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Integration Eine Brücke zum Job in Deutschland

Wie Flüchtlinge und Migranten in den Arbeitsmarkt oder in eine Ausbildungsstelle vermittelt werden - drei Beispiele aus Magdeburg:

Von Christina Bendigs 29.04.2019, 16:44

Magdeburg l „Die meisten Leute sind gut, da hat man nichts zu meckern“, sagt der 25-jährige Mamoun Al Kusaibati. Ihn das sagen zu hören, lässt eine Magdeburgerin schon mal schmunzeln. Schließlich heißt es ja immer, wenn ein Magdeburger sagt, da kann man nicht meckern, ist das ein großes Lob.

Und irgendwie trifft das auch auf den 25-jährigen Syrer zu. Denn inzwischen fühlt er sich in Magdeburg richtig wohl – auch wenn er sich an die Magdeburger Ruhe erst gewöhnen muss. Und er lächelt stolz, wenn er von seinem Weg erzählt.

Ursprünglich kommt Mamoun Al Kusaibati aus dem syrischen Damaskus und hat dort im Stadtzentrum gelebt, war ständigen Trubel gewöhnt. Gegen die Millionen-Metropole wirkt die sachsen-anhaltische Landeshauptstadt mit ihren 240.000  Einwohnern eher beschaulich. Aber Probleme sieht er nicht. „Man muss es kennenlernen und sich darauf einstellen“, sagt er. Und viel mehr hat er, danach gefragt, was hier anders ist als in seiner Heimat, nicht hinzuzufügen.

Ganz fremd war ihm die europäische Kultur nicht. Denn sein Großvater arbeitete einst bei Siemens in Deutschland und hat ihm bereits viel erzählt. Einen Job zu finden, gestaltete sich für den jungen Syrer schwierig. Seine Ausbildung zum Buchhalter, die er in Syrien absolviert hatte, wurde in Deutschland nicht anerkannt. Wie sich nun also in den Arbeitsmarkt integrieren?

Hilfe bekam er von Elena Slavkova. Sie arbeitet im Projekt „Jobbrücke plus“. Ihre Aufgabe besteht darin, Migranten in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. In den vergangenen Jahren ist das vielfach gelungen.

Die Schwierigkeit bestehe zum einen in den unterschiedlichen Aufenthaltsbedingungen, unter denen Flüchtlinge in Deutschland leben – bei jedem Status gibt es unterschiedliche Möglichkeiten zu arbeiten oder Sprach- und Integrationskurse zu absolvieren. Die Mitarbeiter der Jobbrücke kennen sich aus im Dschungel behördlicher Vorgaben und Richtlinien und können so individuell auf die jeweilige Person abgestimmt weiterhelfen, können komplizierte Berufsbezeichnungen erklären und auf diese Weise auch verständlich machen, hinter welcher Bezeichnung sich welche Tätigkeit verbirgt.

Andererseits gilt es jedoch auch, Überzeugungsarbeit zu leisten. Dass sich deutsche Arbeitgeber für einen Migranten entscheiden, sei nicht selbstverständlich, auch wenn sich die Lage inzwischen verbessert habe. „Versteckten Rassismus gibt es immer noch.“

Mit Mamoun Al Kusaibati schrieb Elena Slavkova mehr als 50  Bewerbungen, bis es schließlich mit einer Ausbildung zum Immobilienkaufmann in der Firma Kubon Immobilien klappte.

Die Bürokratie und die zahlreichen Unterschriften, die man in Deutschland für alles braucht, weiß Al Kusaibati inzwischen selbst zu schätzen. Schließlich lernt er in seiner Ausbildung auch, Wohnungsabnahmen und -übergaben abzuwickeln. Und wenn der Mieter sagt, er habe die Wohnung nicht so oder so übernommen, kann Al Kusaibati ein Blatt aus einer Akte nehmen, auf dem der Mieter dafür unterschrieben hat, wie er die Wohnung einst übernommen hat.

Sein Deutsch ist inzwischen nahezu fließend, auch viele umgangssprachliche Redewendungen sind in seinen Sprachgebrauch schon eingeflossen. Zu verdanken sei das auch der guten Betreuung durch seine Ausbilder und der Hilfe seiner Klassenkameraden in der Berufsschule. Die haben ihm schon manches deutsche Wort erklärt, das er nicht kannte, und gleichzeitig auch davor gewarnt, dieses oder jenes Wort gegenüber dem Chef zu verwenden, erzählt er schmunzelnd.

Und manchmal hat der 25-Jährige dann auch Schamgefühle, weil er aufgrund der Sprachbarriere vor allem Fachbegriffe schwer versteht und die Aufgaben nicht immer allein meistern kann. „Aber ich will das schaffen“, sagt der motivierte Neu-Magdeburger.

Seine Freizeit verbringt Mamoun Al Kusaibati gern mit einem Freund, mit dem er Basketball spielt. Er malt gern, war auch schon bei Spielen des 1.  FC Magdeburg und würde sich freuen, wenn es die Mannschaft irgendwann in die erste Bundesliga schafft. Immer wieder betont er, wie dankbar er dem Team der Jobbrücke und seinem Ausbildungsbetrieb mit dem ganzen Team ist.

Andere in seinem Bekanntenkreis hätten weniger Gück gehabt. „Wir leben in einer Sozialgemeinschaft, da muss man einander auch helfen“, findet Al Kusaibati. „Ich kenne viele Leute, die können wirklich was, aber sie sitzen zu Hause“, bedauert er.

Während Mamoun Al Kusaibati schon mitten in der Ausbildung steckt, beginnt für den 30-jährigen Maheer Halkabda gerade der Einstieg ins Berufsleben. Auch er wurde über die Jobbrücke fündig. Auch er kommt aus Damaskus, kam im Dezember 2015 mit der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland. Dresden, Chemnitz, Rosenheim, Halle, Aschersleben und Magdeburg – der Weg war lang.

In seinem Alter konnte er nicht mehr zur Schule gehen. Doch dank eines Probetages konnte er nachweisen, dass er als Schweißer gearbeitet hat und sich auskennt. Er absolvierte in der Nähe von Magdeburg weitere Qualifikationen und erwarb auf diese Weise Spezialkenntnisse, mit denen er es schließlich auch zu einem Job schaffte. Der junge Familienvater hat erst kürzlich seinen Arbeitsvertrag unterschrieben – und auch er lächelt stolz, als er davon erzählt. Er schrieb zwischen 30 und 50 Bewerbungen, bis es klappte.

Auch er wundert sich über die Magdeburger Ruhe. „Die Stadt schläft immer“, sagt er. Viel Zeit, um sie zu entdecken, hat er allerdings nicht. Denn neben seinem Beruf kümmert er sich gern um seinen Sohn und um seine Frau. Die Spielplätze in seiner Umgebung kennt er daher noch am ehesten, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Das Team des Internationalen Bundes sei für ihn „eine zweite Familie geworden“.

Mazlum Bagmaci ist der jüngste der drei Männer, die die Volksstimme kennenlernen darf. 19 Jahre ist er alt, kommt ursprünglich aus der Türkei, hat sich inzwischen ganz gut in Deutschland eingelebt, wie er sagt. Schwierig für ihn ist, dass er auch drei Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland lediglich eine Aufenthaltsgestattung hat.

Sein Vorteil war, dass er noch zur Schule gehen konnte. Und auch wenn es schwierig war, die deutsche Sprache zu lernen, schaffte er doch den Hauptschulabschluss und ein Jahr später den erweiterten Realschulabschluss. Was er damit anfangen wollte, wusste er zunächst nicht so recht, hatte er doch mehr damit zu tun, sich um seine Familie zu kümmern, bei Behördengängen zu helfen, die Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.

Hinzu kam die tägliche Angst, abgeschoben zu werden. Manchmal seien morgens um 4 oder 5 Uhr Leute aus der Flüchtlingsunterkunft abgeholt und direkt abgeschoben worden. Mit diesem Hintergedanken könne man sich kaum auf einen Neuanfang und auf Integration in die neue Gesellschaft konzentrieren oder darauf, eine neue Sprache zu lernen.

Mit dieser Ungewissheit kämpfen viele derer, die nach Deutschland gekommen sind, um hier ein Leben in Sicherheit zu beginnen, weiß Elena Slavkova. Lange nachdenken konnte Mazlum Bagmaci über seinen Ausbildungsberuf nicht, sondern musste so schnell wie möglich eine Stelle finden, weil ihm die Abschiebung drohte.

Beim Biomarkt Naturata wurde er schließlich fündig und erlernt nun den Beruf des Kaufmanns im Einzelhandel. „Es macht Spaß“, erzählt er von seiner Arbeit. Die Aufgaben übernimmt er gern, „die Leute im Team sind auch gut“, und nun, da sich auch seine Familienangelegenheiten geklärt haben, hofft er, bald mehr Zeit zu haben, um Freundschaften zu knüpfen und sich ein ganz normales Leben aufzubauen.

Davon träumen viele, die nach Deutschland gekommen sind, erzählt Slavkova. Bis Juni 2019 wollen sie und ihre Kollegen noch viele weitere Menschen in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt integrieren und hoffen auf eine Verlängerung des Projektes.