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Gerichtsprozess Kaum Geld im Finanzministerium

Ein Serieneinbrecher stand vor Gericht. Der 35-Jährige stieg in das Büro des Finanzministers in Magdeburg ein. Die Beute: gering.

Von Bernd Kaufholz 08.10.2016, 23:01

Magdeburg l Obwohl es niemand im Gerichtssaal aussprach – irgendwie stand das Wort „Einbrecher-König“ im Raum. Doch vielleicht ist diese nicht besonders kleidsame Krone doch um einiges zu groß für Enrico Z. Obwohl sowohl Staatsanwältin Cornelia Stöckmann als auch die Vorsitzende Richterin Martina Köneke nicht umhinkamen, die „hohe kriminelle Energie“ des Serieneinbrechers deutlich zu erwähnen.

Der 35-Jährige musste sich am Mittwoch vor den Schranken des Schöffengerichts verantworten, weil er zwischen August 2012 und August 2015 knapp zwanzigmal in Magdeburg Fenster oder Türen aufgehebelt hatte und „Brauchbares“ – zumeist Geld – mitgehen ließ.

Dabei hatte sich der gebürtige Köthener auf Behörden und Praxen spezialisiert. Laut Anklage machte er selbst vor den Arbeitsräumen von Ministern, Staatssekretären und Büroleitern keinen Halt. So hatte sich Z. im Juli 2015 durch einen Nebeneingang gewaltsam Zutritt ins Finanzministerium verschafft. Im 3. Obergeschoss hatte er unter anderem das Ministerbüro durchsucht und das Dienstzimmer des Staatssekretärs („Ich wusste nicht, dass da ein Minister arbeitet.“).

Die Beute war mager: 220 Euro aus einer Kaffeekasse, weitere 5 Euro und ein Schlüssel für die Nebenwohnung des Ministers. Auch das Ministerium für Arbeit und Soziales soll einige Monate später auf seiner Einbruchsliste gestanden haben. Im November 2015, so die Staatsanwältin, fiel ihm in der Kantine des Hauses aber nur eine leere Geldkassette in die Hände. Allerdings soll ihm ein Safe-Schlüssel, den er fand, weitergeholfen haben. Damit habe er den Geldschrank, in dem die Einnahmen lagen, geöffnet: darin 1214,66 Euro.

Nächtliche „Besuche“ bei der Oberfinanzdirektion, in mehreren Zahnarztpraxen, beim Physiotherapeuten, bei einem Personaldienstleister, der Deutschen Bahn, dem Verwaltungsgebäude auf dem Westfriedhof und dem Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung brachten allerdings nicht das, was sich der Einbrecher erhofft hatte. Die Beute überstieg kaum mehr als 2000 Euro, dazu einige Laptops, ein „Blackberry“-Smartphone, ein teurer Rucksack mit Papieren sowie ein Auto ließ er mitgehen.

Der „Seat Ibiza“ war die Beute aus einem Einbruch Ende Juli/Anfang August 2015. Z. hatte im Landesinstitut einen Generalschlüssel gefunden und danach alle Räume durchsucht. Dabei waren ihm Autoschlüssel, Papiere und Tankkarte in die Hände gefallen. „Ich wollte nur eine Spritztour machen“, sagte der Angeklagte dem Gericht. Doch ein paar Tage später war das Auto auf einem Parkplatz in Halle gefunden worden. Staatsanwältin Stöckmann: „Für eine Spritztour wohl ein bisschen zu weit.“

Enrico Z. räumte bei Prozessbeginn „90 Prozent der Taten“ ein. Lediglich die Sache mit dem Safe im Ministerium für Arbeit und Soziales und den Einbruch in die Gaststätte „Adria“ bestritt er. Im Restaurant waren im September 2013 Spirituosen und kiloweise Filets verschwunden.

Mit Blick auf die übrigen eingestandenen Straftaten stellte das Schöffengericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft diese Fälle nach Paragraf 154 Strafprozessordnung (Teileinstellung bei mehreren Taten) ein, weil diese Straftaten mit Blick auf die übrigen „nicht beträchtlich ins Gewicht“ fallen.

Der Angeklagte wurde letztlich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren – ebenso lange zur Bewährung ausgesetzt – verurteilt. Zudem muss er 100 gemeinnützige Stunden ableisten. Dabei honorierte das Gericht, dass sich Z. am 30. August 2015 selbst gestellt hatte. „Ich hatte zuvor schon zweimal bei der Polizei angerufen und wollte mich stellen, aber man hat mir wohl nicht geglaubt.“ Er habe mit seiner „Lebensbeichte“ reinen Tisch machen wollen und wohl auch so etwas wie eine Drogenpsychose gehabt, sich überall verfolgt gefühlt. „Seit einem Jahr rühre ich keine Drogen mehr an, habe gerade meinen letzten Schein als Berufskraftfahrer gemacht.“

Richterin Köneke zählte für die Habenseite auf: Keine Vorstrafen, selbst gestellt und damit das Stehen zum eigenen Fehlverhalten, das Geständnis, seit einem Jahr straffrei, kein hoher Sachschaden („Aber das ist nicht Ihr Verdienst. Allerdings haben Sie sich ja Räume ausgesucht, bei denen von vornherein zu erwarten war, dass dort keine Reichtümer aufbewahrt werden.“). Ebenso wie Staatsanwältin Stöckmann hob sie hervor, dass der Angeklagte nicht in den privatesten Bereich eines Menschen – die Wohnung – eingebrochen sei. „Sie haben eine günstige Sozialprognose. Nutzen Sie die.“