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Stadtrat Die Linke attackiert den Heizpilz

Per Antrag fordert die Linksfraktion im Magdeburger Stadtrat das Verbot des Heizpilzes vor Restaurants und Kneipen.

Von Katja Tessnow 16.06.2016, 01:01

Magdeburg l Bereits seit 2008 macht der Heizpilz bundesweit Schlagzeilen. Auslöser war das Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes zu Beginn des Jahres, das die rauchende Gesellschaft weithin aus Gasträumen verbannte. In der Folge boomte der Terrassenbetrieb auch im Herbst und Winter. Mehr und mehr Wirte – auch in Magdeburg – verlängern die Freiluftsaison mittels Außenbeheizung. Das wiederum erregte schnell die Gemüter der besonders klimafreundlichen politischen Liga. Unter anderem in einigen Berliner Stadtbezirken, in Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, Tübingen und München wurde der Heizpilz daraufhin gänzlich oder teilweise aus dem öffentlichen Verkehr gezogen und mit dem Stempel einer Dreckschleuder belegt.

Mit mehr als achtjähriger Verspätung landet die Debatte nun auch in Magdeburg an. Die Linksfraktion im Stadtrat macht mobil dagegen, „die Straße zu beheizen“ (O-Ton Antragsbegründung). Zur Ratssitzung am Donnerstag wird ihre Forderung „Klimakiller Heizpilze abschalten!“ erstmals aufgerufen. Ein Ratsbeschluss steht vorerst nicht an, da die Fraktion selbst eine Vordiskussion des Themas in den Ausschüssen für Umwelt und Energie sowie Rechts- und Bürgerangelegenheiten wünscht.

Die Linken rechnen vor, dass der 40-stündige Betrieb nur eines Heizstrahlers rund vier Tonnen Kohlendioxid produziere und schließt daraus: „Aus Gründen des Klimaschutzes ist es letztendlich nicht vertretbar, ein klimaschädliches Gerät zu nutzen, welches keinen essenziellen Nutzen aufweist.“ Daher sei ein Verbot „in jedem Fall gerechtfertigt“.

Das sehen jene, die durchaus einen wesentlichen, wenn nicht gar wirtschaftlich überlebenswichtigen Nutzen aus dem Heizpilz ziehen, anders. Arno Frommhagen, Gastronom (u. a. „Flair“) und Sprecher der Interessengemeinschaft Innenstadt, ist wenig amüsiert über den Linke-Vorstoß. „Der Antrag ist indiskutabel und scheinheilig. Denen, die sich das ausgedacht haben, kann ich nur ’n Vogel zeigen. Da soll die Politik doch erst mal dafür sorgen, dass die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, und nicht versuchen, am Heizpilz die Welt zu retten.“

Frommhagens Gastronomen-Kollege Marcus Krümmling, Mitinhaber der Bars „M2“ und „Likido“ am Hasselbachplatz, reagiert nicht ganz so ungehalten, aber ebenso entschieden: „Jahrelang hat sich kein Mensch über die Heizpilze aufgeregt und jetzt will man uns Gastronomen ohne Not in neue Investitionen zwingen.“ Krümmling und sein Geschäftspartner haben an der „Likido“-Lounge schon teilweise auf elektrisch betriebene Infrarot-Heizstrahler umgerüstet, „aber die Wärmeleistung ist nicht vergleichbar“. Zudem stellt Frommhagen infrage, ob die Energiebilanz der Stromfresser am Ende günstiger ausfällt als die der Gasheizer. Frommhagen sagt: „Man muss nicht hinter jeder Sau, die irgendwo durch die Stadt getrieben wird, noch eine hinterherjagen.“ Mit 120 Terrassenplätzen vor dem „M2“ und etwa 80 vor dem „Flair“ am Breiten Weg zehren beide Gastronomen erheblich vom aufs ganze Jahr ausgedehnten Terrassenbetrieb. Die Kundschaft genieße ihn. „Den Rauchern, die man aus den Gaststätten vertrieben hat, soll man nicht auch noch diesen Platz nehmen“, sagt Nichtraucher Frommhagen. Zudem verweist er darauf, dass der Terrassenboom Arbeitsplätze schaffe. „Ich hatte zwei Mitarbeiter für den Terrassenbetrieb zunächst saisonal beschäftigt. Inzwischen sind daraus zwei ganzjährige Arbeitsplätze geworden.“

Die Stadtverwaltung samt Umweltamt und Stabsstelle Klimaschutz will sich zum Heizpilz trotz jahrelanger bundesweiter Debatten erst einmal gar nicht äußern. Rathaussprecher Michael Reif sagt auf Anfrage: „Dieser Antrag (auf Heizpilzverbot – d. Red.) ist ein Neuantrag, der zur Beratung in zwei Ausschüsse überwiesen werden soll. Wenn der Stadtrat diese Überweisung beschließt, wird die Stadtverwaltung eine Stellungnahme erarbeiten.“