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Live-Aufführung Das Theater der digitalen Welt

Das erste "Theaterhaus" im Internet hebt seinen Vorhang. Der Magdeburger Caspar Weimann macht das Netz zu seiner digitalen Bühne.

Von Michaela Schröder 19.06.2017, 01:01

Magdeburg l Per Mausklick geht es in das virtuelle Theater. Die Themen sind jung und digital. Es ginge darum, im Internet mal einen Gegenentwurf zu bringen zur kommerziellen Unterhaltungsbranche. Theater könnte das ziemlich gut, doch bisher ging kein Theater den Schritt, mal auch im Internet zu existieren. „Das machen wir jetzt. Theater zugänglich machen, kostenlos, von überall, global sogar. Im Internet eine neue Kunstform schaffen, die digitalisierte Welt mitgestalten“, erzählt Caspar Weimann. Zusammen mit seinem Schweizer Schauspielkollegen hat der Magdeburger das „onlinetheater.live“ gegründet.

Ziel des Theaters sei nicht, ein Stück auf einer Bühne zu filmen und online zu stellen. Das Team will Stücke zeigen, die extra fürs Internet konzipiert wurden, live und ohne Aufzeichnung. Nichts ist wiederholbar, man kann nicht zurückspulen. „Es ist ein Theater aus der Tastatur einer jungen Künstlergeneration für eine junge Generation. Wir erweitern die Theaterlandschaft um eine ganz neue Form“, so Caspar Weimann. Sowohl die Schauspieler als auch die Zuschauer sind nicht an einen bestimmten Ort gebunden, das Theater kann überall sein.

„Es existiert eine unausweichliche parallele digitale Welt mit eigener Sprache, eigenen Regeln und Bräuchen. Eine Welt, in der wir alle mitexistieren“, erzählt der 23-Jährige. Im Netz gebe es eine Unterhaltungs- und Konsumbranche sowie Werbeindustrie. Ein Theater gab es allerdings bislang noch nicht. Die Gruppe junger Künstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz will dies ändern und ihre Kunst in der digitalen Welt etablieren.

Seit der fünften Klasse gehört Theater zu Caspar Weimanns Leben. Der junge Schauspieler wurde 1993 in Magdeburg geboren, spielte im Jugendclub des Theaters, leitete später selbst Theaterjugendclubs, schrieb und inszenierte Stücke und leitete eine Improvisationstheatergruppe. Nach seinem Abitur am Siemensgymnasium begann er 2012 ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Rostock.

Während des Studiums wurde er aktives Mitglied der Bühne für Menschenrechte, Gast am Volkstheater Rostock und eroberte mit seinen Kommilitonen und einer freien Gruppe das Theater im Stadthafen. Nach seinen Abschluss 2016 ging Caspar Weimann auf Vorstellungsreise, schaut sich verschiedene Theaterbetriebe an, bewarb sich und musste erkennen, dass die Schauspielhäuser ihm nicht genügend Raum bieten, um sich selbst künstlerische zu entfalten. Nun ist er als freier Schauspieler unterwegs und macht das Internet zu seiner digitalen Bühne.

„Das Onlinetheater gibt mir die Möglichkeit freier in meiner Arbeit zu sein. Das Internet kennt keine Grenzen und keine Gesetze“, so der junge Künstler.

Auf dem Spielplan des Onlinetheaters: eigene fürs Internet gemachte Inszenierungen. „Wir reden von Menschen aus der Gegenwart bzw. suchen die zeitgemäßen Themen aus klassischen Stoffen und bringen sie in aktuelle Verhältnisse“, erzählt Caspar Weimann. In dieser Saison gibt es zwei Aufführungen: „Werther“ und „Follower“. Beide beschäftigen sich mit der Rolle des Menschen im digitalen Raum. „Die Zielgruppe ist das Publikum, das sich mit der Welt des Internets auseinandersetzen will oder darin nach Erlebnissen sucht“, erzählt der Schauspieler.

Das Stück „Werther“, das sich an Goethes Motiven orientiert, hat Ende Mai 2017 Premiere gefeiert. Caspar Weimann spielt darin einen jungen Mann, der unter dem Chat-Namen „Werther“ in die endlosen Weiten des Webs eintaucht. Pornografie und Gewaltexzesse sind nur einen Klick entfernt. „Werther“ zeigt sie uns. Er betet nicht Lotte an, sondern die Frauen, die sich im Internet gegen Geld ausziehen und machen was er sagt.

160 Zuschauer verfolgten die Premiere, bis das Videoportal Youtube aufgrund der gezeigten Szenen die Übertragung abbricht. „Wir waren auf Pornoportalen, haben Szenen eingespielt, die jeder im Netz abrufen kann. Menschen, die diese Bilder verbieten, ändern nichts an den Situationen, die die Bilder hervorbringen, sie wollen es nur nicht mehr sehen“, lautet das Resümee von Caspar Weimann.

Zuletzt konnte man den Schauspieler mit seinem Ein-Mann-Stück „Heribert, er liebte einst“ am 17. Juni 2017 beim Kunstfestival „Opus Aquanett“ im Wissenschaftshafen erleben.

Die nächste Vorstellung des Onlinetheaters mit Caspar Weimanns Version von Werther gibt es am Mittwoch, 5. Juli 2017. Der Livestream beginnt um 22 Uhr. Unterstützt wird das Onlinetheater durch Sponsoren und Fördergelder.