Subvention Kultur mit Schlagseite

Vor 10 bis 15 Jahren übertrug die Stadt Magdeburg Kulturorte an Vereine. Jetzt pfeifen alle auf dem letzten Loch.

Von Katja Tessnow 03.03.2017, 00:01

Magdeburg l Feuerwache, Volksbad, Moritzhof, Technikmuseum, Literaturhaus – allein der Umstand, dass fünf Kultureinrichtungen – im Streit um die Gunst des Publikums Konkurrenten – an einem Strang ziehen, Bilanzen offenlegen und gemeinsam mit demselben Problem an die Öffentlichkeit treten, mag eine Botschaft von der Höhe ihres Leidensdrucks sein. Not schweißt zusammen. Im Gespräch mit der Volksstimme senden die Leiter der Einrichtungen bzw. der Trägervereine alle das gleiche Signal aus: So geht’s nicht weiter!

Kern ihrer Kritik: Seit die Stadt – das ist 10 bis 15 Jahre her – die Einrichtungen in Vereinshand übertrug, verharren die Zuschüsse für Personal- und Betriebskosten auf demselben Niveau; keinerlei Anpassung trotz immenser Teuerung. So erhält etwa die Feuerwache jährlich rund 142.000 Euro aus der Stadtkasse, das Volksbad Buckau 135.000, das Technikmuseum 108.000 und der Moritzhof magere 53.000 Euro.

„Wir arbeiten für nahezu Mindestlohn“, sagt Lorenz Wühler (Feuerwache). Ein Großteil der Kulturarbeit in allen Häusern wird überdies ehrenamtlich geleistet. Gerhard Unger hat für das Technikmuseum einen eindrücklichen Vergleich parat, der die Entwicklung verdeutlicht: „ Als wir angefangen haben, hat der Zuschuss rund 70 Prozent unserer Kosten gedeckt, heute sind es nur noch rund 40 Prozent.“ Pikant: Für eine eventuelle Rücknahme des Technikmuseums in die kommunale Trägerschaft hat die Verwaltung selbst die Betriebskosten ausgerechnet, die bei ihr anfielen. Sie summieren sich auf eine halbe Million Euro jährlich; zur Erinnerung: dem Trägerverein überweist die Stadt nur 108.000 Euro im Jahr.

Am Beispiel Literaturhaus schlüsseln die Träger die Teuerung in Sachen Heizung (plus 43,73 %), Strom (plus 36,62) Müllabfuhr/Straßenreinigung (plus 33) oder Wartung technischer Anlagen (plus 40,7) auf, die seit 2006 aufgelaufen ist. Nur Beispiele. Selbstredend – das ist ihr Auftrag – sind die Träger bereit und auch in der Lage, einen Teil ihrer Kosten selbst zu erwirtschaften (heute zwischen 60 und 70 Prozent). Allerdings sehen sich auch alle in der Pflicht, zivile Eintrittspreise zu erhalten. „Das Maximum sind um die 20 Euro“, sagen Vertreter von Feuerwache und Moritzhof unisono. Die Häuser wollen und sollen nicht Orte der Hochkultur sein, sondern niedrige Schwellen für Besucher setzten. Sie haben Bildungsaufgaben und sozialen Anspruch. Keiner soll vor der Tür bleiben; schon heute schwierig. Lars Johansen (Moritzhof) erzählt von Gruppen, die Räume nutzen wollen (z. B. für Jugendtheaterprojekte), sich aber die Miete nicht leisten können.

„Dazu kommt, dass wir nur Dach- und Fachverträge für die Gebäude haben“, so Wühler. Die Stadt komme ausschließlich für Extremschäden auf, aber nicht für etwa desolate Fenster, Regenrinnen oder andere Schäden dieses Kalibers. Johansen: „Einen schlechteren Vermieter kann man sich gar nicht vorstellen.“

Zur Unterfinanzierung kämen gewachsene Anforderungen an die Buchführung und Abrechnung. „Wir machen das jetzt alle zehn Jahre und länger, aber die Stadt traut uns bis heute keine jährliche Abrechnung zu“, erzählt Jacqueline Brösicke (Volksbad). Die Vereine müssen in der Folge im Zwei-Monats-Rhythmus nachweisen, wofür das Fördergeld verwendet wurde, und die nächste Acht-Wochen-Rate neu beantragen. Der Aufwand wächst allen über den Kopf, zumal keiner der Vereine sich die Einstellung eines Buchhalters leisten kann. Dementgegen habe die Stadt extra zur Prüfung der Vereinsabrechnungen einen solchen eingestellt.

Die Vereine haben 2016 Vorschläge zur Neugestaltung ihrer Verträge ausgearbeitet. Der Kulturbeigeordnete Matthias Puhle (SPD) bestätigt auf Nachfrage, dass der Stadtrat den Oberbürgermeister im Oktober 2016 mit der Überarbeitung „der zum Teil seit 15 Jahren unverändert bestehenden Verträge“ beauftragt hat. Ziel sei eine „Anpassung an die aktuellen Erfordernisse“. Ein Beschlussvorschlag sei in Vorbereitung und werde so vorgelegt, „dass eventuelle Mehraufwendungen im Haushalt des Jahres 2018 Berücksichtigung finden können“, so Puhle weiter.

Der Stadthaushalt 2018 steht erst im Herbst zur Debatte. Im September müssen die Vereine Förderanträge für das Folgejahr vorlegen; Programmplanungen inklusive. Die Kulturträger fordern Planungssicherheit. Die Zeit rennt.

Die Frage, ob er die Sorge der Vereine teile und ihre finanziellen Forderungen unterstütze, lässt Puhle unbeantwortet.