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Streuobstwiesen Schlechte Apfelernte in Magdeburg

Aufgrund der hohen Temperaturen fällt die Apfelernte in diesem Sommer schlecht aus. Betroffen sind auch Streuobstwiesen in Magdeburg.

Von Lea Nischelwitzer 31.08.2019, 23:01

Magdeburg l In hohem Bogen fliegt ein Apfel durch die Luft. Er verfehlt Susanne Pummerer nur um wenige Zentimeter. Sie bückt sich lachend, hebt den Apfel auf und legt ihn in eine der beiden Schubkarren. Dann dreht sie sich zu dem schmächtigen Jungen um, der sie unschuldig anstrahlt. Wieder lacht Susanne und sieht dem Jungen mit freundlichem Blick direkt in die Augen. „Wollen wir die Schubkarre gemeinsam zum Komposthaufen fahren?“. Der Junge nickt begeistert und schiebt die voll beladene Schubkarre über die unebene Wiese. Zusammen mit seiner Schulklasse lernt er an diesem Vormittag, wie aus Äpfeln Apfelsaft wird. Dazu sortieren die Kinder die heruntergefallenen Äpfel in gute und unbrauchbare Früchte, waschen sie in einer großen Schüssel und werfen sie in die Apfelpresse.

Seit die Stadt Magdeburg 2006 eine frei gewordene Wiesenfläche dem Verein der Katholischen Erwachsenenbildung übergeben hat, wächst und blüht eine Streuobstwiese an der Lutherstraße in Sudenburg. Als Projektleiterin kümmert sich Susanne Pummerer um den Besuch von bis zu 70 Gruppen im Jahr, eine weitere Mitarbeiterin übernimmt die Pflege der Wiese.

Am Komposthaufen angekommen nimmt der Fünftklässler seine ganz Kraft zusammen und stemmt die Schubkarre mit den Äpfeln in die Grube. Sie kullern ein wenig herum, bis jeder seinen Platz gefunden hat. Neben einem Apfel mit braunen Stellen liegt einer mit weißen Flecken, der nächste ist verschrumpelt.

„Das ist ein großes Problem dieses Jahr.“ Durch die hohen Temperaturen können die Bäume ihre Früchte nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Sie werfen die Äpfel früher ab. Liegen sie erst einmal auf dem Boden, faulen sie innerhalb kürzester Zeit. „Sehr viele Äpfel haben in diesem Jahr einen Bewohner“, klagt Pummerer. Dabei handelt es sich meistens um die Larven des Apfelwicklers. Die Schmetterlingsart legt ihre Eier auf die Früchte und Blätter der Obstbäume ab. Die Raupen winden sich in die Früchte hinein und ernähren sich vom Fruchtfleisch. Besonders angezogen fühlen sie sich von Äpfeln und Birnen. Bei den Birnen kam es deshalb in diesem Jahr zu einem Totalausfall. Und auch die Apfelernte fällt gering aus. Auf einer zweiten, zehn Hektar großen Streuobstwiese, die die Katholische Erwachsenenbildung in Pechau pflegt, gibt es in diesem Sommer so wenig Äpfel, dass es sich nicht mehr lohnt, dort Äpfel zu sammeln oder zu ernten.

Die Rettung der Streuobstwiese in Sudenburg sind die Bienenvölker, die am Rande der Wiese in ihren Stöcken wohnen. Während die Wiese in Pechau auf Wildbienen zur Bestäubung angewiesen ist, schwirren auf Pummerers Wiese Honigbienen durch die Luft. Mit mehr als dreißig verschiedenen Apfelsorten, zehn Birnensorten, Aprikosen-, Kirsch- und Pflaumenbäumen achtet Pummerer darauf, dass sich die Bienen vielseitig ernähren können. Wie auch die Menschen brauchen die Bienen eine große Auswahl an Nahrung, um überleben zu können. Ein weiteres Glück ist es, dass die Bienenvölker dieser Streuobstwiese nicht von Varroamilben befallen sind. Die Milbe, die ursprünglich aus Südostasien stammt, gilt als größter Feind der Honigbiene.

Die laut kreischende Schulklasse rennt auf der Wiese umher. Susanne Pummerer streicht sich mit der Hand durch die Haare und fordert die Fünftklässler auf, in der Mitte der Wiese einen Stuhlkreis zu bilden. Die eben noch so wilden und kaum zu bändigenden Jungen werden auf einmal ganz still. Nun hören sie es zum ersten Mal: das Zirpen der Grillen. Und mit einem Mal schlägt hier auf der Wiese ein ganz anderer Rhythmus als im Rest der Stadt. Die Kinder riechen das frisch gemähte Gras und spüren die Brennnessel, die sie auf dem Weg am Bein gestreift hat.

Pummerer verteilt an jedes Kind einen Becher. Sie öffnet die erste Flasche des selbst gepressten Apfelsafts und mit einem lauten Prost startet die Verkostung. „So sauer“ und „ganz anders als zu Hause“, klingt es aus den Kindermündern. Pummerer öffnet die zweite Flasche. „Jetzt werdet ihr gleich überrascht sein“, kündigt sie an. Und tatsächlich: Die Kinder jubeln auf. Der Apfelsaft aus der zweiten Flasche schmeckt ganz anders. „Viel süßer“, meint ein Mädchen, das bisher noch gar nichts gesagt hatte. Susanne Pummerer nickt zufrieden. Je nachdem, welche Apfelsorten mit in die Flasche gemischt wurden, ändert sich der Geschmack. Beim Probieren der dritten Flasche verziehen sich die Gesichter der Kinder zu Grimassen. Da waren wohl ein paar faulige Äpfel mit dabei. In diesem Sommer kann das passieren. Pummerer erzählt: „Das war auch bei der vorherigen Schulklasse der Fall. Dann meinte aber ein Mädchen ganz stolz zu mir: ,Das schmeckt ja genauso wie bei Oma.‘“

Vor allem größeren Gruppen musste Susanne Pummerer in diesem Jahr absagen, da es nicht genug Äpfel gibt, die gepresst werden können. Dennoch sieht sie positiv in die Zukunft: „Bei der Apfelernte ist es normal, dass sich gute und weniger gute Jahre abwechseln, das nennt man Alternanz. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr wieder viele Äpfel gibt und wir niemandem absagen müssen.“