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Kunst als Zeitgeschichte Magdeburger retten historische Reliefs von Plattenbauten

Beim Aufbau der Plattenbausiedlung Neu-Olvenstedt vor 40 Jahren ist die Kunst am Bau ein wichtiges Element gewesen. Drei Zeitzeugen Magdeburger Stadtteilgeschichte wurden gerettet.

Von Marco Papritz Aktualisiert: 22.4.2021, 10:54
Jörg Stöcker, Bauleiter der Wohnungsgenossenschaft, hat sich für die Restaurierung der Hauszeichen eingesetzt. Sie zieren nicht  nur den Eingangsbereich zu den Konferenzräumen der Geschäftsstelle, sie sind auch deren Namensgeber.
Jörg Stöcker, Bauleiter der Wohnungsgenossenschaft, hat sich für die Restaurierung der Hauszeichen eingesetzt. Sie zieren nicht nur den Eingangsbereich zu den Konferenzräumen der Geschäftsstelle, sie sind auch deren Namensgeber. Foto: Marco Papritz

Magdeburg. „Ich wusste damals, dass wir irgendwann einmal einen schönen Platz für sie finden“, ist Jörg Stöcker sichtlich stolz. Der Bauleiter der Wohnungsgenossenschaft hatte die Hauszeichen beim Abriss der Wohnquartiere „Gorki“, „Fliederhof“ und „Waldhof“ an der Johannes-Göderitz-Straße und Hans-Grade-Straße in Magdeburg zwischen 2011 und 2012 vor den Baggern und damit der Zerstörung gesichert. Die Zeit sowie die Witterungsbedingungen hatten den etwa 60 mal 60 Zentimeter großen Reliefs aus Beton arg zugesetzt, wie sich beim Sichten im vergangenen Jahr zeigte – das Hauszeichen „Waldhof“ war nun knapp zehn Jahre nach dem Aus des Häuserzuges in sich gebrochen und Zierelemente fehlten.

Bewohnern identifizieren sich mit Reliefs

Für Jörg Stöcker sei es ein Zeichen des Respekts den Künstlern gegenüber, die Kunstwerke zu erhalten. „Über viele Jahre haben sich die Bewohner der Quartiere mit ihnen identifiziert“, so Stöcker. Denn jedes Element griff den Namen der für Neu-Olvenstedt typischen Wohnhöfe auf, die ab dem Baustart zu Beginn 1981 entstanden. An ihrem neuen Platz in der Stadtfelder-Geschäftsstelle an der Peter-Paul-Straße zieren sie nicht nur den Eingangsbereich zu den Konferenzräumen, sie sind auch deren Namensgeber.

2003 hatten die Stadtfelder damit begonnen, den Wohnungsbestand in Neu-Olvenstedt als Folge des Leerstandes zu verkleinern. Wie andere Anbieter von Wohnraum in der für 40.000 Bewohner geplanten Großsiedlung im Westen der Stadt übrigens auch: mit Abrissen als drastischstes Element. „Das tat sehr weh, denn die Wohnhäuser hatten noch kein Alter“, wie Stadtfelder-Vorstand Jens Schneider darauf verweist, dass die Mehrgeschosser im Stile des industriellen Wohnungsbaus (auch despektierlich „Plattenbau“ genannt), die seit der Entwicklung der Großsiedlung das Bild in Neu-Olvenstedt prägen, damals gerade einmal etwas mehr als 20 Jahre alt waren. Der wirtschaftliche Druck – leerstehende Immobilien verursachen Kosten wie Grundsteuer, Heizkosten sowie Versicherungsbeiträge, um Beispiele zu nennen – führte schließlich zu der Entscheidung, die sich laut Schneider im Rückblick als richtig und wichtig erwiesen hat: „Dies war die Grundlage dafür, dass sich die Genossenschaft wirtschaftlich gut aufstellen und einige Großprojekte realisieren konnte.“

Erinnerung an Stadtteilgeschichte

Im Vergleich zum Neubau, der unweit der Geschäftsstelle errichtet und vor wenigen Wochen von den ersten Bewohnern bezogen wurde, ist die Hauszeichenrestaurierung, die auf Initiative von Jörg Stöcker beauftragt wurde, ein Miniprojekt. Der Genossenschaft aber sehr wichtig, wie Jens Schneider betont: „Sie sind Zeitzeugen und eine Erinnerung an die Quartiere, in denen eine Vielzahl von Bewohnern gelebt haben. Unsere Mitgliedervertreter freuen sich sehr, dass die Hauszeichen gerettet wurden.“ Außerdem werde damit eine Erinnerung an die abgerissenen Quartiere bewahrt. Um über die Herkunft zu informieren, sollen noch kleine Tafeln mit Hinweisen erstellt werden. Übrigens: Jens Schneider hat Ende der 1980er Jahre am Bruno-Beye-Ring gewohnt. Der Block steht heute noch.