Personalmangel Taxi-Not in Magdeburg

Vor allem in den Nacht- und frühen Morgenstunden ist es eher ein Glücksfall, in Magdeburg ein Taxi zu bekommen. Das sorgt für Frust.

09.10.2019, 23:01

Magdeburg l Nach einer Urlaubsreise waren der Magdeburger Jörg Polster und seine Frau gemeinsam mit einer ganzen Reisegruppe per Bus auf dem Heimweg nach Magdeburg. Erster Halt, wo eine Hälfte der Reisegruppe aussteigen wollte, war Halle. Aus dem Bus heraus bestellte der Busfahrer morgens um 2 Uhr sechs Taxis. Die standen auch prompt da, als der Bus eintraf. Weiter ging es nach Magdeburg. Auch hier wollte der Busfahrer für seine Reisegruppe zu 3 Uhr sieben Taxis bestellen. Doch keine Chance. Es seien nur zwei Taxis im Einsatz – und die seien gerade unterwegs, hieß es am Telefon, erinnert sich Jörg Polster.

Also blieb der Reisegruppe nichts anderes übrig, als samt Koffern anderweitig nach Hause zu kommen – entweder zu Fuß oder auf den stündlich fahrenden Nachtbus warten. „Ich finde es für eine Landeshauptstadt ausgesprochen peinlich und ziemlich unwürdig, dass man selbst den Reiseverkehr nicht mit Taxis abdecken kann“, schrieb Jörg Polster an die Redaktion.

So wie ihm geht es vor allem nachts und in den frühen Morgenstunden vielen potenziellen Taxikunden in Magdeburg, wie zahlreiche weitere Leserbriefe zeigen. Thomas Henschel, Vorsitzender des Stadtverbandes der Magdeburger Taxiunternehmen, kennt das nur zu gut. „Mir tut es um jeden leid, der nachts mit Koffern in Magdeburg ankommt, oder von einer Familienfeier nach Hause gebracht werden möchte und kein Taxi findet“, sagt der Unternehmer. „Doch wir können den Bedarf einfach nicht mehr abdecken. Nicht, weil wir nicht wollen, sondern weil einfach Fahrer fehlen. Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren noch wesentlich verschärft“, sagt Thomas Henschel. Am Wochenende und nachts würden gerade mal noch gut 20 Taxis im Einsatz sein. In den frühen Morgenstunden noch weniger, schätzt Henschel.

Aktuell würden mindestens 50 Fahrer fehlen, um die Situation zu verbessern. „Ich würde sofort Fahrer einstellen. Aber es sind einfach keine da“, so Henschel. Er selbst habe derzeit 15 Stellenanzeigen ausgeschrieben – doch keine Bewerber. Und das, obwohl längst mehr als der Mindestlohn gezahlt werde. „Sie brauchen heute niemandem mehr mit einem Job zu kommen, bei dem man an Wochenenden, Feiertagen und auch nachts arbeiten muss. Das macht keiner mehr“, hat der Unternehmer, der drei Taxis in Magdeburg betreibt und selbst auch nachts hinterm Steuer sitzt, feststellen müssen.

Hinzu komme, dass vor allem nachts und in den frühen Morgenstunden auch kaum noch Taxifahrer die Schicht fahren möchten. „Die Zustände in der Nacht sind schlimm. Wir werden beschimpft, bespuckt, bedroht – das ist unterste Schublade. Ganz schlimm ist es nachts am Hasselbachplatz. Das hat Ausmaße angenommen, dass keiner mehr fahren will“, berichtet der Unternehmer. Kollegen erzählen von Vorkommnissen, dass ihnen am Taxistand die Scheibe eingeschlagen wurde, andere davon, dass plötzlich die Tür aufgerissen und ihnen ins Gesicht gespuckt oder Bier ins Auto gegossen wurde.

Angesichts der fehlenden Fahrer sei man derzeit „absolut nicht mehr in der Lage“, den Bedarf abzudecken, so Henschel. „Zum Jahresende werden zudem Kollegen in Rente gehen oder ihre Konzession zurückgeben.“ Insgesamt 127 Taxis sind momentan in Magdeburg zugelassen, im Januar 2018 waren es noch 145. Zum Vergleich: In Halle sind aktuell 224 Taxis angemeldet.

Thomas Henschel weiß keinen Rat, wie es weitergehen soll. „Das Gewerbe stirbt, wenn wir nicht genügend Fahrer finden“, sagt er.

Den akuten Personalmangel spürt auch Frank Tempel, Vorstand der Magdeburger Taxi- und Mietwagengenossenschaft: „Es kommt einfach kein Nachwuchs nach.“ Angesichts des Personalmangels komme es zu den Schwierigkeiten, zu bestimmten Zeiten ein Taxi zu bekommen. Bei der Taxigenossenschaft habe man bereits vor geraumer Zeit einen Pflichtdienst für die Zeit von 4 bis 7 Uhr eingerichtet. Zu dieser Zeit wollte zuvor niemand fahren beziehungsweise in Bereitschaft stehen. Doch auch hierfür müssten sich erst einmal ausreichend Fahrer finden – und das gestalte sich angesichts fehlender Fahrer sehr schwierig, so Tempel. „Wir brauchen mehr Taxis auf der Straße“, pflichtet Tempel seinem Kollegen bei.

Auch wenn in Halle fast doppelt so viele Taxis angemeldet sind wie in der Landeshauptstadt, ist auch dort die Lage nicht rosig, wie Winfried Bahr, Vorstandsvorsitzender der Taxi- und Mietwagengenossenschaft Halle, auf Nachfrage sagt. Die Zahl der Autos sage längst nicht alles aus. „Wir halten uns noch ganz gut, aber die Probleme, Fahrpersonal zu finden, sind die gleichen wie in Magdeburg. Wir hatten mal mehr als 400 Taxis in Halle, haben also auch schon viele Fahrer verloren. Der Dienstleistungssektor allgemein ist stark vom Arbeitskräftemangel betroffen“, so Bahr. Auch in Halle sei es ein immer größeres Problem, die Schichten zu besetzen, um den Bedarf zu decken. „Kaum jemand möchte mehr in Schichten arbeiten. Wenn nicht mehr Fahrer gefunden werden, stirbt das Gewerbe aus. Wir brauchen schlichtweg Nachwuchs“, meint auch Winfried Bahr.

Von der Stadtverwaltung Magdeburg heißt es, dass interessierte potenzielle Unternehmer jederzeit einen Antrag auf Genehmigung stellen können. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen erfolge die umgehende Genehmigung. In die Einsatzplanung und Personalgewinnung könne die Stadt jedoch nicht eingreifen, diese lägen in der Verantwortung der Unternehmen.