahren, bis 1995 der TÜV den Kopf schüttelte." 2009 schließlich hat sich Spandau den alten "Octavia" gekauft und ihn von Grund auf neu aufgemöbelt. So stolz wie Spandau neben seinem Skoda steht Werner Stettin vor seinem Aga: "Soll ich ihn mal anlassen?" Bitte sehr! Wie ein Bienchen läuft der Motor im 1926 produzierten Berliner Modell, das noch ein bisschen nach Pferdekutsche anmutet. Stettin, Malermeister im Ruhestand, hat ihn irgendwann in einer Scheune entdeckt und wollte ihn haben. "Meine Frau hat gesagt, Du hast Dein Leben lang hart gearbeitet, jetzt gönn\' Dir das." Einer weiteren Aufforderung bedurfte es nicht; so viel steht Stettin ins Gesicht geschrieben.
Das Oldtimertreffen im Elbauenpark - es wurde zum zweiten Mal abgehalten - mag kein Schaulaufen der wertvollsten Altkarossen sein. Umso mehr lebt es von wirklichen Gefühlen fürs alte Gefährt - bei Hunderten Ausstellern und bei Tausenden Besuchern. Insbesondere die Ostmobile weckten bei vielen nostalgische Erinnerung an aus heutiger Sicht abenteuerlich anmutende Zwei-Takt-Touren. Mancher klopfte der alten "Rennpappe" anerkennend auf die Schulter - à la: Angekommen sind wir mit dir auch.