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Homeschooling Magdeburger Professorin befragt Eltern

Wie belastet sind Eltern von Grundschulkindern vom Homeschooling? Das hat eine Magdeburger Professorin jetzt beleuchtet.

Von Ivar Lüthe 08.05.2020, 11:17

Magdeburg l Immer wieder las und hörte Prof. Dr. Raphaela Porsch zu Beginn der Schulschließungen in der Corona-Krise, dass Eltern mit dem Homeschooling überfordert und stark belastet seien. Mit dieser pauschalen Aussage wollte sich die Erziehungswissenschaftlerin der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität nicht zufrieden geben, wie sie im Volksstimme-Gespräch sagte. Sie startete eine Online-Umfrage, in der die Folgen und Belastungen von Eltern von Grundschulkindern durch das landesweite Homeschooling untersucht werden sollten. Vier Wochen – von Ende März bis Ende April 2020 – konnten Eltern von Grundschulkindern daran teilnehmen. Die Befragung ist beendet, eine erste Zwischenauswertung liegt vor.

3995 vollständige Datensätze flossen in die Studie ein. Eltern – sehr viel mehr Frauen als Männer – aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligten sich an der Befragung, 754 davon aus Sachsen-Anhalt. Die Ergebnisse erlauben einen Einblick, wie unterschiedlich die Angebote der Schulen und auch das Empfinden der Eltern sind. Und sie zeigen: Die pauschale Aussage, dass Eltern durch Homeschooling belastet sind, sei so nicht korrekt. „Über alle Befragten hinweg – von sehr bis wenig belastet – ist die Gruppe der Eltern in mittlerer Höhe belastet“, so Raphaela Porsch.

Ein Blick in die Ergebnisse der Befragung: Fast alle Grundschulen stellen den Schülerinnen und Schülern Aufgaben in den Fächern Mathematik und Deutsch zur Verfügung. Knapp 66 Prozent auch im Sachunterricht. Andere Fächer der Grundschule werden eher zurückgestellt. Bei der Verteilung der Aufgaben bedienen sich die Lehrkräfte unterschiedlicher Wege. Eine Hälfte nutzt den Versand von E-Mails als Kontaktweg, knapp 15 Prozent verteilen die Aufgaben in Schriftform, bei anderen ist es eine Mischung aus verschiedenen Kontaktwegen von Handy über die Schulhomepage.

Die Bearbeitung der Aufgaben bindet die Kinder etwa zwei bis drei Stunden pro Tag. Dabei übernimmt die Hälfte der Befragten die Betreuung des Homeschoolings allein, die andere Hälfte teilt sich die Aufgabe mit dem Partner beziehungsweise der Partnerin. Auffallend dabei ist, dass 27,6 Prozent der Eltern angaben, neben der Übersendung von Aufgaben keine weitere Unterstützung von den Schulen zu erhalten, so Raphaela Porsch.

62,6 Prozent verfügen zumindest über die Kontaktdaten der Lehrkräfte und könnten im Zweifelsfall nachfragen. Knapp die Hälfte (48,3 Prozent)der Befragten gab an, dass sie keinen persönlichen Kontakt zur Klassenlehrkraft habe. 1483 Befragte (37,1 Prozent) nannten als Kontakthäufigkeit „einmal pro Woche“ und 584 der befragten Eltern haben häufiger Kontakt (14,6 Prozent). Nur knapp zwei Prozent der Grundschulkinder erhalten synchrone Unterstützungsangebote durch die Lehrkräfte beispielsweise durch Videochat. An der Technikausstattung liegt es dabei anscheinend nicht. Fast alle Eltern verfügen zu Hause über internetfähige Geräte.

Eltern erleben die Situation unterschiedlich. Belastung, Angst aber auch Begeisterung beim Homeschooling zeigt sich in der Befragung in allen Ausprägungen. Spannend für die Forscherin der Universität Magdeburg sei gewesen: Nicht alle Eltern sind gestresst. Ob sich Eltern gestresst fühlen, hängt von der Unterstützung der Schule, der eigenen Kompetenzeinschätzung und der Situation zu Hause wie der Anzahl der schulpflichtigen Kinder und der Arbeitssituation ab. Ist die Unterstützung der Schule gut und haben die Eltern das Gefühl, den Kindern auch selbst etwas beibringen zu können, ist die Belastung deutlich niedriger – und das unabhängig von der häuslichen Situation.

Eltern, die meinen, dass sie selbst hohe Kompetenzen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht besitzen, macht Homeschooling auch Spaß – unabhängig davon, welches Angebot die Schulen dazu machen. Weniger Angst in dieser Situation empfinden vor allem Eltern mit einem hohen Bildungshintergrund.

„Die Befragung hat uns gezeigt, dass – aus Sicht der Eltern – es noch Potenzial bei der Betreuung durch die Schulen gibt. Das muss nicht die Videokonferenz sein, sondern da reicht auch ein Anruf“, sagt Raphaela Porsch. „Homeschooling kann mit weniger Belastung funktionieren. Dazu müssen Schulen die Eltern angemessen unterstützen und nicht nur Aufgaben ausgeben. Eltern brauchen handhabbare Konzepte, mit denen sie ihre Kinder anleiten können, dann macht das Eltern auch weniger Stress“, resümiert die Erziehungswissenschaftlerin. Direkte Interaktion zwischen Eltern und Schule zum Lernen habe es in dieser Zeit kaum gegeben, obwohl es viele Kontaktwege gibt, um einen solchen Austausch gestalten zu können – und mehr und regelmäßiger Kontakt von vielen Eltern gewünscht werde, so Raphaela Porsch.

Berücksichtigt werden müsse jedoch auch, dass die Schulschließungen und damit das Homeschooling ohne mögliche Vorbereitung und für beide Seiten überraschend gekommen seien. Sowohl Schulen als auch Eltern haben zunächst lernen müssen, damit umzugehen. Im Vorteil seien sicherlich Schulen gewesen, die bereits vor den Schließungen technisch gut ausgerüstet waren beziehungsweise etwa mit Wochenarbeitsplänen gearbeitet haben.

„Die Befragung liefert zunächst Daten. Sie können eine Hilfestellung für Entscheidungsträger sein und gegebenenfalls einen Impuls für künftige Lernstrukturen geben“, sagt Raphaela Porsch. Die fast 4000 vollständigen Datensätze werden noch weiter gründlich ausgewertet. Aber schon denkt die Magdeburger Professorin weiter. Sie plant eine Anschlussbefragung zum Thema „Was hat sich aus Sicht von Eltern an den Schulen verändert?“. Doch dafür muss noch etwas Zeit vergehen. „Vielleicht starten wir nach den Sommerferien“, sagt Raphaela Porsch.