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Investition Streit um die Magdeburger Schrote

Um die Freilegung der Schrote im Norden Magdeburgs ist eine Diskussion entfacht.

Von Martin Rieß 08.10.2018, 01:01

Magdeburg l Anders als geplant hat der Stadtrat nach einer kontroversen Diskussion noch nicht über die Freilegung der Schrote im Norden der Stadt entschieden. Bei einer Bürgerversammlung soll das Projekt zunächst den Bewohnern des Stadtteils genau vorgestellt und mit ihnen über das Für und Wider gesprochen werden.

Das ist kein Pappenstiel: Für 6,57 Millionen Euro könnte die Schrote auf einer Länge von 900 Metern entlang des Neustädter Sees wieder freigelegt werden. Den größten Brocken der Investition würde mit 5,2 Millionen Euro die Europäische Union übernehmen. 920.000 Euro kämen vom Land Sachsen-Anhalt, den Rest von etwas mehr als 400.000 Euro würde die Stadt übernehmen.

Nur: Möchte die das überhaupt? Eine Vorlage der Verwaltung, das Vorhaben in Angriff zu nehmen und die Fördermittel zu beantragen, war nach einer umfangreichen Diskussion im Magdeburger Stadtrat wieder zurückgezogen worden.

Der Baubeigeordnete Dieter Scheidemann hatte zunächst für das Vorhaben geworben: Nach dem Gesetz sei die Stadt verpflichtet, Gewässer zu erhalten und zu pflegen. „Ökologisch ist das nur möglich mit freien Gewässern“, so der Dezernent. Und auch fürs Stadtklima seien freie Gewässer wichtig. Zwar befindet sich in der Nachbarschaft der Neustädter See, doch ein Fließgewässer verhalte sich völlig anders. Ein fließendes Gewässer, das naturnah gestaltet sei, könne besondere Erholungsräume schaffen, warb der Beigeordnete für das Thema.

Zwar hatte die Stadt auch für andere Stellen den Einsatz der Fördermittel geprüft – doch aufgrund der komplizierten Situation an anderen Stellen kämen die vorerst nicht infrage. „Hier wäre das Vorhaben relativ einfach umsetzbar“, sagte Dieter Scheidemann. Inwiefern für eine Freilegung der Schrote Schlafstätten von Fledermäusen verändert werden müssten, werde geprüft, sagte der Baubeigeordnete auf den Hinweis von Jürgen Canehl von den Bündnisgrünen. Abgewogen werden müsse aber auch der Vorteil für die Bewohner der Fließgewässer.

Deren Unterstützung machte Fraktionschef Olaf Meister deutlich: „Irgendwann wird eine Freilegung der Schrote ohnehin fällig. Und so günstig gibt’s das nie wieder“, sagte er mit Blick auf den hohen Zuschuss durch die EU.

Und auch die Fraktion CDU/FDP/BfM steht hinter dem Vorschlag. Christdemokrat Frank Schuster sagte: „Der Stadtrat hat beschlossen, solche Flussläufe zu öffnen. Und da die Kanaldeckel mehr als 40 Jahre alt sind, muss da irgendwann eh investiert werden.“ Dies bestätigte Dieter Scheidemann mit Blick auf den Austausch mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz.

Gegenwind gab es aus anderen Fraktionen. Und auch die Sozialdemokraten ließen ihren Oberbürgermeister in Sachen Fließgewässer auf dem Trockenen sitzen. SPD-Fraktionschef Jens Rösler sprach von einer ökologischen Mogelpackung, deren Kosten-Nutzen-Faktor fragwürdig sei. Er sagte: „Die Sohle liegt drei bis dreieinhalb Meter tiefer. Man müsste eine 14 Meter breite Schneise anlegen. Das wäre eine Gefahr für die Grünanlage.“ Röslers Fraktionskollege Marko Ehlebe berichtete davon, dass die Schrotefreilegung auch im Ortsverein Nord der Sozialdemokraten diskutiert worden sei – und dort habe es keine Befürworter für das Vorhaben gegeben.

Roland Zander von der Magdeburger Gartenpartei war auch im Viertel unterwegs und konnte während des Vor-Ort-Termins bei den Nachbarn ebenfalls keine Zustimmung ausmachen. Neben der auch von der Gartenpartei formulierten Sorge um Fledermäuse seien die Eingriffe in die Struktur des Viertels erheblich. „Da verschwindet zum Beispiel ein Rodelberg“, so Roland Zander. Bei der Gartenpartei ist sogar von einem Einschnitt von vier Metern ins Gelände die Rede.

Andrea Nowotny aus der Fraktion Die Linke/Future forderte, die Bevölkerung mitzunehmen. Und so soll es denn sein. Als Grund, die Drucksache vorerst zurückzuziehen, nannte Oberbürgermeister Lutz Trümper den Plan, in einer Bürgerversammlung noch im Oktober die Anwohner am Neustädter See darüber zu informieren, was die Freilegung der Schrote dem Viertel bringen kann.

Termin für die Bürgerinformationsveranstaltung zur möglichen Freilegung der Schrote am Neustädter See ist Montag, 22. Oktober, 18 Uhr, im Stadtteiltreff Oase in der Pablo-Neruda-Straße 11.