Reportage über das Leben der Trümmerfrauen ab sofort im Kulturhistorischen Museum zu sehen Trümmerfrauen-Dokumentation: Schuften für den Wiederaufbau der Stadt
Ohne ihre Hilfe wäre der Wiederaufbau Magdeburgs nach dem Zweiten Weltkrieg nur schleppend vorangegangen. Zeitweise arbeiteten mehr Frauen als Männer in den Trümmern. Eine neue Dokumentation zeigt das Leben der fleißigen Damen.
Altstadt l Sie hockten in den Ruinen der Stadt, klopften Mörtel von Ziegeln und Klinker und schichteten Tausende der Steine für den Wiederaufbau auf. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Auch als Fahrerinnen, Heizerinnen und Weichenstellerinnen von Trümmerloks waren die Trümmerfrauen nach Kriegsende im Einsatz. Rund 40 000 Wohnungen und 40 Prozent aller Betriebe Magdeburgs hatte der Krieg bis 1945 vernichtet.
Heute sind noch insgesamt 29 Trümmerfrauen aus Magdeburg bekannt. 16 von ihnen sind gestern einer Einladung ins Kulturhistorische Museum vom Amt für Gleichstellungsfragen und des Museums gefolgt, um sich eine Dokumentation anzusehen, an der fünf von ihnen selbst beteiligt waren. Im Film "Die Stunde der Frauen - Magdeburger Trümmerfrauen erzählen" berichten die fünf mit eigenen Worten, wie es war, als Frau schwerste Arbeit zum Wiederaufbau der Stadt zu leisten.
Dabei wird unterschieden zwischen Aufbauhelferinnen, die regelmäßig enttrümmerten, und den Frauen, die die schwere Arbeit Vollzeit und bei jedem Wetter erledigten. "Das Ziel des Films ist, eine Erinnerung an die Arbeit zu schaffen, welche die Trümmerfrauen damals vollbracht haben", erklärt Hannes Köhler, der Magdeburger Student, der den Film konzipiert und Regie geführt hat. "Das können wir uns heute nämlich gar nicht mehr so vorstellen."
Historisches Filmmaterial, Musik und Fotos begleiten die Interviews mit den Zeitzeuginnen. Eine von ihnen ist die heute 84-jährige Lieselotte Herz aus Neu-Olvenstedt.
Mit 19 begann sie, als Trümmerfrau im SKL-Werk in Fermersleben zu arbeiten. "Ich war gelernte Stenotypistin und die brauchte man damals nicht. Und in dem Werk waren die Hallen zerbombt worden, also bin ich da hingegangen zum Arbeiten", erzählt sie. "Was wir nicht wussten: In der Fabrik waren Panzer-Abwehr-Kanonen produziert worden. Doch der ganze Schutt war auf sie gefallen. Erst nach und nach kamen sie wieder zum Vorschein. Als wir sie bemerkt haben, waren wir schon geschockt. Natürlich kamen sofort die Russen und haben sie abtransportiert." Zur Arbeit sei sie immer gerne gegangen, nicht nur weil es immer Mittagessen gegeben habe, wenn auch nur Sauerkrautsuppe.
"Wir wollten natürlich auch für den Wiederaufbau etwas leisten. Wir wussten, die Arbeit muss getan werden, damit wir neu anfangen können." Bis 1952 arbeitete sie im SKL-Werk, später dann auch wieder als Stenotypistin, bis sie in den Staatsapparat wechselte.
Die Interviews für den Dokumentarfilm waren für Lieselotte Herz eine Selbstverständlichkeit. "Ich finde es sehr schön, dass die Erinnerung an uns Trümmerfrauen dadurch aufrechterhalten wird. Und dass die Jugend von heute mal sehen kann, was wir alten Frauen damals alles so geleistet haben! Die Kamera habe ich gar nicht bemerkt. Auf einmal war die Interviewstunde um!"
Auch Irmgard Künne aus Reform, heute 91, arbeitete nach dem Krieg als Trümmerfrau in Magdeburg. Als sie mit 25 die Gerhart-Hauptmann-Straße 16 enttrümmerte, damals Sitz des Oberbürgermeisters und der Stadträte, fielen ihr und den anderen Damen im Keller Kisten auf. Darin: der goldene Reiter, Wahrzeichen der Stadt Magdeburg. Vor den Angriffen war er demontiert und dort eingelagert worden.
Der 27-minütige Film von Hannes Köhler ist ab sofort Teil der Ausstellung "Magdeburg lebt! Kriegsende und Neubeginn 1945-1949" im Kulturhistorischen Museum, die noch bis April nächsten Jahres dort zu sehen sein wird. Sie veranschaulicht die unmittelbare Nachkriegszeit. Der Film ist aber auch im Internet auf der Seite des Offenen Kanals Magdeburg abrufbar (www.ok-magdeburg.de).
Am 5. Dezember treffen die Trümmerfrauen das nächste Mal aufeinander. Oberbürgermeister Lutz Trümper hat sie zu einem festlichen Empfang anlässlich des 60. Jahrestages des Wiederaufbaus der Stadt ins Alte Rathaus eingeladen.