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Außergewöhnliche Reise Magdeburger fährt mit dem Rad nach Indien

Jakob Nößler hat sich mit nur 19 Jahren auf eine lange Reise gewagt: Er allein auf seinem Fahrrad von Berlin bis nach Indien. Nun hat der inzwischen 25-Jährige ein Buch über seine Fahrradtour geschrieben. In „Fahrradindianer“ berichtet er von Höhen und Tiefen, prägenden Momenten und großen Herausforderungen.

Von Juliane Starkloff 13.06.2021, 00:00
Im Alter von 19 Jahren machte sich Jakob Nößler als ?Fahrradindianer? allein auf den Weg nach Indien. Ausgebaute Radwege waren auf dieser Reise eher die Seltenheit.
Im Alter von 19 Jahren machte sich Jakob Nößler als ?Fahrradindianer? allein auf den Weg nach Indien. Ausgebaute Radwege waren auf dieser Reise eher die Seltenheit. Fotos: Jakob Nößler

Magdeburg - Jakob Nößler arbeitet als Ingenieur bei der Getec Green Energy. Dort plant der 25-Jährige beispielsweise Wind- und Solarparks für erneuerbare Energien. Das Masterstudium zog den Berliner nach Magdeburg – die Stadt und die Menschen haben ihn hier gehalten. Doch vorher wagte er eine Reise, die verrückter nicht klingen könnte: 2015 fährt er mit dem Fahrrad von Berlin bis nach Bangalore, Indien. 13 Länder in 120 Tagen. Und das mit gerade einmal 19 Jahren. Mit dabei nur vier Packtaschen, ein Handy mit Karten, ein Zelt, eine Isomatte und ein Ziel vor Augen: Indien, ein Land, das ihn schon lange begeistert.

Nößlers Eltern seien zunächst zwar nicht von seinen Plänen begeistert gewesen, gewöhnten sich aber schnell dran und unterstützten ihn. Trainiert hat er für die Radtour nicht. „Man muss einfach so viele Kilometer fahren, wie es einem Spaß macht“, erzählt er. Nach kurzer Planung stieg er auf den Sattel und fuhr los. Zwar lebt er heute in einer Beziehung, damals hatte er aber noch keine Freundin und konnte im Bachelorstudium ein Urlaubssemester einlegen. „Das war unkompliziert“, erinnert er sich. Etwas Geld hat er sich durch Nebenjobs zusammengespart, der Rest finanziert sich von selbst. „Ich hatte mein Zelt dabei und zum Essen wurde ich häufig eingeladen“, erzählt er.

Die Reise bescherte ihm viele unvergessliche Momente. Besonders die Gastfreundschaft in den Ländern begeistert Nößler. „Mein Bild vom Iran war durch die deutschen Medien von Bildern von Anschlägen geprägt. Als ich in dem Land war, war das eine komplett andere Welt. Das war eine Gastfreundschaft, die man sich gar nicht vorstellen kann. Ich war jeden Abend in iranischen Wohnzimmern eingeladen und habe da richtig tolle Leute kennengelernt.“

8500 Kilometer legte er mit dem Fahrrad zurück. Alles mit ein und demselben Rad, das schon jede Reise mit ihm durchgestanden hat. Er hat es liebevoll Laika getauft. „Man hat immer mal einen Platten, etwa alle 500 Kilometer muss man die Reifen tauschen“, erzählt er.

„Daumen hoch“ ist im Iran eine schlimme Beleidigung

In jedem Land traf er auf neue Menschen, andere Kulturen und Sprachen. Mit Englisch und seinen Händen und Füßen konnte er sich überall gut verständigen. „Ein Lächeln ist sowieso das Universellste auf der Welt“, ist er sich sicher. Allerdings können vermeintlich universelle Zeichen auch schnell zu einem Fettnäpfchen werden. Nößler erinnert sich an einen sehr prägenden Moment. „Ich habe immer den Daumen hoch als Zeichen für das Essen ist lecker oder mir geht es gut gegeben. Im Iran ist das die schlimmste Beleidigung, die man zeigen kann. Das ist wie ein Mittelfinger bei uns.“

Das Zeichen gewöhnte er sich also schnell ab.

Die gefährlichste Situation hat Nößler in Indien, als er zusammengeschlagen wird. „Ich war alleine und musste erstmal verstehen, was da gerade passiert ist.“ Aber er lässt sich nicht unterkriegen.

Es überwogen die schönen Momente seiner Reise. „Das Witzigste war im Iran. Die Menschen wirken zunächst schüchtern. Dann fährt man mit ihnen im Auto und sie fangen aus vollem Rohr an zu singen und tanzen zu der arabischen Musik.“ Ebenso lernt er eindrucksvolle Menschen kennen. Eine iranische Frau inspiriert ihn sehr. „Dort haben Frauen eine andere Stellung als hier. Sie war anders. Sie hat mich direkt mit einem Händedruck begrüßt, was man eigentlich nicht macht im Iran.“ Die Frau leitet ihr eigenes Unternehmen und hat sich nicht davon unterkriegen lassen, keinerlei Unterstützung aus ihrem Umfeld zu bekommen. Ihre Zielstrebigkeit motiviert Nößler, auch seine Pläne weiter durchzuziehen.

Von fünf Euro am Tag gelebt

Eine so lange Fahrradtour führt nicht nur an schönen Flüssen und grüner Natur entlang, manchmal ist die Autobahn der einzig mögliche Weg. In Istanbul überquert Nößler auch mal eine achtspurige Straße. „Ich habe mich gefühlt wie eine kleine Maus, die zwischen einer rennenden Elefantenherde probiert durchzukommen. Dann habe ich einfach laut vor mich her gesungen, weil man dann weniger Angst hat.“ Was nach einer mutigen und gefährlichen Reise klingt, ist für Nößler vor allem eins: die schönste Zeit seines Lebens. Mit kräftiger Stimme und stets einem Lächeln auf den Lippen schwärmt er von den unzähligen Eindrücken, an die er sich auch sechs Jahre nach der Reise erinnert. „Ich habe mich so lebendig gefühlt und habe jeden Tag genossen. Ich habe mit fünf Euro am Tag gelebt, habe auf einer Isomatte im Zelt geschlafen und alles, was ich in der Zeit besaß, hat in vier Packtaschen gepasst. Ich habe gemerkt, dass man nicht viel braucht, um glücklich zu sein.“

Der Wahlmagdeburger fährt jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit, ganz egal, ob bei 20 Zentimeter Schnee oder 30 Grad und Sonnenschein. Er wünscht sich, dass es ihm viel mehr Menschen gleichtun würden, denn es ist nicht nur gut für die Umwelt, es stärkt auch die eigene Gesundheit. Mit einem Augenzwinkern scherzt Nößler, dass die Menschen lieber im Berufsverkehr mit dem Auto zur Arbeit fahren, nur um dann am Nachmittag in ein Fitnessstudio zu gehen, anstatt den Arbeitsweg sportlich zu nutzen. Dafür wünscht er sich allerdings auch mehr Radwege und Grünflächen. „Manchmal stelle ich mir vor, alles was jetzt Autos sind, wären Bäume, Hecken, Grünstreifen mit Bänken. Wie anders ein ganzes Viertel aussehen könnte, wenn man nicht auf jeder Straßenseite zwei Meter für Autos weggibt. Dafür will ich kämpfen!“

Mit seinem Buch „Fahrradindianer“ will er zeigen, welche Strecken man mit dem Fahrrad zurücklegen kann und so andere motivieren, sich auch auf den Sattel zu schwingen. Auf seiner Website velo-art.de kann das Buch für 15 Euro erworben werden. Für die Zeit nach der Corona-Pandemie hat Nößler schon die nächste Fahrradtour in Planung: Es soll nach Afrika gehen.

Jakob Nößler hat sich auf eine lange Reise gewagt: Allein ist er nach Indien gefahren. Darüber hat der 25-Jährige ein Buch  geschrieben.
Jakob Nößler hat sich auf eine lange Reise gewagt: Allein ist er nach Indien gefahren. Darüber hat der 25-Jährige ein Buch geschrieben.
Foto: Nößler
13 Länder in 120 Tagen:  Das Buch über die Reise hält viele Anekdoten aus den Ländern, die Jakob Nößler durchquerte, bereit.
13 Länder in 120 Tagen: Das Buch über die Reise hält viele Anekdoten aus den Ländern, die Jakob Nößler durchquerte, bereit.
Grafik: Nößler