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Stammzellenspende Für das Leben des genetischen Zwillings

Die 22-jährige Lisa Moch rettete mit einer Stammzellenspende das Leben einer Unbekannten.

Von Karolin Aertel 26.02.2018, 15:00

Magdeburg l Stäbchen rein – Spender sein! Kurz und schmerzlos ist die Registrierung für eine Stammzellenspende. Doch was passiert, wenn man tatsächlich zum Spender wird? Lisa Moch hatte sich, wie die meisten, darüber keine Gedanken gemacht. 2015 ließ sie sich an einem Aktionstag der Deutschen Stammzellenspender Datei (DSD) registrieren. Ohnehin habe sie regelmäßig Blut gespendet, warum also nicht auch das?

Im Oktober 2017 erhielt die 22-Jährige dann die entscheidende Nachricht: Sie können mit einer Stammzellspende einem Menschen das Leben retten. Es ist dringend!

Bei höchstens fünf von hundert potenziellen Stammzellspendern kommt es innerhalb der nächsten zehn Jahre nach der Registrierung zu einer Stammzellspende. Lisa Moch war die Nadel im Heuhaufen. „Mir gingen tausend Sachen durch den Kopf“, erzählt sie. „Ich hatte ja keine Ahnung, was mich erwartet. Was passiert jetzt? Tut das weh? Ist es gefährlich für mich?“

Die 22-Jährige begann so gleich im Internet zu recherchieren. Und je mehr sie las, umso klarer wurde ihr die Tragweite. „Da ist ein Mensch, dem ich eine Chance auf ein zweites Leben geben kann. Ich hatte plötzlich eine so große Verantwortung.“

Nachdem Lisa ihre Familie informiert hatte, meldete sie sich so gleich bei der DSD und stimmte der Spende zu. „Ich wurde im Verlauf der nachfolgenden Wochen immer wieder gefragt, ob ich das wirklich machen möchte.“

Doch für Lisa Moch stand fest: „Da geht es einem Menschen viel, viel schlechter, da ringt jemand um sein Leben und ich kann helfen.“

Und so ging sie den dafür nötigen Weg: Um genauere Informationen über die Übereinstimmung der für eine Stammzelltransplantation entscheidenden HLA-Merkmale (Human Leukozyten Antigene) zu erhalten, wurde Blut abgenommen. Es folgten ein umfassender Gesundheitscheck und zahlreiche Aufklärungsgespräche.

Etwas beruhigter war sie, als sie erfuhr, dass keine Knochenmarkentnahme unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm vonnöten sei. Das werde hauptsächlich gemacht, wenn der Empfänger ein Kleinkind ist, erklärt DSD-Sprecherin Katja Kluger.

Stattdessen sollten bei ihr die Stammzellen aus der Blutbahn entnommen werden, eine sogenannte periphere Spende.

Zur Vorbereitung musste sie sich fünf Tage lang morgens und abends ein Medikament (G-CSF), das die Stammzellen vermehrt, in die Bauchdecke spritzen. „Anfangs ging ich dazu noch zum Arzt, weil ich es selbst nicht konnte“, erzählt sie. Doch irgendwann habe sie sich überwunden.

Von dem Medikament bekam sie grippeartige Symptome – Kopfschmerzen, vor allem aber Glieder- und Rückenschmerzen. Ein sehr gutes Zeichen, wie Katja Kluger erklärt. Denn das zeige, dass die Stammzellen gut wachsen und raus wollen.

Trotzdem nicht genug Stammzellen zu entwickeln, sei eine ihrer Befürchtungen gewesen. Auch die Sorge, krank zu werden und die Spende deswegen verschieben zu müssen, war stetiger Begleiter. Denn, wie die DSD-Sprecherin erklärt, bekommt der Empfänger der Stammzellen zehn Tage vor der Transplantation Chemotherapie und Bestrahlung. „Das Immunsystem des Erkrankten ist in dieser Zeit sehr schlecht. Oft entscheidet ein Tag mehr oder weniger über Leben und Tod.“

Ein Gedanke, der Lisa Moch belastete: „Ich hatte wirklich Angst, dass jemand wegen mir sterben muss.“ Doch ganz im Gegenteil: Vermutlich hat sie einer Frau das Leben gerettet. Wie diese heißt, weiß sie inzwischen – Elke. Sie erkrankte an Leukämie.

Drei Monate nach der Transplantation konnte Lisa Kontakt mit ihr aufnehmen. Obgleich die Anonymität zwischen Spender und Empfänger zwei Jahre lang gewahrt bleiben muss, dürfen sie sich über die DSD Briefe schreiben. Ein erstes Lebenszeichen hat Lisa bereits bekommen: Weil noch zu schwach und deswegen mit zittriger Hand, schrieb Elke per Computer in wenigen Zeilen nieder, wie unendlich dankbar sie sei und dass sie sich melden würde, sobald es ihr besser geht.

Seither hofft Lisa auf ein weiteres Lebenszeichen. Denn: „Sie fühlt sich wie ein Familienmitglied an. Sie ist ja fast mein genetischer Zwilling.“ Der übrigens jetzt auch Lisas Blutgruppe hat, denn die wechselt nach Transplantation.

Für zwei Jahre ist Lisa nun als Spenderin gesperrt. „Ich würde es aber immer wieder tun“, sagt sie. Denn die Spende an sich sei gar nicht schlimm gewesen. Sie ähnelte einer Dialyse. Fünf Stunden verbrachte sie im Klinikum in Dessau-Roßlau – eines, der wenigen Krankenhäuser, die Stammzellenentnahme ambulant durchführen.

Das Unangenehmste sei der eingeschränkte Bewegungsspielraum gewesen. Denn in beiden Armen hatte sie Kanülen. Aus einer Armvene wurde Blut durch einen Zellseparator geleitet und über die andere wieder zurückgeführt.

Nach der Spende habe sie sich schlapp und müde gefühlt, aber es ging ihr gut. Die Servicemitarbeiterin der Agentur für Arbeit Magdeburg blieb einen Tag zu Hause. Und auch die Milz, die sich durch das Spritzen des Medikaments im Vorfeld vergrößert, habe sich recht schnell wieder reguliert. „Das ist alles nichts im Vergleich zu dem, was jemand ertragen muss, der an Leukämie erkrankt ist und vielleicht sterben muss. Ich hoffe, dass ich Menschen animieren konnte, sich als Stammzellenspender registrieren zu lassen. “