Trinkkultur Video: Daran erkennen Sie die besten und gemütlichsten Bars und Kneipen
Eine gute Bar oder Kneipe zu betreiben, ist schon fast eine Kunst. Sie zu finden hingegen nicht - wenn man weiß, worauf man achten muss.

Magdeburg - Kaum jemand kennt die Kneipenszene Magdeburgs so gut wie die "Kneipenretter". Fast 100 Lokale haben die Freunde bereits besucht. In diesem Jahr haben sie die kleine Kneipe "Bines Bierstube" aus dem Magdeburger Norden zum "Stammtisch des Jahres" auserkoren. Aber woran erkennt man eigentlich eine gute Kneipe und eine gute Bar?
An Äußerlichkeiten nicht unbedingt. "Bines Bierstube" ist ein Flachbau aus DDR-Zeiten. Nur donnerstags und freitags öffnet sich das Gitter vor der Tür für ein paar Stunden.
Aber um Äußeres geht es den "Kneipenrettern" nicht: Sie schwärmen von der "urigen" Atmosphäre und der "Gemütlichkeit" der Bierstube.

Für Hans Hopfinger lautet der oberste Grundsatz für gute Lokale: "Der Gast muss sich sauwohl fühlen." Der Bayer war Professor für Kulturgeografie an der Uni in Eichstädt und hat zu Wirtshäusern geforscht. Heute lebt er im Ruhestand, aber den Kneipen ist er treu geblieben.
Wie genau ein Wirt es schafft, dass der Gast sich "sauwohl" fühlt, ist "schon eine kleine Kunst", weiß Hopfinger. Viele Faktoren müssen dafür stimmen.
1. Die Atmosphäre
Erst einmal wäre da die richtige Atmosphäre. "Dazu gehören die Einrichtung, die Gerüche, das Licht", sagt Hopfinger. Einer der "Kneipenretter", der Magdeburger Daniel Riecke, bestätigt die Einschätzung des Professors. Er findet außerdem: "Eine Kneipe muss altbacken sein."

In "Bines Bierstube" etwa sind die Wände voll mit Urkunden, Fotos und alten Werbeschildern. Die Decke ist gepflastert mit Biertrucks. "Wir haben alles selber gemacht", sagt Klaus Chrupalla. "Den Tresen haben wir zusammen mit unseren Stammgästen gebaut."
2. Die Geselligkeit
Die Kneipe müsse durch ihre Einrichtung erzählen, wie viele Menschen hier schon beisammen saßen, meint "Kneipenretter" Daniel Riecke. "Da muss eine Patina drauf sein aus 30, 40 Jahren gemütlichen Beisammenseins." Die Kneipenretter sind eine Vereinigung, die in der Landeshauptstadt bereits über 95 Lokale mindestens einmal besucht hat. Sie setzen sich für die kleinen und unbekannten Kneipen ein und wollen auf das Kneipensterben aufmerksam machen.
Für viele sei ihre Bierstube "wie ein zweites Wohnzimmer", sagt Sabine Chrupalla. Für sie selbst seien die Stammgäste "wie Familie". An den Wänden hängen zur Erinnerung Todesanzeigen von einstigen Stammgästen.
Eine Kneipe muss ein Raum für Kommunikation sein, findet der Kulturgeograf Hans Hopfinger. Das könne über Gespräche und Stammtische funktionieren, aber auch über gemeinsames Fußballgucken, Dartsspielen oder Kickern.
3. Das Angebot
Klar, in einer Kneipe wird getrunken. In "Bines Bierstube" ist der Name Programm. Dazu serviert die Wirtin sogenannte "bierbegleitende Speisen" wie Currywurst oder Bauernfrühstück. Ausgefallene Kreationen braucht hier niemand.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach Wittenberg. Hier betreibt Martin Kramer die Charles Bar - die laut einem Gourmetmagazin beste Bar in Sachsen-Anhalt. Im Unterschied zu den meisten Kneipen spielt in Bars die Qualität und Originalität der Getränke eine größere Rolle.

"Wir wollen dem Gast außergewöhnliche Drinks bieten", sagt Kramer. Um seinen Gästen "ein Erlebnis zu schaffen", ändert er zwei Mal jährlich das Angebot. Aktuell etwa auf der Karte: der "Indian Mint Julep", ein Bourbon Whiskey mit Pfirsichlikör, Minze, Kardamom und Ingwer.
Auch in Kramers Bar führt das gemeinsame Trinken Menschen zusammen. "Wir haben einen Whiskey-Stammtisch. Die Leute kannten sich nicht, aber jetzt sind sie eine eingeschworene Truppe", sagt Kramer. Und an der Theke kommt man ebenfalls automatisch ins Gespräch.
4. Das Menschliche
Der Barbetreiber aus Wittenberg sieht es als seine Aufgabe, Gespräche zu moderieren und Menschen zusammen zu bringen. "Als Barkeeper spricht man viele Sprachen", sagt Martin Kramer.
Für Kulturgeografen Hans Hopfinger ist dieser Faktor - das Menschliche - sogar entscheidend für eine gute Bar beziehungsweise eine gute Kneipe. "Der Wirt selbst muss eine Person sein und nicht nur bärbeißig hinterm Tresen stehen", sagt der Professor.

So handhaben es auch Sabine und Klaus Chrupalla von "Bines Bierstube". Ihnen selbst fehlt etwas, wenn keine Gäste im Haus sind, wie während der Corona-Beschränkungen. "Endlich kommen wieder Leute und man erfährt wieder etwas", freut sich die Wirtin.
Öfter in die Kneipe gehen
Allerdings sind es in "Bines Bierstube" nicht mehr so viele Gäste wie früher. Es kommen keine neuen mehr nach, bedauert Sabine Chrupalla. Die Funktion als sozialer Mittelpunkt sei für Wirtshäuser schon länger weggefallen, analysiert Hans Hopfinger.
Trotzdem macht er Mut: "Wenn ein Gasthaus gut gemacht ist, dann kann es immer Erfolg haben." Was zählt, ist das Herzblut der Menschen, die dahinter stehen. Egal, ob sie für ihr Weg den perfektionistischen und außergewöhnlichen oder den einfachen und urigen Weg einschlagen.