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Stadtentwicklung Räte für neue Altstadt hinterm Allee-Center in Magdeburg

Im Umweltausschuss und im Bauausschuss gab es Mehrheiten für eine Bebauung des Prämonstratenserbergs Magdeburg durch die Wobau. Es gab aber auch Diskussionen.

Von Martin Rieß 20.06.2021, 02:28
Das Magdeburger Büro "Architekten und Ingenieure Duong+Schrader" hat für Wobau Magdeburg und die Upwind Holding aus Berlin einen Entwurf für die Bebauung des Prämonstratenserbergs angefertigt.
Das Magdeburger Büro "Architekten und Ingenieure Duong+Schrader" hat für Wobau Magdeburg und die Upwind Holding aus Berlin einen Entwurf für die Bebauung des Prämonstratenserbergs angefertigt. Visualisierung: Architekten und Ingenieure Duong+Schrader

Magdeburg - Was soll aus dem Prämonstratenserberg in Magdeburg werden? An Plänen für eine Wiederbebauung der Fläche wird schon lange gefeilt. Nun aber liegt die Idee der Wobau auf dem Tisch, das Areal - anders als zunächst geplant - kleinteilig zu bebauen und einige im Zweiten Weltkrieg oder vorher zerstörte Fassaden der Altstadt wieder auferstehen zu lassen. Bevor der Stadtrat im Juli 2021 darüber entscheidet, haben sich der Ausschuss für Umwelt und Energie und der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr damit befasst. Beide Ausschüsse haben das Vorhaben mit großen Mehrheiten befürwortet.

Dies allerdings nicht ohne umfangreiche Diskussion. Denn auch wenn das Vorhaben viel Zuspruch findet - Kritik gibt es auch. So machten Anke Jäger und René Hempel (beide Linke) deutlich, dass sie einen sozialen Aspekt in dem Bauvorhaben vermissen. In dem ersten Vorschlag ist zwar auch ein Bereich mit für Familien geeigneten Wohnungen zu erkennen, doch dies reicht den Kritikern nicht.

Soziale Frage

Anke Jäger: „Es ist für mich kaum zu erkennen, dass dieses Viertel tatsächlich in erster Linie dem Wohnen dienen soll.“ René Hempel stellt grundsätzlich das Engagement der Wobau infrage: Er verweist auf eine Studie des DGB, nach der immer mehr Menschen in Magdeburg mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete verwenden müssen. Er sagte: „Für Touristen ist es ein barockes Disneyland. Und dort wird es ein paar Objekte für Leute geben, die die schöne Adresse als Prestige brauchen für den Briefkopf.“ Mit hochpreisigem Bauen würde die soziale Entmischung des Gebiets vorangetrieben.

Dem widerspricht SPD-Stadtrat Falko Grube: Niemand werde hier verdrängt, da an dieser Stelle ja bislang niemand wohnt. Zudem müsse man sich entscheiden: historisierende und teure Fassaden oder preiswertes Bauen für Bedürftige. Und Burkhard Moll (Tierschutzpartei) meinte: „Wir finden es gut, wenn man mit diesem Viertel die Strecke vom Domplatz bis hin zu den Ökumenischen Höfen ergänzt.“ Es wären fast noch mehr historische Fassaden als nur an den Ecken denkbar.

Beteiligung der Magdeburger

Wenn der Stadtrat dem Papier zustimmt, wird die Idee weiterentwickelt. Dies, so Elke Schäferhenrich, Leiterin des Bereichs verbindliche Bauleitplanung in der Stadtverwaltung, unter intensiver Beteiligung der Bevölkerung.

Ein Streitpunkt ist zudem, dass eine Grünfläche für eine Bebauung verschwinden soll. Darauf machten Kathrin Natho und Madeleine Linke (beide Grüne) aufmerksam. Es gehe nicht allein um eine Erholungsfläche, sondern auch ums Stadtklima. Madeleine Linke: „Daher sollte man mindestens überlegen, ob nicht die Häuser, die keine historische Fassade bekommen, begrünt werden. Auch müssen Bäume gepflanzt werden.“

Willi Polte wirbt für das Vorhaben

Alt-OB Willi Polte hatte als Mitinitiator des Vorhabens in beiden Ausschüssen das Wort erhalten. Er warb für die Idee, einen Identifikationspunkt für Magdeburger und Besucher zu schaffen: „Schauen Sie sich an, was der Neumarkt in Dresden, der Römer in Frankfurt und der Bereich um die Garnisonkirche in Potsdam diesen Städten gebracht haben.“ Und auch werde hier Wohnraum geschaffen, der von den Menschen gefragt sei.

Hier ein Überblick über einige weitere Punkte, die in die Diskussion eingeflossen sind.

Städtebaulicher Vertrag: Zwar kann man in einem Bebauungsplan nicht festlegen, wie genau die Fassade aussehen soll. Wohl aber kann man zu einem solchen Thema einen städtebaulichen Vertrag abschließen. Und auch wenn die Wobau ein Unternehmen der Stadt ist, scheint eine Mehrheit der Stadträte nicht auf einen solchen verzichten zu wollen.

Demenzgarten: Am Rand des Geländes befindet sich ein Demenzgarten für die Bewohner in der früheren Reichsbahndirektion. Hier sollte ursprünglich eine Erweiterung für dieses Angebot gebaut werde. Die Idee ist aber vom Tisch. Frank Schuster (CDU) machte deutlich, dass er in diesem Bereich eine Bebauung für dringlich hält – auch als Schallschutz gegen den Verkehr auf dem Schleinufer.

Verkehr: Madeleine Linke weist darauf hin, dass der Autoverkehr aus dem Viertel herausgehalten werden muss. Dem entspricht der Vorschlag, nur von außen eine Zufahrt in die Tiefgarage zu schaffen. Auch müsse genügend Platz für Fußgänger und Radfahrer bleiben.

Nachbarschaft: Zur Nachbarschaft gehört das Allee-Center. Falko Grube forderte, hier das Gespräch zu suchen und auf dem Dach der Tiefgarage einen Spielplatz zu errichten. So etwas fehle für die Steigerung der Attraktivität der Innenstadt ohnehin.

In Ladenlokalen Platz für Handel und Wandel

Ob eine weitere historisierende Überbauung des Tiefgaragendachs perspektivisch denkbar sei, wurde ebenfalls im Bauausschuss andiskutiert. Erstmals öffentlich geworden war das Vorhaben im Februar 2021.

Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befanden sich auf dem Prämonstratenserberg mehrere Straßen, die mit einer Neubebauung wieder aufgenommen werden sollen. Die Bebauung soll kleinteilig erfolgen und in den Geschäftsunterlagerungen unter anderem Raum für Gastronomie, Handwerk und Kreatives bieten.

Architektur: Laut dem aktuellen Entwurf sollen Bauformen aufgenommen werden, die der historischen Bebauung entsprechen. Ausdrücklich sollen an fünf Stellen Häuser und Häusergruppen als Fassade wiedererstehen, die an anderen Stellen aus dem Stadtbild verschwunden sind. Konkret handelt es sich dabei um das Geburtshaus Otto von Guerickes, ehemals Große Münzstraße 5, um die Alte Börse und das Haus Schwibbogen auf dem Alten Markt 5 und 6 und im Schwibbogen 8, um die 1900 abgerissene Heideckerei im Breiten Weg 148, um das Pieschelsche Haus im Breiten Weg 12 sowie um das Fachwerkhaus mit Erker in der Kreuzgangstraße 5. Bei den übrigen Häusern könnten auch historische Techniken und Baumaterialien eingesetzt werden.