Ausstellung Künstlerische Entblößung in Magdeburger Galerie
Luis Toledo, Bremer Künstler und Meisterschüler, hat die Buckauer Kunstwerkstatt mit seinen Arbeiten tapeziert. Mit einer räumlichen Grafikinstallation verleiht er seiner künstlerischen Emanzipation Ausdruck. Da die Ausstellung auf Grund des coronabedingten Lockdowns nur bedingt zugänglich war, wurde sie nun bis zum 5. Juni 2021 verlängert.

Magdeburg - Anfang und Ende sucht das Auge vergebens. Die Linien unzähliger, grotesker Figuren gehen ineinander über; das Auge der einen wird zum Ohr der anderen. Sie streiten in ihrer Skurrilität um die Aufmerksamkeit des Betrachters, sie gehen in den Dialog miteinander und ringen um den Weg ins Bewusstsein. Entziehen kann man sich ihnen nicht, vielmehr haben sie etwas Aufdringliches. Es sind an die Hundert, die von den Wänden der Kunstwerkstatt blicken, sie füllen den Raum vom Sockel bis zur Decke.
Erschaffen wurden sie von Luis Toledo, einem Bremer Künstler und Meisterschüler. Die Figuren speisen sich aus verschiedensten Begegnungen und seien Ausdruck sowohl seiner künstlerischen als auch persönlichen Emanzipation. Sie zeugen von nachhaltigen Eindrücken, die die Bilder des Malers Hieronymus Bosch bereits als Kind auf ihn hatten. Seine Bücher seien voller skurriler Figuren gewesen. Als Kind gehe man da wertfrei ran, frage nicht, warum das so ist, erklärt er.
Diese Wertfreiheit wolle er auch in seinen Bildern umsetzen. Er setze auf die kindliche Reduzierung, die im Gegenzug zur Komplexität des Gesamtbildes steht. Und das Gesamtbild umfasst die komplette Ausstellungsfläche. Denn seine Arbeiten präsentiert der 36-Jährige nicht gerahmt und gehangen, sondern als Tapete.
Raus aus der Introvertiertheit des Zeichnens
Seinen Figuren ein Großformat und so viel Raum zu geben, sie derart in die Öffentlichkeit zu entlassen, käme einer Entblößung gleich, erzählt er. Das Zeichnen sei für Toledo etwas Introvertiertes, etwas sehr Intimes. Einen Blick in sein Skizzenbuch gewährt er nur wenigen. Für eine vorangegangene Ausstellung kam er bereits aus der Verdeckung, entließ die Figuren aus dem Skizzenbuch als Siebdruck aufs A3-Format. „Ich habe gesehen, dass sich ein anderes Gefühl entwickelt“, erzählt er. In Magdeburg ging er mit einem Stipendium im Rücken nun einen Schritt weiter und ließ Tapeten drucken. Das Gefühl, das sich nun einstelle, sei mit keinem vorherigen vergleichbar.
Er selbst sehe Figuren, die im Zeichenprozess scheinbar unbewusst entstanden. „Da sind zwei Figuren inspiriert von Otto Dix, ich habe aber keine Ahnung, wo das Pferd daneben herkommt.“ Damit ist der Künstler seinem eigenen Anspruch, sich selbst zu überraschen, gerecht geworden. Toledo setzt auf Formfreiheit. In einem seiner ersten Werke, das in der Galerie aufgrund einer mitunter pornografischen Perspektive gesondert ausgestellt ist, reduziert er auf den Akt und Genitalien. Er entmenschlicht. Gedeutet werden könne dies als Aufstieg zur sexuellen Befreiung oder aber als Abstieg der Gesellschaft, sagt er. Eine Erklärung falle schwer und liege im Auge des Betrachters, aber: „Da, wo Sprache versagt, wo ich mit Sprache nicht weiterkomme, da fängt Kunst für mich an.“
Konträres miteinander vereinbaren
Luis Toledo mag die Konfrontation, mag es, wenn Dinge aufeinanderprallen. Unkonventionell und überraschend, so wie seine Motive sind, so wie er auch Magdeburg sieht. „Dinge, bei denen du denkst, die gehen nicht zusammen, die gehen in dieser Stadt zusammen“, sagt er. Da sind Gründerzeitbauten, neben den 60er-Jahren, da sind Gotik und Renaissance, Industriegebäude, Reihenhäuser - und das alles prallt auf sehr gute Graffiti. Ein Spannungsfeld, das er in Berlin und Leipzig vermisse. „Diese Stadt ist für mich eine Skulpturensammlung“, sagt er. Und es sei eine Stadt, in der die Mentalität und Solidarität eine andere ist. Man sei ihm mit Offenheit, mit so viel Zuspruch und Vertrauen begegnet. Insbesondere in der Kunstwerkstatt, in der eigens für seine Ausstellung die alte Tapete entfernt und gemalert wurde.
Die Ausstellung „Luis Toledo – Too late to“ ist bis zum 5. Juni 2021 in der Galerie „Kunstwerkstatt“ im Buckauer Engpass, Schönebecker Straße 25, zu den Öffnungszeiten freitags 16 bis 20 Uhr und sonnabends 13 bis 15 Uhr, zu sehen. Weitere Termine sind nach vorheriger Anmeldung unter der Telefonnummer 0174/146?01?19 möglich.