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Pannen und Unfälle Magdeburger müssen auf Bahn warten

Die Zahl der Unfälle mit Straßenbahnen in Magdeburg wächst. Dies bedeutet eine Herausforderung für die Magdeburger Verkehrsbetriebe.

Von Martin Rieß 08.01.2020, 05:58

Magdeburg l Immer wieder sind auf den Gleisen der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) alte Tatrabahnen der Baureihe T6 unterwegs. Die ersten eckigen Fahrzeuge dieser Baureihe hatten am 2. Mai 1990 ihren Betrieb in der Stadt aufgenommen. „Wir benötigen die Fahrzeuge derzeit, damit es zu keinen Ausfällen in unserem Fahrplan kommt“, erläutert Frank Rathsack, der die Abteilung Fahrzeugtechnik bei den MVB leitet.

Der Bedarf entspricht dem, was auch in anderen deutschen Städten üblich ist. Frank Rathsack berichtet: „Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat eine Formel aufgestellt. Diese ermöglicht es zu ermitteln, wie viele Fahrzeuge ein Verkehrsunternehmen abhängig von den gefahrenen Kilometern und dem Alter der Fahrzeuge benötigt.“ Das Ergebnis für Magdeburg lautet 86. Die Vekehrsbetriebe verfügen aber nur über 83 Niederflurfahrzeuge. Zwar sind nur 72 Fahrzeuge in Spitzenzeiten im Einsatz. Doch es muss auch einen Puffer für Reparaturen und Instandsetzungen in der Werkstatt geben.

Neben dem Verschleiß von Fahrzeugteilen spielen insbesondere Unfälle eine große Rolle. Frank Rathsack meint: „Trotz der von uns eingeleiteten Maßnahmen hat sich die Zahl der Unfälle in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. In einem Raum in der Betriebszentrale in der Otto-von-Guericke-Straße hängen Stadtpläne für jedes Jahr seit 2015. Mit Nadeln sind die Unfälle markiert. 2015 waren es 83, 2016 waren es 94, im Jahr 2017 95 und im Jahr 2018 dann 106. Das ist eine Steigerung auf 127 Prozent.

Frank Rathsack sagt: Zwar haben wir versucht, mit Maßnahmen wie dem Linksabbiegeverbot an einigen Stellen auf der Otto-von-Guericke-Straße gegenzusteuern.“ Doch offenbar sehen immer mehr Verkehrsteilnehmer die Regeln als Anlass, diese zu brechen, so das bittere Fazit des Leiters der MVB-Fahrzeugtechnik.

Dass die Magdeburger Verkehrsbetriebe keine Reserven bei der Technik mehr haben, zeigt das Beispiel Rothensee. Obwohl die 2013 durch das Hochwasser beschädigte Stromversorgung am August-Bebel-Damm inzwischen ersetzt ist, rollen die Straßenbahnen zwischen der Neuen Neustadt und dem Barleber See in der Hauptverkehrszeit nur im 20-Minuten-Takt. MVB-Sprecher Tim Stein sagt: „Wenn wir mehr Fahrzeuge hätten, könnten wir den 10-Minuten-Betrieb wieder aufnehmen. Solange dies aber nicht der Fall ist, müssten wir den Verkehr auf einer anderen Strecke einschränken.“

Ins Kontor schlägt bei den Magdeburger Verkehrsbetrieben, dass sie in den vergangenen Jahren von vier schweren Unfällen heimgesucht wurden. Frank Rathsack sagt: „Deren Häufigkeit kann man schlecht planen. In diesem Jahr hatten wir noch keinen entsprechenden Vorfall. Doch ein Fahrzeug, das im Jahr 2018 beim Unfall mit einem Lkw schwer beschädigt wurde, ist immer noch nicht wieder im Einsatz.“

Um genau zu sein: Es ist nicht einmal in Magdeburg, sondern in einer Werkstatt in Bautzen zur Reparatur. In diesen Wochen soll der Niederflurzug 1320 repariert in die sachsen-anhaltische Landeshauptstadt zurückkehren. Die Rede ist von Ende Januar oder Anfang Februar.

Ein Grund für die lange Reparaturdauer: Eine Straßenbahn ist nicht wie ein Auto ein Fahrzeug von der Stange. Straßenbahnen werden in Handarbeit produziert. Entsprechend aufwändig sind die Reparaturen. „Was den Unfall von 1320 angeht – hier hatte sich der Rahmen stark verzogen. Das ist eine Aufgabe, für die unsere Werkstatt nicht ausgelegt ist“, berichtet Frank Rathsack.

Einen passenden Auftragnehmer zu finden, ist darüber hinaus nicht einfach: „Es gibt nicht viele Unternehmen, die derartige Arbeiten ausführen können und die dafür zertifiziert sind.“ Und: Die Firmen, die als Auftragnehmer in Frage kommen, sind aufgrund einer sinkenden Zahl an verfügbaren Arbeitskräften oft an ihrer Grenze.

Das bekommen die Magdeburger Verkehrsbetriebe auch zu spüren, wenn die MVB-Werkstatt selbst Hand anlegen kann. „Auch bei einer Achse oder einem Getriebeteil liegen die Lieferzeiten inzwischen bei bis zu acht Monaten“, berichtet der Leiter der Fahrzeugtechnik bei den MVB.

Die Pannenanfälligkeit bei den Straßenbahnen steigt mit dem Alter ebenso wie bei Autos. Frank Rathsack berichtet: „Unsere erste Serie von Niederflurfahrzeugen stammt aus den Jahren 1994 bis 1996. Diese haben auch bald ihr Limit erreicht.“ Zu vergleichen seien die Fahrzeuge aufgrund ihrer Leichtbauweise jedenfalls nicht mit den alten Tatrabahnen der Reihe T4 , die es in Magdeburg auf 40 Jahre im Linieneinsatz gebracht hatte. „Dies ist dem geschuldet, dass in diesen Fahrzeugen beispielsweise dickere Bleche verbaut wurden  die halten naturgemäß länger“, erläutert der Chef der Fahrzeugtechnik. Aber sie machen eben die Fahrzeuge auch schwerer und sorgen für einen hohen Energieverbrauch.

Die Hoffnung der Verkehrsbetriebe, um den Fahrbetrieb nicht wegen fehlender Fahrzeuge einschränken zu müssen: dass die Beschaffung der neuen Straßenbahnen wie geplant läuft. Und dass das Unternehmen möglichst vor Unfällen verschont bleibt.