Ein Stadtteilrundgang der anderen Art mit Leipziger Spaziergangsforscher Nachhilfe für "Nachwuchspromenierer"
Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar zeigte beim "Talk Walk" bekannte
und weniger bekannte Seiten der Alten Neustadt. Häufigster Satz der
"Mitpromenierer": "Hier war ich noch nie."
Magdeburg l Einen recht ungewöhnlichen Anblick erlebten die Alte Neustädter am Sonnabendnachmittag. Eine gut 40-köpfige Gruppe marschierte im Gänsemarsch vom Bahnhof Neustadt aus über die Trampelpfade durch den Stadtteil. Angeführt von einem Herrn mit krausem Haar und tragbarem Lautsprecher, aus dem laute Musik ertönte. Promenadologe Bertram Weisshaar, seines Zeichens studierter Fachmann für gepflegtes Spazierengehen, hatte zum "Talk Walk", einer "Talkshow in Fortbewegung", eingeladen. An sechs Stationen traf er dabei auf Akteure aus dem Stadtteil, die sich und ihre Projekte oder Einrichtungen vorstellten.
Nachdem am Treffpunkt auf dem Bahnhofsvorplatz die Schulleiterin der Dreisprachigen Grundschule, Irina Horstmann, reden durfte, ging es zunächst recht forschen Schrittes und wenig flanierend zur Kolping-Villa in der Sieverstorstraße. Dort sprach Alexander Biess vom Kulturanker e.V. über die Erfahrungen beim Wiederbeleben einer toten Straße im Rahmen des "Mystique"-Festivals.
Anschließend ging es weiter über Hinterhöfe zum Bauprojekt der MWG-Wohnungsgenossenschaft an der Weinbergstraße, wo Matthias Altrichter deren Pläne für ein Familienwohnquartier im Stadtteil vorstellte.
Quer durch die Wohnblöcke zwischen der Pappelallee und der Telemannstraße führte Weisshaar die Gruppe dann zum leerstehenden Ladenlokal Lüneburger Straße 25. Hier stellte der KanTe e.V. seine Projekte zur Zwischennutzung von Leerstandsobjekten vor. Vor Ort wurde dann erst einmal darüber diskutiert, welche Geschäfte dort früher gewesen waren. Birgit Schmidt vom Neustädter Geschäftsstraßenmanagement - sie hatte Weisshaar nach Magdeburg gelotst - stellte in Aussicht, dass der aktuelle Leerstand durch eine Zwischennutzung wohl bald überwunden sein wird.
In der Gutenbergstraße verwies der Promenadologe auf den großen Gegensatz zwischen den beiden Seiten der Lüneburger Straße. Während westlich Gründerzeithäuser das Straßenbild dominierten, sind es auf der anderen Seite Blöcke aus DDR-Zeiten. Im Medientreff "zone!" stellten die Mitarbeiter ihre Arbeit vor und erklärten, dass sie ihr Augenmerk verstärkt auf die Medienkompetenz der ganzen Familie legen.
Vom Universitätsplatz aus wanderte Weisshaar mit den Nachwuchspromenadologen durch den Nordpark zum Familienhaus, wo Martina Wölk das Haus und Annett Schmidt vom MWG-Nachbarschaftshilfeverein dessen Projekte vorstellte.
Für die meisten "Mitläufer" bestand die große Spannung darin, abseits der gewohnten Pfade zu wandeln. "Hier war ich ja noch nie", war häufig zu hören. Denn meist geht man immer die gleichen Wege. Von der Wohnung zum Supermarkt, zum Arzt oder zur Haltestelle. Weisshaars Anliegen ist es daher auch, dass man das Alltägliche wieder bewusster wahrnimmt und den Blick für die kleinen Besonderheiten schärft.