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Gesellschaft Seniorentreff in der Kulturscheune in Magdeburg mit vielen Erinnerungen an Alt-Olvenstedt

Donnerstags gibt es keinen Arztbesuch und keinen Friseurtermin bei den Frauen aus Alt-Olvenstedt: Denn an diesem Tag wird geklönt – mit einem heiteren Blick auf die Vergangenheit und Gegenwärtiges.

Von Christina Bendigs 10.08.2021, 01:05
In der hübschen Olvenstedter Kulturscheune treffen sich einmal pro Woche die Senioren des ländlich geprägten Stadtteils Alt-Olvenstedt. Kürzlich gab es selbst gemachte Marmeladen.
In der hübschen Olvenstedter Kulturscheune treffen sich einmal pro Woche die Senioren des ländlich geprägten Stadtteils Alt-Olvenstedt. Kürzlich gab es selbst gemachte Marmeladen. Foto: Christina Bendigs

Magdeburg - Wenn sich die Senioren in Alt-Olvenstedt zum wöchentlichen Kaffeenachmittag treffen, dann ist die Tafel hübsch gedeckt und reich an Köstlichkeiten. Erst neulich gab es Weißbrot mit leckerer, selbst gemachter Marmelade. Da kann den Frauen aus Alt-Olvenstedt keiner so leicht etwas vormachen. Eine besondere Spezialität, die es beim jüngsten Kaffeenachmittag gab, waren Matjes mit Meerrettich und Johannisbeeren. Bei den servierten Köstlichkeiten wird dann auch munter geplaudert.

„Wir treffen uns einmal pro Woche und freuen uns darauf, uns mal mit jemandem austauschen und treffen zu können“, sagt eine der Frauen. Einige seien bereits alleinstehend. Da sei Gesellschaft wichtig. 22 Frauen zählt die Gruppe laut Liste. Und immer mal wieder kommt jemand Neues hinzu. Die meisten kommen auch aus Alt-Olvenstedt.

Solche schweren Taschen wie die Kinder heute hatten wir nicht.

Dadurch kennen sich viele der Frauen schon ein halbes Leben lang. Und manche sogar noch länger. Gisela Konrad, Karin Bode und Gudrun Behrens zum Beispiel sind schon in Alt-Olvenstedt gemeinsam zur Schule gegangen. An so manche Geschichte erinnern sie sich noch. Vor allem an die Jungen, die statt des Federhalters lieber Spitzen der Zöpfe von den Mädchen vor ihnen ins Tintenfass hängten. „Wenn man sie über die Schulter geworfen hat, dann hat das auch die anderen vollgespritzt“, erinnern sie sich. Manche der Frauen aus Alt-Olvenstedt wurden noch mit Schiefertafel eingeschult. „Solche schweren Taschen wie die Kinder heute hatten wir damals nicht“, erinnert sich eine der Frauen. Und sie seien allein zur Schule gegangen. Ganz traditionell waren noch die Bänke, in denen die Kinder einst saßen. Im Museum sind sie heute noch zu sehen, es habe welche für zwei und welche für vier Schüler gegeben.

So schwelgen die Frauen bei den Seniorennachmittagen durchaus auch in Erinnerungen, neben den aktuellen Neuigkeiten aus dem Dorf. Und die werden dann auch Mal op Platt vorgestellt. Helga Brix ist dafür die Spezialistin. Kaum eine Geschichte aus dem Alt-Olvenstedter Dorfgeschehen, die sie nicht kennt. „Erzähl doch mal was auf Platt“, kommt dann manches Mal die Aufforderung. Und wenn Helga Brix erst einmal angefangen hat, kommt sie von einer Geschichte zur nächsten. Vor allem die Zeit, als die amerikanischen Alliierten in Alt-Olvenstedt waren, ist vielen der Frauen noch in Erinnerung. „Have you chocolate?“, lautete eine häufig gestellte Frage: „Haben Sie Schokolade?“ Hatten sie. Und so wurden beispielsweise Eier gegen Schokolade getauscht.

Der große Saal, in dem die Amerikaner auch gemeinsam aßen, habe sich an der Birkenallee befunden. Zu den Mahlzeiten hätten die Autos vor der Tür gestanden. Und in denen befand sich meist vorn auf dem Armaturenbrett ein kleines Kästchen mit den wichtigsten Dingen, die man so brauchte: Schokolade, Zigaretten und noch einiges mehr. Die Kinder aus Alt-Olvenstedt wussten das. Und worauf hatten sie es abgesehen? Natürlich auf die Schokolade. Die hätten sie sich gemopst, erinnert sich eine der Frauen. „Aber bald lag keine Schokolade mehr darin“, sagt sie lachend.

Da wird einfach noch ein weiterer Stuhl an die Tafel gerückt.

Wenn die Geschichten von früher erzählt werden, von denen so manche doppeldeutig für verschmitztes Kichern sorgt, ist zu erleben, weshalb die Gruppe einmal gegründet worden war: nämlich zum Erhalt des dörflichen Kulturgutes.

Schon seit 15 Jahren kommen die Frauen regelmäßig zusammen. Anfänglich hatte Gabriele Freise, die die Treffen in der Kulturscheune mit organisiert, regelmäßig nach Themen gesucht. Aber so ist das bei den Landfrauen: „Wir lassen uns nichts aufzwingen“, sagt eine schmunzelnd. Was erzählt wird, muss sich ergeben oder aus der Gruppe heraus entwickelt werden.

Gern erinnern sie sich an Stadtrundfahrten mit dem Alt-Oberbürgermeister Willi Polte. Der war bei so mancher Tour mit dabei und habe so viel aus der Magdeburger Stadtgeschichte zu erzählen gewusst, dass die Frauen gern noch einmal mit ihm auf Tour gehen würden. Nur ob ein Bus heute noch bezahlbar wäre, das müsste erst einmal geprüft werden. Auch Tages- und Mehrtagesfahrten standen früher auf dem Programm, so dass es immer etwas zu erzählen und zu erleben gab.

Auf diese Weise ist eine muntere Gruppe entstanden, bei der es Freude macht, einmal Gast an deren Tafel zu sein. Wenn es Frauen oder Männer gibt, die sich noch anschließen wollen, sind diese herzlich willkommen. „Da wird dann einfach noch ein weiterer Stuhl mit an die Tafel gerückt“, sagen die Frauen. Und dann wenden sie sich wieder ihren Gesprächen zu. Schließlich wollen sie die Zeit nutzen. Und am nächsten Donnerstag treffen sie sich wieder. „Da ist kein Arzt- und kein Friseurtermin“, sagt eine. Diese Zeit wird sich einfach frei gehalten.