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Markt am Dom Töpferhandwerk in der Krise

80 Aussteller präsentieren ihre Töpferwaren auf dem Magdeburger Domplatz. Allerdings: Nur zwei Aussteller kommen aus Magdeburg.

Von Karolin Aertel 03.08.2019, 01:01

Magdeburg l Es ist ein Jahrhunderte altes Handwerk, das Kunst und Handarbeit vereint. Und es ist ein Handwerk, das – wie so viele – große Nachwuchssorgen hat. Zuletzt habe 2018 eine junge Frau im Harz ihre Lehre beendet, erklärt Romy Meseberg von der Handwerkskammer. 2017 seien es zwei Lehrlinge gewesen. Im Jahr zuvor hat immerhin eine Auszubildende in der Altmark ihre Lehre abgeschlossen.

Momentan gibt es im Bezirk der Handwerkskammer Magdeburg keinen Auszubildenden, der das Keramikerhandwerk erlernt.

Warum der Beruf für die Jugend unattraktiv geworden ist? „Es ist schwer, sein Geld damit zu verdienen“, weiß Karina Paschke. Die 46-Jährige ist selbst Quereinsteigerin – war zuvor Kinderkrankenschwester – hat sich aber gegen eine fundierte Ausbildung entschieden. (Zeit-)Kosten und Nutzen standen für sie in keinem Verhältnis. Gelernt habe sie trotzdem, ließ sich vier Jahre von der Magdeburgerin Dorothea Weber alles zeigen. Vor fünf Jahren eröffnete sie selbst einen Laden in der Gellertstraße in Stadtfeld. In diesem wird jedoch weniger verkauft, als viel mehr selbst gefertigt. Karina Paschke verdient ihr Geld mit Workshops. „Die ersten Jahre bin ich auch auf Märkte gefahren. Der Aufwand ist allerdings enorm. Die Sachen müssen vorher angefertigt werden, dann wird alles eingepackt, wieder ausgepackt, man steht den ganzen Tag, um alles wieder einzupacken und wieder auszupacken.“ Zwar habe sie sich nicht über Umsätze beklagen können, allerdings rufe sie auch nicht dieselben Preise auf wie Töpfermeister. Material, Stundenlohn ... Da kann eine Tasse schon mal 20 Euro kosten. Wenige sind bereit, das zu bezahlen. „Nur diejenigen, die selbst schon mal getöpfert haben, wissen, wie viel Arbeit darin steckt.“

Sie könne die Sorgen der Töpfer verstehen, dass der Trend zum Selbermachen zum Problem für die Zunft wird. Manche holen sich auf den Märkten ihre Ideen und setzen sie in Workshopangeboten um.

In ihrer Werkstatt bietet Karina Paschke täglich Kurse an. „Die Nachfrage ist enorm“, sagt sie. Sie sei komplett ausgebucht, habe es innerhalb von anderthalb Jahren vom Kleingewerbe zum Gewerbe geschafft. Es seien vor allem Menschen mit Stress- und Burn-out-Symptomen, die zu ihr kommen. Aber auch viele Ü70-Damen, die sich zum Klönen treffen und dabei produktiv sein wollen.

Drei Brennöfen hat Karina Paschke, um die Arbeiten zu festigen. Allerdings arbeitet sie nicht an der Drehscheibe. „Ich bräuchte mindestens zehn Scheiben für meine Kursteilnehmer.“ Zudem sei das Arbeiten an der Scheibe sehr schwierig und körperlich anstrengend. Schulter- und Rückenprobleme gelten qusi als „Berufskrankheit“. Dennoch will sie sich in diesem Jahr besser „an der Scheibe“ ausbilden lassen.

Eine der wenigen, die noch an der Drehscheibe arbeiten und Becher, Küge, Vasen darauf hochzieht, ist Jana Neumann. Sie wird als eine von zwei Magdeburgern auf dem heutigen Töpfermarkt vertreten sein. Und sie ist auch eine der wenigen, die eine fundierte Ausbildung als Keramikerin hat. Abgeschlossen hat sie diese jedoch in Landshut.

Hierzulande habe in den letzten Jahren nur das Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt Keramiker ausgebildet. Außerhalb von Magdeburg gibt es nur noch zwei Keramikermeister, die regelmäßig ausbilden, weiß Romy Meseberg von der Handwerkskammer. Die Ausbildung im Handwerk erfolge im dualen System, d. h. im Betrieb und in der Berufsschule. Leider befinde sich die zuständige Berufsschule jedoch in Rheinland-Pfalz (Höhr-Grenzhausen).

6. Töpfermarkt: Am 3. August 2019, 10.30 Uhr bis 18 Uhr und am 4. August,  10.30 bis 17 Uhr auf dem Magdeburger Domplatz. Vorführung im „Blinddrehen“ heute und morgen jeweils 13 und 15 Uhr an einer über 100 Jahre alten historischen Töpferscheibe.