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Irischer Auszubildender ist im Gegenzug zu Gast im Ausbildungsbetrieb an der Berliner Chaussee Junge Tischler tauchen ein in die Kultur und die Arbeitswelt auf der Grünen Insel

Von Marina Knol 11.12.2012, 01:27

Bernd und Annette Linke beschäftigen drei Auszubildende in ihrer Tischlerei. Zwei haben ein Praktikum in einer irischen Tischlerei absolviert. Ermöglicht wurde dies vom Projekt "Internationalisierung der beruflichen Erstausbildung" beim Bildungsverbund Haustechnik.

Berliner Chaussee l Den beiden angehenden Tischlern André Nelke (40) und Henry Bode (19) leuchten die Augen, sobald sie von ihrem Auslandspraktikum in Dungannon in Nordirland berichten. Im Rahmenprogramm stand ein einwöchiger Sprachkurs in Englisch und eine dreiwöchige Ausbildung in einer Tischlerei, die auf Designküchen spezialisiert ist. "Das Unternehmen arbeitete mit großen modernen Maschinen und die irisch-britische Mentalität der Arbeiter war sehr angenehm", erzählt André Nelke begeistert und fügt hinzu: "Wir wurden sofort mit offenen Armen empfangen und in den gut strukturierten Arbeitsablauf integriert. Die Arbeit machte wirklich sehr viel Spaß."

Nicht nur André, sondern auch Henry Bode ist hoch motiviert vom Auslandspraktikum zurückgekehrt. Und das, obwohl er zu Beginn noch ein wenig gezaudert hatte: "Ich habe bis zum letzten Tag überlegt, ob ich das Praktikum machen soll. Doch ich habe mich zu meinem Glück dafür entschieden." Stolz blitzt in seinen Augen auf, während der 19-jährige Tischler von seinen Erlebnissen berichtet. "Die Gastfamilie war superfreundlich. Wir haben uns auf Anhieb wohl gefühlt". Und weiter: "Wir haben in der kurzen Zeit viel mit der Familie unternommen. Dabei haben wir viel über die irische Kultur gelernt." Die Frage, ob eine berufliche Tätigkeit im Ausland eine Option für die Zukunft wäre, bejahen beide einstimmig.

Das Resultat freut auch Firmeninhaberin Annette Linke. Gemeinsam mit Tischlermeister und Ehemann Bernd Linke hat sie 1999 das Handwerksunternehmen in der Berliner Chaussee 71 gegründet. Zwölf Mitarbeiter beschäftigt die Tischlerei seitdem. "Ich kämpfe schon seit vielen Jahren dafür, dass unsere Auszubildenden die Chance bekommen, ein Auslandspraktikum zu absolvieren. Dieses Jahr haben wir es nun geschafft, dass zwei unserer Auszubildenden die Erfahrung machen konnten." Für eine kurze Zeit haben die Nachwuchstischler die Arbeitswelt eines Handwerksbetriebes in einem ihnen bisher fremden Land kennengelernt. Die gelernte Gymnastiklehrerin weiß, wie wichtig es ist, neue Eindrücke und Impulse in die Arbeit zu bringen. "Man muss ein abwechslungsreiches Angebot und Arbeitsprogramm bieten, um Fachkräfte zu locken." Und weiter: "Es ist klar, dass das Unternehmen einen Obolus erbringen muss. Aber letztlich profitiert es davon. Denn es werden mit den gesammelten Erfahrungen und Eindrücken auch neue Impulse weitergegeben."

Die Projekte des Bildungsverbunds Handwerk (siehe Infokasten) beschränken sich dabei nicht allein auf den Auslandsaufenthalt für Azubis heimischer Unternehmen. So werden auch Praktikanten aus Unternehmen in anderen Ländern Europas nach Sachsen-Anhalt vermittelt.

Die Tischlerei Bernd Linke beschäftigt daher derzeit einen Auszubildenden aus Roscommon in Irland. Paul Murray hat von seinem dreimonatigen Praktikum den größten Teil schon bewältigt. Ihm bleiben nur noch ein paar Tage in der Tischlerei von Bernd und Annette Linke. Mit dem Abschluss des Praktikums beendet der 23-Jährige seine vierjährige Ausbildung. Eine große Hürde, denn in Irland sind die Auszubildenden nahezu auf sich allein gestellt. Die berufliche Ausbildung ist im Gegensatz zu dem Ausbildungsmodell in Deutschland phasiert und an kein Unternehmen gebunden. Paul besuchte seine Ausbildungsbetriebe und das College im Wechsel. "Im Unterschied zu einer Ausbildung in Deutschland dauert in Irland eine Schulphase bis zu 20 Wochen an", erklärt er. Und weiter: "Ein Praktikum im Ausland ist Pflicht. Aber ich arbeite hier sehr gern. Die Menschen und die Atmosphäre sind super, und die Arbeit macht mir Spaß."

In seinem Praktikum in der Tischlerei verhalf ihm Annette Linke zum Bau eines Gründerzeitsofas. Dabei beobachtet sie seinen Ehrgeiz bei der Feinarbeit am Holz. "Ich finde es faszinierend, wenn jungen Menschen ihre Tätigkeit gefällt. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass sie die Chancen nutzen und solche Erfahrungen sammeln."

Zudem sorge ein Praktikum im Ausland für einen Motivationsschub und mehr Freude an der Arbeit - auch nach der Rückkehr in die Heimat.