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Stadtentwicklung Kontra Straßenrückbau in Magdeburg

Die Stadtverwaltung Magdeburg lehnt Einengung einer Innenstadtmagistrale auf zwei Autospuren ab.

Von Katja Tessnow 07.11.2019, 00:01

Magdeburg l Mindestens für die kommenden Jahre lehnt die Magdeburger Stadtverwaltung einen Rückbau der Ernst-Reuter-Allee auf je eine Autospur pro Fahrtrichtung ab. Zu dem Ergebnis kommt das Baudezernat nach einem Prüfverfahren auf Antrag der Fraktion CDU/FDP.

„Eine Verlagerungswirkung auf andere Straßen“ befürchtet der Baubeigeordnete Dieter Scheidemann (parteilos) im Falle eines Rückbaus der Ernst-Reuter-Allee zwischen Otto-von-Guericke-Straße und Jakobstraße. Das habe eine Prüfung zur Fahrspuranzahl „nach Abschätzung der vorhandenen und zukünftigen Verkehrsmengen“ ergeben.

Mit der Fertigstellung von Tunnel- und Brückenbau würden überdies „verbesserte Infrastrukturverhältnisse zur Anbindung an die Innenstadt geschaffen“. In der Folge könne es besonders an ampelgeregelten Knotenpunkten zu verkehrlichen Spitzenzeiten „zu zunehmenden Rückstaus mit unerwünschten Auswirkungen“ kommen, schätzt Scheidemann ein und verweist auf „z. B. Schadstoffemissionen“.

Während sich die Befürworter einer schmaleren Ernst-Reuter-Allee gerade einen Zuwachs an Aufenthaltsqualität für die Innenstadt erhoffen, befürchtet Scheidemann „Attraktivitätseinbußen“.

Zahlen steuert der für Bau und Verkehr zuständige Beigeordnete im Informationspapier nicht bei. Auf Volksstimme-Nachfrage teilt Rathaussprecherin Kerstin Kinszorra mit, dass Daten einer „Kennzeichenerfassung“ von 2014 (vor Beginn des Tunnelbaus) Basis des aktuellen Prüfergebnisses seien. Im Durchgangsverkehr seien damals auf der Ernst-Reuter-Allee 4376 Kraftfahrzeuge täglich in Richtung Damaschkeplatz und 4095 in der Gegenrichtung registriert worden. Scheidemann schlägt vor, „Durchgangsverkehr und Knotenströme“ nach Abschluss der beiden Großbauvorhaben erneut zu überprüfen „und dann ggf. Maßnahmen abzuleiten“. Tunnel und Brücke werden nach aktueller Planung frühestens Ende 2021 bzw. 2023 komplett.

Bis dahin werden beinahe drei Jahrzehnte nach einem aus heutiger Sicht denkwürdigen Ratsbeschluss pro Rückbau vergangen sein. 1995 hatte sich eine Ratsmehrheit pro Rückbau der Innenstadt-Verkehrsschneise ausgesprochen. 2007 scheiterten die Grünen mit einer Offensive zur Umsetzung. Den aktuell behandelten Prüfantrag pro Reuter-Rückbau zauberte die Fraktion CDU/FDP auf der letzten Sitzung des Alt-Stadtrats im Juni dieses Jahres komplett überraschend aus dem Hut.

Initiiert hatte ihn der damals scheidende CDU-Rat Thomas Brestrich als Einzelkämpfer und gegen Widerspruch aus den eigenen Reihen. Der alte und neue Fraktionschef Wigbert Schwenke hatte den Antrag schon damals nicht – wie sonst üblich – mitunterzeichnet und auf Nachfrage von einem „Abschiedsgeschenk“ an den ausscheidenden Parteikollegen gesprochen. Schwenke räumte eine gewisse Distanz breiter Fraktionsteile zum Straßenrückbau-Ansinnen ein. Man wolle nun aber erst einmal das Prüfergebnis abwarten.

Die Mehrheit der Christdemokraten im Rat dürfte nun aufatmen, erleichtert darüber, dass der Baubeigeordnete die sprichwörtliche Kuh vom Eis trägt und das Thema mindestens vorerst als erledigt erachtet. Bereits im Sommer hatten sich auch die Innenstadthändler vehement gegen eine „Gängelung der Autofahrer“ mittels Straßenrückbau gewehrt, parallel aber eine Ertüchtigung des Radwegenetzes in der Innenstadt gefordert.