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MuttermilchFlüssiges Gold für Frühchen

Die Universitätsfrauenklinik Magdeburg sucht Mütter, die ihre überschüssige Milch spenden wollen.

Von Christina Bendigs 07.03.2017, 00:01

Magdeburg l Muttermilch ist das Beste fürs Neugeborene, weiß Dr. Ralf Böttger vom Frühgeborenenzentrum. Für seine jungen Patienten in der Universitätsfrauenklinik würde er sich deshalb wünschen, dass alle Muttermilch bekommen könnten. Denn sie fördere das Wachstum und die Entwicklung des Kindes.

Doch nicht alle Mütter können aus unterschiedlichen Gründen stillen. Umso größer ist das Interesse des Arztes, dass Mütter, die mehr Milch haben, als ihr eigenes Kind trinken kann, die überschüssige Milch spenden. Von „flüssigem Gold“ wird auf der Internetseite der Magdeburger Frauenmilchbank gesprochen.

Ab 200 Milliliter überschüssiger Milch täglich rentiere sich der Aufwand. Allerdings sollten die Kinder der Spenderinnen nicht älter als ein halbes Jahr sein, weil sich die Zusammensetzung der Milch entsprechend des Alters eines Säuglings verändert und die Milch nicht mehr für Neugeborene und im Speziellen für Frühgeborene geeignet ist.

"In diesem Jahr haben bisher drei Frauen Milch gespendet. Das sind im Vergleich zu den Vorjahren weniger", berichtet Schwester Angelika Sauerbier, die in der Milchküche arbeitet und täglich zwischen 300 und 400 Fläschchen Milch für Säuglinge vorbereitet – nicht nur für jene in Obhut der Frauenklinik, sondern für alle Säuglinge auf allen Stationen der Uniklinik.

Wer Muttermilch spenden möchte, kann sich in der Milchküche melden, erhält ein Beratungsgespräch und gibt eine erste Milchprobe ab, die wie jede weitere im Labor zunächst einmal auf ihre Unbedenklichkeit geprüft wird. Ist die Milch in Ordnung, kann die Frau spenden, wenn nicht, erhält sie noch einmal ein Beratungsgespräch, was beim Abpumpen der überschüssigen Milch zu beachten ist.

Bis die Milch tatsächlich zum Einsatz kommt, kann es eine Weile dauern. Deshalb wird sie eingefroren aufbewahrt. In einem Raum der Milchküche stehen mehrere Kühlschränke, in denen die Milch in Fläschchen tiefgefroren aufbewahrt wird. Erst wenn sie wirklich gebraucht wird, wird sie aufgetaut.

Von jeder Milchspende nehmen Angelika Sauerbier oder ihre Kollegin eine Probe und schicken sie ins Labor, damit sie auf ihren Zustand untersucht wird. Gegebenenfalls wird die Milch pasteurisiert, ehe sie einem Säugling gegeben wird, also erhitzt, damit eventuell vorhandene Keime abgetötet werden.

Wenn die Qualität der Milch nicht stimmt, kann das Team der Milchküche sie nicht verwenden. Denn die Frühgeborenen, für die die Milch hauptsächlich gedacht ist, sollen keinem Risiko ausgesetzt werden.

Zwischen 20 und 30 Liter geben die Spenderinnen im Schnitt ab. Aber es gab auch schon Frauen, die deutlich mehr Milch hatten. Absolute Spitzenreiterin war 2014 eine Frau, die 114  Liter Muttermilch spendete.

Die Zahl der Spenderinnen ist gleich geblieben, doch die Anzahl der gespendeten Liter ist rückläufig, berichtet Angelika Sauerbier, die schon etwas besorgt in den Kühlschrank mit den Vorräten blickt. Bislang haben in diesem Jahr drei Frauen Milch gespendet – weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. 2014 wurden 333 Liter Milch gespendet, 2015 waren es 300 Liter und 2016 270 Liter.

Einen kleinen Anreiz gibt es auch. Denn je gespendeten Liter Milch bekommen die Frauen sieben Euro als Aufwandsentschädigung. Der Aufwand sei schließlich auch nicht ganz ohne, sagt Sauerbier. Denn die Milch muss zu Hause abgepumpt und dann in die Universitätsfrauenklinik an der Gerhart-Hauptmann-Straße gebracht werden. „Für eine Mutti mit Neugeborenem ist das schon nicht ohne“, sagt Angelika Sauerbier.

Einen ziemlich großen Aufwand haben aber auch die Schwestern der Milchküche. Denn sie müssen genau dokumentieren, welche Milch von welcher Spenderin an welches Kind weitergegeben wird, sie müssen Befunde ausdrucken und einschätzen, ehe sie die Milch weiterverarbeiten können, gegebenenfalls noch Oberarzt Dr. Ralf Böttger zurate ziehen. Gegenüber den Empfängern der Spendermilch bleiben die Spenderinnen anonym.

Und es ist nicht nur die Spendermilch, die in der Milchküche abgefüllt wird, sondern auch die Muttermilch von Frauen für deren eigenes Kind und Babymilch, die in der Milchküche auch gekocht wird. Mehrere Herde, etliche Töpfe und Kannen, aber auch Messbecher gehören zum Arbeitsmaterial der Schwestern. Und wenn die Milch zubereitet und verteilt wurde, muss die Küche auf Hochglanz gebracht werden, gebrauchte Fläschchen werden in einem speziellen Geschirrspüler gereinigt. Gegen 14 Uhr endet der Dienst.

Dr. Ralf Böttger findet, dass sich der Aufwand lohnt. Schließlich kommt es den Kindern zugute, für die Muttermilch immer noch das Beste sei, denn selbst eine gute Babymilch aus dem Handel kann nicht all jene Stoffe bieten, die die Muttermilch beinhaltet.

In Deutschland gibt es derzeit 15 offizielle Frauenmilchbanken. Der Trend zu Milchbanken nimmt wieder zu. Die erste Frauenmilchsammelstelle Europas wurde 1909 in Wien gegründet, die erste Deutschlands entstand 1919 in Magdeburg. Die Kinderärztin Marie-Elisa Kayser gründete sie. Das Modell machte Schule. In den 1930er Jahren entstanden in fast allen deutschen Großstädten Frauenmilchbanken.